Kultur

Stück für Stück ziehen die Bestände des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg um ins neue Tiefdepot. Auch diese Zinnfiguren, die gerade verpackt werden. (Foto: Germanisches Nationalmuseum/Daniel Karmann)

11.04.2025

Keine Motte kommt mit unter die Erde

Es ist ein gewaltiger Kraftakt: Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg zieht mit seinen Beständen in ein neues Depot um

Eigentlich sieht es hier ein bisschen wie in einem Weltraumbahnhof aus: aufgestapelte Behälter, vermummte Mitarbeiter, Schläuche mit Luftfiltern. Aber hier wird nicht eingepackt für eine Reise nach oben, sondern für eine Reise nach unten. Diese führt ins neue Tiefdepot des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Nach zehn Jahren Planung und Bau wurde es im Januar 2025 endlich eingeweiht. Seitdem läuft der Umzug. Zuerst sind alle Objekte im Süd- und Südwestbau an der Reihe. Sie müssen vier Stockwerke nach unten in die fast 4000 Quadratmeter große neue Depotfläche.

Insgesamt gibt es nun 14.000 Quadratmeter Platz für die Bestände des größten kulturhistorischen Museums, die von hier auf kürzestem Weg zu den Ausstellungsflächen gebracht werden können. Zum Beispiel, wenn das Nationalmuseum wie vor Kurzem eine Schau wie Luxus in Seide über die prächtige Ausstattung der Hofdamen im Ancien Régime zeigen will.

Zum Einpacken der Abteilung Textilien hat Meike Wolters-Rosbach eingeladen. Sonst kümmert sie sich als Restauratorin um die weltweit berühmten Bestände der Instrumentensammlung, jetzt ist sie die Umzugskoordinatorin. Hunderttausende Zinnfiguren sind unter ihrer Leitung schon im neuen Depot angekommen. Der ganze Umzug, so Pressesprecherin Sonja Mißfeldt, soll bis zum Sommer abgeschlossen sein. Was einen wundert – denn allein dort, wo gerade Hochzeitskleider in Schwarz und Weiß für den Umzug hergerichtet werden, ist so viel zu organisieren. Der Aufwand ist immens. Damit man den Überblick nicht verliert, ist jedes Objekt – ob ländlich, bürgerlich oder höfisch – mit einer Art Laufzettel mit QR-Code versehen worden.
Fünf Restauratorinnen wurden insgesamt für den Umzug abgestellt, und es werden noch mehr helfende Hände gesucht. Auch Fremdfirmen werden im Einsatz sein, etwa für den Instrumententransport.

Schadstoffe sind auch ein Problem

Ein großes Thema sind Schädlinge, die es sich in den alten Klamotten oder Instrumenten bequem gemacht haben: Motten, Holzschädlinge, Käferarten. Die sollten auf keinen Fall mit umziehen. Rechnen muss man auch mit Schadstoffen. Mit deren Analyse hat das Germanische Nationalmuseum schon vor vier Jahren angefangen. Entdeckt wurden Biozide, Holzschutzmittel und eine erstaunlich hohe Arsenkonzentration. Arsen setzte man früher zur Schädlingsbekämpfung an Textilien ein, das Gift fand sich auch in verwendeten Farben wieder. Wolters-Rosbach weiß, wer früher die Umweltsünder waren: Hutmacher, Kürschner und Tierpräparatoren.

Die Schadstoffe sollen vor dem Umzug entfernt werden. Dabei müssen aber auch Schutzmaßnahmen für die Hilfskräfte ergriffen werden. Was aus kontaminierten Vitrinen kommt, wird entsprechend gekennzeichnet und wandert dann in ein Unterdruck-Staubschutzzelt. Dort saugen gerade zwei Frauen im Vollschutzanzug mit Gebläsehauben auf dem Kopf den Staub von zwei Hochzeitskleidern ab. Nicht immer lassen sich die Kleider von den Figurinen, denen sie übergezogen waren, entfernen. Dann müssen Figurine und Kleid zusammen in das Unterdruckzelt. 

Nach der Prozedur kommen die Stücke in eine Hülle, die auch vor UV-Strahlung schützt: Es handelt sich um ein Metallgestell mit einer Husse aus Tyvek, einem Vliesstoff aus Polyethylen, geeignet auch für eine Langzeitlagerung im Depot. Dort werden die Kleider, die jahrzehntelang in den Ausstellungen des Museums zu sehen waren, erst einmal bleiben. Bis sie das wissenschaftliche Interesse einer Doktorandin wecken oder sie jemand als Leihgabe anfragt. In dem Fall passe man auf, so Sonja Mißfeldt, dass der Materialaufwand so gering wie möglich bleibt. Es gäbe dafür zumindest alle Arten von Paletten, Umverpackungen und Pappschachteln. Die sind schließlich alle für den Umzug bestellt worden.

Die Restauratoren und Restauratorinnen kommen mit ihren Objekten im Tiefdepot an, packen aus, lagern ein. Abteilung für Abteilung. Jede Standortveränderung wird auf dem QR-Code vermerkt. „Noch ist beim Einpacken nichts kaputt- oder verloren gegangen“, sagt Mißfeldt. „Keine losen Knöpfe oder Tücher aus der Volkskunde.“ Das ist schier unvorstellbar angesichts des Umfangs dieses Umzugs.

In den frei werdenden Räumen des Gebäudes, das anschließend saniert wird, soll eine Ausstellung der Bestände des 19. Jahrhunderts realisiert werden. Da wollen die Planer schon jetzt wissen, wie viele Regalmeter und Stellwände da zur Verfügung stehen könnten. Umziehen – eine Schreckensvision für jeden Privathaushalt. Allein schon wegen der Sachen, die sich nach ein paar Jahrzehnten angesammelt haben. Bei Meike Wolters-Rosbach sind es Jahrhunderte. Aber trotzdem sagt sie: „Mir macht diese Herausforderung Spaß.“ Sie habe sehr viele Schnittstellen im Museumsbetrieb kennengelernt und viel Neues über Restaurierung sowie die Neuorganisation der Sammlung gelernt. Daher erklärt sie ganz deutlich: „Ich bin bereit für den nächsten großen Umzug!“ (Uwe Mitsching)
 

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