Kultur

Schweninger (rechts stehend) im Kreis von Bismarcks Familie. Der Kanzler sitzt rechts. (Foto: Stadtmuseum Neumarkt)

29.11.2024

Filou im Doktorkittel

Das Stadtmuseum Neumarkt in der Oberpfalz erinnert an den Promiarzt Ernst Schweninger, der einst auch Bismark kurierte

In welche Schublade soll man Ernst Schweninger einordnen? In die des modernen Arztes mit dem Hang zur Naturheilkunde, des Verführers im Arztkittel oder des Leibarzts von Reichskanzler Otto von Bismarck? Das Leben dieses Prominentendoktors im zweiten Kaiserreich beleuchtet das Stadtmuseum Neumarkt in einer Ausstellung, Anlass ist der 100. Todestag Schweningers.

In Freystadt geboren, so sein Vater der Bezirksarzt war, ging Ernst Schweninger im nahen Neumarkt in der Oberpfalz in die Schule. Sein Leben gibt ein farbiges Bild der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ab. Kuratorin Petra Henseler hat einen chronologischen Rundgang durch Schweningers Leben gemacht: mit Fotografien, Texttafeln und einigen kuriosen Memorabilien aus der Vita des Lebensretters von Reichskanzlers Bismarck. Denn jener war durch einen äußerst ungesunden Lebenswandel (Sekt und Beefsteak schon zum Frühstück) vielfältig erkrankt bis hin zur Diagnose Leberkrebs. Schweningers Bewegungs-, Diät- und Arbeitsplan rettete ihm für weitere 16 Jahre das Leben – der vermeintliche Krebs entpuppte sich als Gallensteine.

Aber als Kaiser Wilhelm II. den Kanzler abservierte, musste auch Schweninger gehen. Er hat sich trotzdem mit Sanatoriums- und Kurplänen weiterhin einem gesunden, maßvollen Leben als Therapiemittel verschrieben.

Theaterreife Affären

Die Fotos von Schweninger zeigen einen feschen Doktor wie aus einem Stück von Arthur Schnitzler und auch mit theaterreifen Affären: Als junger Dozent verführte er in München die Frau eines Kollegen, wofür er vier und sie zwei Monate ins Gefängnis mussten; als eleganter Klinikdirektor und Leibarzt spannte er dem Malerfürsten Franz von Lenbach die Frau aus. Man erfährt aber auch, dass er Gründer des „Sanatorium Schloss Heidelberg“ als Aktiengesellschaft war; eine Inhaberaktie liegt in den Neumarkter Vitrinen aus, genauso wie die Orden, die auch ausländisches Promiklientel an Schweningers Brust heftete, ebenso einer der 24 Sektkelche, die Bismarck ihm spendierte, als der in den Adelsstand erhoben werden sollte. Schweninger hat das abgelehnt, die Gläser aber behalten. Immerhin saß Schweninger ja auch nachts an Bismarcks Krankenbett und begleitete ihn zur Kur nach Bad Kissingen. Schweninger behandelte ebenfalls mit diplomatischem Geschick auch ausländische Potentaten wie den türkischen Sultan.

Schlecht verdient hat er dabei nicht und konnte sich für den Lebensabend eine aus zwei Häusern zusammengefügte Villa in Münchens Mendelssohnstraße 5 kaufen: das „Hexenhaus“ auf der Prinz-Ludwigs-Höhe.

Prunk und Protz des Wilhelminischen Zeitalters waren nichts für ihn, gerne aber hat er die Sommerwochen mit seiner Frau in Nizza verbracht. Auf eine Eisenbahn aus Pappkarton hat man im Stadtmuseum die Postkarten seiner Reiseziele geklebt: von Monte Carlo bis Konstantinopel.

Den ärztlichen Kollegen in Berlin war Schweninger vielfach suspekt, aber seine Patient*innen liebten ihn und schickten zum 70. Geburtstag Telegramme zum Beispiel an den „Freund und Helfer der Menschheit“ und den „unvergesslichen Lehrer“. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 31. Januar. Stadtmuseum, Adolf-Kolping-Straße 4, 92318 Neumarkt in der Oberpfalz. https://stadtmuseum.neumarkt.de

 

 

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