Kultur

Ausschnitt aus Pablo Picassos „Frauen bei ihrer Toilette“ (1971 – 1977). die Gesamtansicht des Gobelins finden Sie in der Bildergalerie am Ende des Beitrags. (Foto: VG Bild-Kunst/Françoise Baussan)

03.01.2020

Farbiger Knalleffekt

Die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung überrascht mit modernen Gobelins

Die Überraschung ist gelungen. In der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung werden die Besucher quasi nach Strich und Faden verblüfft: Die Fäden der Moderne heißt die Schau, die Gobelins nach Entwürfen zeitgenössischer Künstler sowie von Vertretern der klassischen Moderne präsentiert – von Matisse bis Louise Bourgeois.

Eigentlich denkt man bei den Stichwörtern Gobelin, Tapisserie, Wandteppich (die alle das Gleiche meinen) eher an verstaubtes Kunsthandwerk von anno dazumal, das – auch wegen des ungeheuer zeitaufwendigen Herstellungsprozesses – vorwiegend dem Repräsentationsbedürfnis gekrönter Häupter und sonstiger Palastbesitzer diente, aber nach seinem ästhetischen Rang anderen Bildgattungen, gar der Malerei, nicht das Wasser reichen kann.

Aus diesem gemütlichen Vorurteil weckt uns die Ausstellung mit einem koloristischen Knalleffekt auf: Bunt, vital und ganz von heute sind die modernen Tapisserien, die man hier sieht – und oft auch wunderbar schräg, originell, amüsant. François-Xavier Lalanne beispielsweise hat das Luftbild einer Landschaft, wie man es heute aus Google Maps kennt, als Teppich nachbilden lassen. Ebenso erstaunt steht man vor dem Gobelin nach Alain Séchas, der als Vorlage ein abstraktes Gemälde mit heftigem Pinselgestus und pastosem Farbauftrag schuf. Wie diese leicht reliefartige Oberfläche des Entwurfs in der zweidimensionalen Tapisserie nur durch Farbnuancen illusionistisch imitiert wird, ist frappierend – und nicht nur ein typischer Trompe-l’Œil-Effekt, sondern ein fast schon abgründiges Spiel mit der Materialität von Kunstwerken überhaupt.

Raffinierte Pixelarbeit

Für witzige Irritationen durch das buchstäbliche Ineinanderwirken alter Handwerkskunst und digitaler Ästhetik sorgt auch Christophe Cuzin. Er hat den Garten der von Ludwig XIV. gegründeten und bis heute vom Staat betriebenen Pariser Manufacture nationale des Gobelins fotografiert, aus der die meisten der hier ausgestellten Tapisserien stammen. Anschließend vergrößerte der Künstler die Aufnahme am Bildschirm so stark, dass nur noch ein grober Pixelsalat übrig blieb, und genau diese Vergrößerung bildete den Gobelin-Entwurf. Wenn man jetzt vor dem fertigen Wandteppich steht, ist natürlich erst mal nichts zu erkennen. Erst aus sehr weitem Abstand betrachtet, fügt sich das gleichsam pointillistische Pixel-Puzzle vage zum gegenständlichen Bild.

Was klar macht, dass Tapisserien auch heute noch eher für weitläufige Palasträume geeignet sind, als für eine gängige Dreizimmerwohnung. Aber auch moderne Klassiker wie Pablo Picasso und der Op-Art-Star Victor Vasarely haben Vorlagen für faszinierende Wandteppiche geschaffen. Besonderen Effekt machen die teils riesigen Tapisserien nach Entwürfen von Joan Miró, dessen Neigung zu kräftiger, kontrastreicher Farbgebung und klar umrissenen Formen sich für große Flächen bestens eignet.

Das kann man sowohl vor den Teppichen selbst erfahren, als auch auf einem Foto, das Angela Merkel und Präsident Macron im Élysée-Palast zeigt, wo hinter ihnen an der Wand eben jener großformatige Miró-Gobelin hängt, der jetzt in der Münchner Ausstellung prangt. Der Repräsentation dienen Gobelins nämlich auch heute noch. (Alexander Altmann)

Information: Bis 8. März. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, 80333 München. Täglich 10-20 Uhr. www.kunsthalle-muc.de

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