Kultur

Hermann Glaser ist im Alter von 89 Jahren gestorben. (Foto: dpa)

19.06.2018

Hermann Glaser gestorben

Der fränkische Publizist war ein maßgeblicher Vordenker moderner Kulturpolitik

Mehr als 30 000 Bücher hatte Hermann Glaser im Laufe seines Lebens gesammelt. Mehr als 80 Werke hat der Historiker selbst verfasst. Nun ist der Vordenker einer modernen Kulturpolitik tot. Im Alter von 89 Jahren sei er in der Nacht auf Montag überraschend gestorben, sagte sein Sohn Uli Glaser.

Besonders ein Thema ließ dem umtriebigen Publizisten keine Ruhe: "Wie konnte es dazu kommen, dass sich in diesem Volk, das im 18. und 19. Jahrhundert viel zum geistig-kulturellen Leben beigetragen hat, der Nationalsozialismus endemisch ausbreiten konnte?"

Seine These: Universitäten, Militär, Kirche, Schulen und Verwaltung hätten im 19. Jahrhundert alle geistigen Werte pervertiert und ins Gegenteil gezogen. "Die Nationalsozialisten konnten nur so erfolgreich sein, weil sie auf einen Resonanzboden stießen", fasste Glaser seine Erkenntnisse kurz vor seinem 85. Geburtstag zusammen.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sei die deutsche Gesellschaft weiter von konservativ-reaktionären Elementen geprägt gewesen. "Nach 1945 war der Nationalsozialismus zwar weg, aber im Kulturbereich wurde an die klassische Kultur angeknüpft. Innerlich fand die Reform erst in den 60er/70er Jahren statt."

Die neue Kulturpolitik - als deren Vordenker Glaser gilt - wollte "die Verhältnisse zum Tanzen bringen". Mehr Offenheit, mehr Vielfalt, breite Bevölkerungsschichten einbeziehen. Stadtteilkultur statt steifer Kulturtempel - all das war damals revolutionär.

"Mit einer unersättlichen Neugier und Begeisterung für Neues hat er den Diskurs zur gesellschaftlichen Relevanz der Kultur mitgestaltet und damit den Kulturbegriff maßgeblich mitgeprägt", sagt der Chef des Nürnberger CSU-Bezirksverbands, Michael Frieser. "Hermann Glaser wird uns mit seinem Esprit und seiner Begeisterung für humanitären Fortschritt fehlen."

Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) bezeichnete Glaser als "großen Denker und rastlosen Schreiber", der früh die Auseinandersetzung mit der besonderen Nürnberger NS-Geschichte förderte. Der SPD-Vorsitzende Thorsten Brehm sagte: "Mit Hermann Glaser verlieren wir einen leidenschaftlichen und auch streitbaren Kulturpolitiker sowie einen großen Sozialdemokraten." Erst vor wenigen Tagen habe Glaser noch seinen "unvergleichlichen Wissensschatz und ungebrochenen Humor" unter Beweis gestellt.

26 Jahre lang war Glaser Kulturdezernent in Nürnberg, 15 Jahre lang leitete er den Kulturausschuss des Deutschen Städtetages. Auch der Kulturpolitischen Gesellschaft saß er vor und kämpfte für eine demokratische, um die Teilhabe möglichst vieler Menschen bemühte Kulturpolitik, die auch mal alternative Experimente wagt. Hartnäckigkeit und unermüdlichen Einsatz für die Sache bescheinigen ihm auch Wegbegleiter. Zugleich schwärmen sie wie die heutige Nürnberger Kulturdezernentin Julia Lehner (CSU) von seinen angenehmen und warmherzigen Umgangsformen.

Der dreifache Vater und mehrfache Großvater zog vor knapp fünf Jahren selbst eine eher gemischte Bilanz: "Ich konnte manches verändern, manches schaffen." Zugleich sorgte er sich schon damals um eine "Entpolitisierung" in Deutschland: Gesellschaftliche Skandale brauchten sehr lange, "bis sie zu einer Gegenkraft führen". (Elke Richter, dpa)

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