Kultur

Der Blick beim Betrachten folgt dem des Städters in "Wanderer über dem Nebelmeer" (Ausschnitt) in eine rätselhafte Seelenlandschaft. (Foto: SKH/Hamburger Kunsthalle/bpk/Elke Walford)

09.06.2023

Innehalten und genießen

Im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt lässt sich der Wandel in der Naturauffassung von Caspar David Friedrich beobachten

Die Romantik in der Kunst leitete ein neues Naturverständnis ein. Spektakulär beweist dies das Schweinfurter Museum Georg Schäfer mit Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik schon ein Jahr vor dem 250. Geburtstag des Malers mit 41 seiner Meisterwerke und weiteren großartigen Bildern seiner Vorgänger. Nachvollziehbar wird, wie sich bei Friedrich ein Wandel der Naturbetrachtung bemerkbar macht. Denn anders als im Barock und im Klassizismus, als der vom Menschen – mehr oder weniger streng – geordnete Garten beziehungsweise Park als schön galt, Nebel, Dunst und die „wilde“ Natur wie das Hochgebirge und Wasserfälle dagegen als hässlich sowie die Nacht (nicht der Abend) als unheimlich und gefährlich empfunden wurden, hat Caspar David Friedrich als Romantiker genau solche „natürlichen“ Perspektiven gewählt.

Die romantische Landschaftsmalerei setzte auf die Gefühle, die beim Betrachten ausgelöst werden. Die häufig zu beobachtenden Figuren in Rückenansicht, die in die Weite blicken, sind dabei vermittelnde Gestalten, mit denen man sich identifizieren kann.

Es geht nicht um das Verstehen der Natur, ein Wiedererkennen einer Gegend in Veduten (die Friedrich allerdings auch aus finanziellen Gründen in Notzeiten malte). Entscheidend war eine Art kongeniales Eintauchen in die atmosphärische Wirkung, die Natur auf den Menschen hat – Friedrich gab dabei seine eigene Empfindung bei den meist stillen Naturstimmungen wieder.

Vorbilder abgewandelt

Für diese künstlerische Naturbetrachtung findet man schon im 17. Jahrhundert Vorbilder bei Claude Lorrain oder Jan Both: Der Blick in eine unbestimmte Ferne ist bei ihnen meist vorne belebt durch Szenen mit Menschen und Tieren. In den frühen Landschaftsbildern Friedrichs, die während seiner Dresdner Akademiezeit entstanden, fehlen genau solche Staffage-Szenen – sie werden ersetzt durch kahle oder grotesk geformte Bäume. Der Ausblick weit hinaus auf ein Gewässer oder eine Ruine beflügelt einerseits die Phantasie, hinterlässt aber ebenso ein Gefühl der Einsamkeit angesichts dieser Größe der Natur.

Schon vor der Romantik waren die Tageszeiten wichtig für den Stimmungsgehalt einer Naturerscheinung. Der Maler Sébastien Bourdon teilte 1669 die Tageszeiten und Wetterphänomene nach Kategorien ein: Demnach vermittelt der Sonnenaufgang positive Gefühle, der Nachmittag Zügellosigkeit, der Abend Besinnlichkeit oder Trauer.
Bei Friedrich verzaubert der Mond die Wahrnehmung, die Nacht wirkt nicht bedrohlich, wenn der Schein des Mondes sich auf einem Wasser spiegelt. Nebel und Dunst schaffen rätselhafte Stimmungen. Am Meer wird nicht der wilde Sturm geschildert, vielmehr lässt die stille See den Menschen träumerisch innehalten und die Stimmung genießen.

Rückzug in die Einsamkeit

Zum Malen zog sich Friedrich oft, vor allem in depressiven Phasen, in die Einsamkeit der Sächsischen Schweiz zurück; Vorbild war ihm in dieser Hinsicht auch der Schweizer Künstler Adrian Zingg. Friedrich beschäftigte sich mit der Erweckungstheologie; religiöse Jenseitsorientierung und Mystisches beeinflussten seine Landschaftserzählungen. Glaubenszweifel sind zu ahnen im „Seelenbild“ Mönch am Meer. Solchen Stimmungen gab er in düsteren Winterlandschaften oder Friedhofsdarstellungen Ausdruck.

Ab 1818 fand er als Künstler öffentliche Beachtung, ab da entstanden die für Friedrich typisch romantischen Bilder wie Wanderer über dem Nebelmeer, Kreidefelsen auf Rügen sowie Mann und Frau in Betrachtung des Mondes.

Wichtig war für ihn der Einfall des Lichtes – subtil gesetzt etwa in Der Abend: Gerade noch schimmert die untergehende Sonne rötlich durch Baumstämme, schon verspricht der aufgehende Mond überm Meer inneren Frieden. Häufig hat Friedrich das Meer mit Booten gemalt, einen Hafen bei Mondschein oder auch eine Frau am Strand von Rügen, die auf Segelboote blickt. Vorbilder hierfür waren die Niederländer wie Jan van Goyen oder Willem van de Velde im 17. Jahrhundert: Allerdings wimmelt es in deren Bildern nur so von Booten und Menschen, während bei Friedrich wie in Meeresstrand im Nebel das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit vorherrscht.

Ein weiteres Motiv, das bei Friedrich häufig auftaucht, ist das Kreuz: Man sieht es als Gipfelkreuz in Berglandschaften oder als Das Kreuz auf Rügen. Vermutlich ist das Kreuz ein Verweis auf Friedrichs Beschäftigung mit der Religion. Mit der Vision einer Kathedrale (Bildtitel), die er aus einer fast überirdisch lichten Engelsversammlung in einen hell erleuchteten Himmel aufragen lässt, entwirft er die Utopie einer christlichen Ordnung in einer säkularen Welt. Darauf verweisen auch Ruinen von Klöstern, der Turmstumpf einer Kirche im Wald, die Ruine Eldena: alles Relikte des Mittelalters, bei deren Anblick man „Rührung und Andacht im Herzen“ fühlen mag, derweil aber die alten Gemäuer eher auf Untergang verweisen.
Caspar David Friedrich (wie schon Jacob van Ruisdael) hat oft Wälder gemalt, bevorzugte Bäume sind bei ihm Eichen. Ihn reizte wohl deren knorrige Gestalt; wohl deshalb umgab er ein Hünengrab im Schnee mit drei solchen Baumstümpfen als Verweis auf eine Vergangenheit, deren Verlust die Seele mit Trauer erfüllt.

Dass die Natur auch Gefahren birgt, zeigt sich beim bekannten Bild mit dem Blick des Wanderers von einem Felsen des Sandsteingebirges auf den Nebel, der alles latent Widrige verbirgt. Dagegen wirkt die Aussicht durch die spitzen weißen Kreidefelsen aufs blaue Meer vor Rügen heiter, komponiert als abgerundeter Ausblick und ein Zeugnis für die Neugier der drei Betrachter.

Friedrich hat aufgeräumt mit der Vorstellung vom hässlichen Charakter der wilden Natur. Vielleicht war er inspiriert durch Malerkollegen aus der Schweiz, als er die imposante Felsenschlucht im Harz mit dem Wasserfall malte oder den alles überragenden Watzmann. Doch während Carl Gustav Carus bei seinem Bild Das Eismeer bei Chamonix eher die Frage interessierte, wie die Erde entstanden ist, wollte Friedrich den seelischen Eindruck des Hochgebirges auf den Menschen wiedergeben. Damit begann die Verklärung dieser Gegenden als erhaben und keineswegs als Reich des Grauens. (Renate Freyeisen)

Information: Bis 2. Juli. Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt. www.museumgeorgschaefer.de

 

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