Kultur

Klarinettenbau - ein Handwerk, das viel Feinmotorik verlangt. (Foto: Leitner & Kraus)

01.07.2016

Feingefühl für Birnen und Becher

Der Klarinettenbaubetrieb Leitner & Kraus in Neustadt an der Aisch hat den Deutschen Musikinstrumentenpreis gewonnen

"Du gehst zu Grundig“, hatte der Vater vor einem halben Jahrhundert gesagt, als es um eine Lehrstelle für den Sohn ging. Zum Glück gab es dort zu viele Bewerber. Denn Josef Leitner wollte etwas ganz anderes machen: Instrumentenbau. Und was er damals dachte, das gilt heute auch für seinen Sohn: „ein Beruf mit Zukunft“. Das gleiche gilt für den drei Jahre jüngeren Wolfgang Kraus. Längst sind Leitner & Kraus Kompagnons mit eigenem Betrieb in Neustadt a. d. Aisch und haben mehrere Gründe, stolz zu sein: nicht nur wegen der Söhne, die für die Firma Zukunft bedeuten, sondern weil sie mit ihrer Klarinette B-250 im Frühjahr den Deutschen Musikinstrumentenpreis in Frankfurt gewonnen haben. Und sie sind stolz, weil ihre Instrumente inzwischen weltweit anerkannte Qualität signalisieren.

Lebensdauer von 50 bis 60 Jahren

Gerade ist ein holländischer Kunde da, außerdem wartet man auf Stefan Schilling vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, der sein Instrument bringen will – wie viele andere Musiker in den Theater- und Orchesterferien. Denn eine Klarinette, so Leitner, ist ein Instrument, das dem Verschleiß unterliegt, höchstens 50 bis 60 Jahre hält und regelmäßig gewartet werden muss. Natürlich war die Klarinette, die man für den Wettbewerb eingereicht hatte, nagelneu. Sie stammte aus der mittleren der drei Preisklassen: „Wir wollten sehen, wo wir bei den mittleren Instrumenten stehen.“ Offenbar ganz weit oben, denn die Jury hat besonders den „runden, dunklen, vollen Klang“ gelobt.

Eingehend getestet

Den Preis gibt es jedes Jahr, immer für andere Instrumente, jeder Hersteller kann einreichen. Zuerst wird das Instrument im Labor unter die Lupe genommen, dann begutachtet ein Meister die handwerkliche Qualität. Schließlich werden fünf hochrangige Klarinettisten eingeladen, die Instrumente blind zu spielen. Wie viele Konkurrenten es gibt, wer in der Jury ist: Das bleibt ein Geheimnis bis zur Verleihung von Urkunde und Medaille. Josef Leitner und Wolfgang Kraus waren sich sicher, „etwas Besonderes gemacht zu haben, denn wir experimentieren viel mit Ausbohrung, Birnen, Bechern. Da geht es oft um eine Genauigkeit von einhundertstel Millimeter“ – auch beim Metallanteil der Klarinetten. „Die Form der Klappenarbeit, die harmonische Gestaltung der Klappen, wie sie sich greifen lassen: Wenn man eine Klarinette in die Hand nimmt, spürt man gleich den Unterschied.“

Holz aus Afrika

Im Keller bei den Leitners hatte man 1993 angefangen, seit 2002 gibt es die Werkstatt im Neustadter Gewerbegebiet. Dort geht es ungewöhnlich ruhig zu. Zwei große Werkstätten sind mit ganz traditionellen Maschinen bestückt, man sieht viel Vorrat an Zwischenprodukten. Da weiß jeder der ein Dutzend Beschäftigten, was er zu tun hat – und die Chefs wissen, wofür jeder talentiert ist. Das Wichtigste für diesen Beruf sind feinmechanische Fähigkeiten. Josef Leitner zeigt, womit der Klarinettenbau anfängt: mit Savannenholz aus Sambia oder Tansania, das er von einem Spezial-Holzhändler bezieht – „der Anbau in Afrika ist staatlich reguliert, alles muss wieder aufgeforstet werden“.

Monatelang in Leinöl lagern

„Holzkante“ heißen die schon handlich zugeschnittenen Stücke, die am besten erst einmal zehn Jahre lang liegen bleiben. Wenn das Holz dann einige Monate in Leinöl gelegen hat, wird gedreht, gebohrt, geschliffen, poliert und es werden die fünf Teile hergestellt, aus denen die Klarinette besteht: Mundstück, Birne, Ober- und Unterstück, Becher. Klarinette spielen, das muss ein Instrumentenbauer wie Leitner natürlich auch können. Als letzter Schritt der Herstellung heißt das dann: „das Instrument ausstimmen“. Rund 120 Arbeitsstunden dauert die Herstellung einer solchen Klarinette. 100 Instrumente produzieren Leitner-Kraus im Jahr – auf Werkbänken mit altehrwürdigen Gebrauchsspuren. In Neustadt a.d. Aisch dominiert die Tradition des „Musikwinkels“ zwischen Vogtland und der Tschechei, woher – genau wie nach Bubenreuth bei Erlangen – Instrumentenmacher nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen sind. Leitner und Kraus allerdings haben als Buben aus dem acht Kilometer entfernten Langenfeld die schon vorher ansässige Tradition fortgesetzt. Man hat viel Stammkundschaft. Die kommt extra nach Neustadt, probiert ein Vorführinstrument aus. Die Lieferzeit beträgt ein halbes Jahr. Zwei Drittel der Produktion sind Spitzeninstrumente, ein Drittel gehört zum Mittelsegment wie die B-250, günstigere Modelle gibt es für Musikschüler und -studenten: „Aber daran verdienen wir kaum etwas.“ Ansonsten muss man zwischen 3000 und 7500 Euro für eine Klarinette von Leitner und Kraus anlegen; die berühmte Sabine Meyer hat für ihre Bassklarinette aus Neustadt um die 18 000 Euro investiert. Dafür haben alle Kunden nun ein Instrument aus prämierter Meisterhand. (Uwe Mitsching) Abbildungen:
Väter und Söhne:   Jochen und Josef Leitner, Wolfgang und Andreas Kraus. Für ihr Modell B-250 bekamen die Klarinettenexperten aus dem mittelfränkischen Neustadt an der Aisch den diesjährigen Deutschen Musikinstrumentenpreis. Die Jury lobte vor allem den „runden, dunklen, vollen Klang“ ihrer Klarinette.   (Fotos: Leitner & Kraus)

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