Kultur

Die Lebenswelt der Menschen im Bayerischen Wald in alten Tagen - hier eine Ansicht von Hengersberg im Jahr 1917. (Foto: Haus der bayerischen Geschichte)

23.08.2024

Hartes Leben in wunderbarer Landschaft

Das Haus der Bayerischen Geschichte – Museum in Regensburg zeigt alte Postkarten aus dem Bayerischen Wald

Dort hinein gingen die Leute nicht automatisch – nicht früh, nicht schnell, ja nicht einmal gerne. Während seit Jahrtausenden die Flusstäler bereitwillig besiedelt waren von Bauern, Pfarrern und Herrschaften, Gegenden wie der Gäuboden sämtliche Ernährungsmöglichkeiten mit Getreide und Viehzeug boten und der Biergarten womöglich noch vor dem Rad Einzug hielt, wollte in diesen steinigen, schattigen, schneereichen Wald niemand gehen. Warum auch?

Erst einmal war er ein unsicheres Grenzland zwischen Slawen und Bajuwaren, dann viel zu unkommod, um dort zu herrschen über Wildsäue, Bären und den Auerhahn. Im späteren Mittelalter allerdings wuchs mit der Bevölkerung die Notwendigkeit, neue Siedlungsräume zu erschließen. Einzelne Herren gingen voran: Die Grafen von Bogen und die Grafen von Hals beispielsweise, ebenso die Bischöfe von Passau machten sich daran, Siedler zu gewinnen, um Macht und Territorium auszuweiten – letztlich, um neue Abgaben zu generieren.

Klösterliche Fürsorge

Vor allem aber waren es die Klöster wie Niederaltaich und Metten, die sich um das Roden und Bewirtschaften von neu zu gewinnenden Flächen für Ackerbau und Viehzucht kümmerten. Ebenso nahmen sie sich der neuen Landsassen an. Ortsnamen mit -zell, -ried, -mais, -haus und -hof zeugen von dem kontinuierlichen Vorwärtsgehen der Besiedlung, die aber lange nur für ein prekäres Leben reichte. Und lang bedeutete wirklich lang: Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs waren die heutigen Landkreise im Bayerischen Wald Gebiete von kontinuierlicher Auswanderung: in die Städte oder gleich nach Amerika. Die Menschen waren dankbar, dass sie anderswo aufgenommen wurden.

Jetzt zeígt eine kleine, aber bemerkenswerte Ausstellung im Haus der Bayerischen Geschichte – Museum (HdbG)in Regensburg das Leben der Menschen im Bayerischen Wald 1900 – 1950. Auf vielen dieser Fotos kann man sehr gut erkennen, wie hart das Leben in der Region war. Zwar sind es Postkarten, die man mit Urlaubsgrüßen assoziiert und die in der Regel das Einladende widerspiegeln sollen, aber sie dokumentieren dennoch auch den Alltag der Menschen. Und sie zeigen uns heute, nach rund 100 Jahren, eine ganz andere, schier ferne Welt.

8000 einschlägige Postkarten umfasst die Sammlung des HDBG, 50 davon sind nun ausgestellt. Wenn man sieht, welche Menschenmenge rund um eine mobile Dampfmaschine posiert – allein 20 Erntehelfer*innen, ihre Kinder, dazu Maschinisten –, kann man augenscheinlich begreifen, wieso die Landwirtschaft einst so viele Arbeitskräfte benötigte. Und wie sehr sich seither Wirtschaft und Landwirtschaft geändert haben. Änderungen sind zuhauf zu verfolgen. Ein Bild von Hengersberg im Landkreis Deggendorf zeigt einen Marktplatz aus dem Jahr 1917: völlig autofrei. Ähnliches gilt für den „Gruß aus Perlesreut“ im Landkreis Freyung-Grafenau: Die Ansichtskarte zeigt eine unbefestigte, zerfurchte Straße – die „Goldwarenhandlung“ im Laden eines Uhrmachermeisters in einem schindelgedeckten Haus nimmt sich da eigentümlich befremdlich aus. Ladenbesitzer, Händler, Gewerbetreibende: Das ist dann schon die Oberschicht im Bayerischen Wald. Die sieht man auf solchen Postkartenbildern immer wieder, aber auch Arbeiter, Schuftende, Bäuerinnen. Das harte Leben, das harte Brot: Das zeigt das Arbeiten auf dem Feld ebenso wie in der Granitfabrik. Zwischendrin wird Fasching gefeiert, ein bizarrer Nikolaus mit Sonnenbrille tritt auf.

Im Zug laufende Nonnen, ein Kreuz, das angebetet wird, eine Schneekirche: Solche Motive zeugen von der tiefen Gläubigkeit der Menschen – sie macht die Härte aushaltbar. Das Leben in einer wunderbaren Landschaft: Nein, es war nicht immer wunderbar. (Christian Muggenthaler)

Information: Haus der Bayerischen Geschichte – Museum, Donaumarkt 1, 93047 Regensburg. www.museum.bayern.de    

 

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