Kultur

Bei der Riesenradoper "Umadum" sitzt in jeder Kabine nur eine Musikerin oder ein Musiker. (Foto: Horacio Alcala)

12.08.2022

Jazz around the clock

Die Riesenradoper Umadum im Werksviertel München

Es mutet reißerisch an, spektakelhaft oder eventorient: Die von den Veranstaltern selbst so benannte „weltweit erste Riesenradoper“ fand am vergangenen Wochenende im Umadum statt, jenem Riesenrad, das im Münchner Osten stets gut sichtbar ist. Die Veranstaltergruppe whitebox Kultur (unter anderem vom Werksviertel-Mitte und der Beisheim Stiftung finanziert) initiiert in diesem Jahr im Rahmen des Festivals „Out Of The Box“ meist musiktheatrale Projekte im Werksviertel hinter dem Ostbahnhof – die Riesenradoper ist das dritte Projekt in Folge.

Die Bezeichnung als Oper ist irreführend, wird damit doch dem Trend gefolgt, vielerlei Performances urplötzlich als „Oper“ zu bezeichnen: Momente von Theatralität sind gemeint, einer Gesamtheit von verschiedenen sinnlichen Eindrücken oder eben die gewisse Größe eines Projekts. Der Titel Oper lockt, denn er verspricht, dass viel geboten wird.

Über die Schulter schauen

Akzeptiert man dieses Spielchen, dann ist die Riesenradoper Umadum eine Jazzoper. Komponiert und konzeptuell gesetzt hat das Projekt der österreichische Komponist und Jazzmusiker Christian Muthspiel. Mit 27 Transportkabinen ist das Riesenrad bestückt, 27 Musiker*innen der von Muthspiel geleiteten Bigband Orjazztra Vienna sitzen einzeln – man kann sogar sagen gefühlsmäßig allein – in den Kabinen und spielen die 44-minütige Komposition.

Das Publikum ist entweder eingeladen, in kleinen Gruppen bis zu vier Personen mit in die Kabine zum Beispiel des Trompetenspieler oder des Schlagzeugers zu treten und dabei dem Klang des einzelnen Instruments zu lauschen – inklusiver aller Pausen und der Option auf dutzende Selfies über den Dächern Münchens bei Sonnenuntergang. Oder man sitzt außen vor dem Riesenrad in gemütlichen Liegen und erhält die gesamtmusikalische Abmischung des Geschehens über Lautsprecher und eine Zoom-Session, in der die Videobilder aller 27 Musizierender zusammengetragen werden.

Beides ist etwas unbefriedigend und zugleich aufregend: In der Kabine erfährt man das Spektakel des Riesenrads, musikalisch bleibt es aber quasianalytisch: Eventuell soll von den mit ihrem Rücken zu den Kabinengästen sitzenden Musikerinnen und Musikern eine Faszination über das Instrumentalspiel überhaupt ausgehen. Es bleibt aber (zumindest bei der Trompete) eher nüchtern. Die Maus im Rad, die Ameise am Bau: Assoziationen, die nicht sonderlich produktiv sind, kommen auf.

Außen vor dem Riesenrad sitzend ist es spektakulär, bei Nacht sind die Gestänge mit Lichtern inszeniert zu sehen und es beschleicht einen ein wenig das Gefühl von angenehmer Überwältigung, dass das, was man dort hört, nun aus all diesen Kabinen zusammengetragen wird. Akustisch ist aber auch das auf Dauer unbefriedigend, denn es ist und bleibt eine Abmischung rein über Lautsprecher – und das bei 27 live spielenden Musikerinnen und Musikern.

Musikalisch ist die Sache äußerst spannend. Muthspiels Komposition spielt mit der Idee, dass das Riesenrad, als Uhr gedacht, die Musik zeitlich vorantreibt. Und so ist seine Partitur nicht in Takten sondern in Zeiteinheiten gesetzt. Die Musizierenden sind synchronisiert über Stoppuhren und einem Knopf im Ohr, der aber wohl auch gerne eher leiser gedreht wird, wie zu hören war. Viele Passagen basieren auf improvisatorischen Momenten, in denen sich die Instrumente aneinander hochschaukeln und in die wunderbaren Kakofonien eines Jazzorchesters driften.

Strukturiert wird das Ganze über den Einsatz von drei Jazzstimmen, die immer wieder zu songhaften Phrasen ansetzen, die schließlich wieder von instrumentalen Parts abgelöst werden.

Mehr Sinfonie als Oper

Ein sehr schönes Stück Musik – gleich einer Sinfonie, aber wohl weniger einer Oper. Wichtiger Punkt: Ohne Riesenrad wäre die Musik dieselbe gewesen. Es wurde eben ein konventionelles Stück Musik ins Riesenrad verpflanzt und mit hohem technischem Aufwand eine Konstellation vorangetrieben, die sich am Ende nicht einlöste. Es hätte eine andere Art Musik, gerne auch Jazz, geschrieben werden müssen; eine, die zum Beispiel mit Lautsprechern als Medium der Übertragung umgeht und sie nicht einfach als selbstverständlich setzt; oder eine, die mit der Performancesituation in der Kabine umgeht, anstatt nur eine Mitreise zu erlauben.

Die Verbindung von Riesenrad und Musik ging also nicht auf, die Einzelteile von Musik und Riesenradfahren – und darauf haben die Veranstalter sicher auch gesetzt – waren trotz allem ein Genuss. (Bastian Zimmermann)

Abbildung:
Wer nicht mitfährt, verfolgt diese Art der Operninszenierung vor dem Riesenrad.    (Foto: Ralf Dombrowski)

 

 

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