Kultur

Mann und Frau – ein Thema, das Pablo Picasso in seinem Werk immer wieder bearbeitete. Hier ein Ausschnitt aus „Stehender männlicher und weiblicher Akt“ von 1969; die komplette Ansicht sehen Sie im Beitrag. (Foto: Sammlung Klewan/ Buchheim Museum)

12.02.2016

Göttin oder Fußabstreifer

Picasso und die Frauen – das Buchheim Museum widmet dem Thema eine Ausstellung

Picasso mit einem großen Gartenschirm am Strand der Cote d’Azur, aufgespannt über Francoise Gilot: Mit diesem Foto verbindet man den Inbegriff von Sommer – aber auch von Mann und Frau, dem Thema, das den Künstler wie kaum ein anderes beschäftigt hat. Sieben Geliebte und Ehefrauen Picassos zählt eine Ausstellung im Buchheim-Museum am Starnberger See auf. Man liest darin biografische Notizen und Picassos Äußerung: Diese Frauen seien für ihn entweder Göttinnen oder Fussmatten gewesen. Die Schau bietet eine Fülle von Zeichnungen, Drucken und Gemälden, mit denen das Museum seinen 90 000-Besucher-Rekord von 2015 fortsetzen will. Mann und Frau in einer Person: Im blau-weiß gestreiften Fischerhemd heißt das Der Raucher. Aber die Kordel, hinter der dieser Mittelmeer-Mann sitzt, rundet sich zu weiblichen Formen, die Ölkreide-Farben ergeben die Andeutung eines weiblichen Gesichts: „Selten verwebt Picasso die beiden Geschlechter derart eng wie hier“, schreibt Museumsdirektor Daniel J. Schreiber im Katalog über diese Zeichnung, die 2014 aus dem Buchheim-Privatbesitz in den Museumsbestand kam. Schreiber hat vieles aus der Sammlung Klewan dazugeholt, in Berlin ausgeliehen.

Alte Meister persifliert

Einen Überblick über die Schau gewinnt man von der Museumsgalerie aus. Dort hängen Zeichnungen mit einem Gewimmel an Körpern, Brüsten, weit geöffneten Vaginas und Schenkeln: ein Gewoge von weiblichem Fleisch, von entspannt und glücklich lächelnden Frauen, die ungeniert zeigen, was sie haben – und woran Picasso am meisten interessiert war. Mit Türkisches Bad hat er das in der Nachfolge von Ingres’ Haremsbildern in üppige Formen gebracht. Er kopierte, persiflierte vieles aus der Kunstgeschichte: vom Raub der Sabinerinnen oder der Töchter des Leukippos bis hin zu Susanna im Bade – Frau im Bett mit Besuchern in Kostümen, die Kleider sind aus der Rembrandt-Zeit. Aber Picasso konnte auch anders: Daniel J. Schreiber hat die Stillende Mutter von 1963 mit ihren wenigen Strichen und in leiser Colorierung daneben gehängt. Von dieser Warte aus sieht man hinunter auf den androgynen Raucher im Ringelhemd und auf die vielen Besucher, die sich einen Überblick über die vier Ehefrauen Picassos verschaffen wollen, denen die Ausstellung dann stilistische und motivische Eigenheiten zuordnet.

Männer als Garnitur

Allerdings: Wo bleiben in einer Ausstellung, die Mann und Frau heißt, die Männer? Sie garnieren das Objekt von Picassos Begierde, das dominierende weibliche Element höchstens als Flöte spielender Pan oder lächelnder Faun (auf den berühmten Lithografien), sie sind neugierige Betrachter der weiblichen Intimbereiche (Akt und Männerkopf) oder sie verdrücken sich am rechten Bildrand wie der Kollege Degas Zahlt und geht. Dann sind sie nur noch alternde Könige mit Narrenkappe in diesem Reich von Erotik und Sexualität. Demgegenüber beherrschen die Frauenporträts das Thema: kubistisch verfremdet (Frau mit Hut) oder ganz realistisch – namenlos, aber von Sternen umrahmt. Für die Faunsköpfe genügen Picasso ein paar Striche, für die Frauenbildnisse füllt er die Bildgrenzen mit Individualität. Männer kommen vielfach als Maler ins Bild: mit ihrem Modell, im Atelier. Aber als wirkliches Motiv haben sie Picasso offenbar nicht interessiert: immer in der gleichen Stellung, mit stereotypen Bewegungen vor den hingelagerten Modellen. Und auch der Vergewaltiger Minotaurus geht als Subjekt im gewalttätigen Gewühl dieser Szenen unter. Wenn man das alles zusammenzählt: Viele Frauen haben Picassos Leben bestimmt, waren vielleicht tatsächlich nur „Fußabstreifer“ für seine Obsessionen. Auf den Bildern aber sind sie eindeutig die Göttinnen. 13 Jahre nach Picassos Tod 1973 hat sich die vereinsamte Jacqueline Gilot erschossen. Da waren die sonnigen Tage unter dem Schirm am Strand längst vorbei. (Uwe Mitsching) Information: Bis 8. März. Buchheim Museum, Am Hirschgarten 1, 82347 Bernried. Di. bis So. und Fei. 10 - 18 Uhr. www.buchheimmuseum.de

Kommentare (1)

  1. pegafitta am 12.02.2016
    Korrektur nötig: Nicht eine Jacqueline Gilot hat sich erschossen, sondern die Frau hiess Jacqueline Roque. Francoise Gilot lebt munter in New York. Picasso war 2x vor dem Gesetz verheiratet: Olga Kokhlowa (1918)und Jacqueline Roque(1961). Enge, aber nicht eheliche Beziehungen hatte er u.a. mit Fernande Olivier, Marie Therese Walter, Dora Maar und Francoise Gilot, um die bekanntesten zu nennen. Aus der Ehe mit Olga ging ein Sohn hervor (Paulo) , Maria Therese Walter gebar im eine Tochter (Maya) und Francoise GIlot eine Tochter (Paloma) und einen Sohn (Claude). Was Männer betrifft, hat Picasso viele seiner Maler Kollegen und Dichterfreunde sowie Kunsthändler protraitiert, u.a. Kahnweiler, Strawinsky, Cocteau, Max Jakob etc. Eine Ausstellung zum Thema Picassos Kinder wäre ein lohnenswertes Thema.
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