Geräusch: Das klingt positiv, wenn man an Geräuschemacher denkt, die mit Kokosnussschalen Hufeklackern oder Rainmakern Tropfenprasseln imitieren. Ansonsten steht der Begriff nah an der Vorstufe zum Lärm. Geräuscharm ist allenthalben ein Qualitätskriterium geworden.
Doch welch positive Konnotation genießt das Wort Sound. Das denkt man an ästhetische Kriterien. Das klingt nach Musik. Da werkeln heute Sounddesigner nicht nur für Bühnenwerke, Filme und Musikproduktionen, sondern auch daran, einer Konsummarke ihre unverwechselbaren Geräusche zu verpassen: wie ein zerbrechender Kartoffelchip klingt, wie eine zuklappende Autotür, wie eine brodelnde Espressomaschine – natürlich immer darauf bedacht, den typischen, vertrauten Klang zu wahren. Obwohl es den oft gar nicht mehr bräuchte.
Emotion und Orientierung
Aber wäre selbst noch das Surren der Elektroautos ausgeschaltet, so wäre man doch regelrecht froh, wenigstens die Reifengeräusche auf dem Asphalt zu hören. Das Piepen beim Scannen an der Kasse gibt Vergewisserung, dass der Artikel registriert ist – beim Doppelpiep schrillen die inneren Alarmglocken und man kontrolliert die Rechnung. Ohne Geräusche geht es nicht, sie komplettieren die mehrdimensionale Wahrnehmung und Orientierung.
Indes sind Geräuschkulissen kulturgeschichtlich zeitbedingt: Großraumbüros, erfüllt von Schreibmaschinengeratter und Telefonringen sind passé – auf virtuellen PC-Tastaturen kann man nicht herumhämmern, das Telefongeklingel lässt sich beim Skypen über Headset ausschalten. Neue Geräusche sind entstanden: Tritte auf Laminatböden, rotierende Windkraftanlagen, summende Ampelanlagen, das Einwahlgeräusch von Modems ins Internet. Letzterem war allerdings nur ein kurzlebiger Auftritt beschieden. Viele Geräusche verschwinden auf Nimmerwiederhören.
Digitale Imitationen
Das macht sie plötzlich wertvoll. Man erinnert sich nicht mehr an nervige Akustik, sondern hängt liebevoll dem Wohlklang der Vergangenheit nach. Und versucht alte Sounds digital zu reanimieren. Wie viele Male wurde wohl der Detektiv Rockford-Klingelton runtergeladen? Mancher versuchte mit programmiertem Knistern das Abspielen von Schallplatten vorzugaukeln.
Was rar ist oder wird, ruft auch die Sammler auf den Plan. In den vergangenen Jahren sind viele private und institutionelle Datenbanken mit Soundarchiven entstanden, die über das hinausgehen, was es ohnehin schon für Hörspiel- oder Filmemacher gibt – wie zum Beispiel das Tonarchiv der BBC. Um die 16 000 Soundeffekte bietet es online. Beeindruckend, wie viele Varianten dort allein von Schreibmaschinenklackern zu hören sind: auf manueller oder elektrischer Maschine, im Zehnfingersystem oder mit nur zwei Fingern bearbeitet, im Duett mit einer anderen Maschine ...
Dann gibt es aber Sammler, die auf der Suche nach dem speziellen Geräusch sind – und die werden nun in der Neuen Sammlung München fündig. Dort fängt man nämlich die Geräusche von Objekten nicht aus nostalgischen Gründen ein, sondern weil sie integraler Bestandteil von Gestalt sind, aus der jeweiligen Funktionalität heraus entstehen – ein Desiderat archivalischer Verpflichtung.
Etwa 150 Objekte sind bislang akustisch erfasst, 47 davon – alle sind in der Ausstellung zu sehen – kann man sich ab 21. Februar via der Web-App Sound of Design oder auf dem PC im Internet anhören. Pro Objekt wurden ein bis fünf Geräuschaufnahmen gemacht. Zeichnungen der Objekte und farbige Markierungen heben die Geräuschquellen anschaulich hervor.
„Uns geht es nicht darum, nur das Klingeln irgendeines alten Telefons zu archivieren, sondern um alle charakteristischen Töne eines Telefons von bestimmtem Typ. Zum Beispiel vom Telefon M00/OB05, das die deutsche Reichspost ab 1900 verwendete und von Siemens & Halske in Berlin hergestellt wurde“, erklärt Caroline Fuchs, die Konservatorin in der Neuen Sammlung ist.
Akustisches Vademecum
Das M00/OB05 war noch ein Telefon zum Kurbeln. 50 Jahre später designte man bei Siemens & Halske ein recht außergewöhnliches Telefon, das Fg tist 264 b – ein Flop. Lag das an der ungewöhnlichen Bedienung? Statt der inzwischen gebräuchlichen Wählscheibe gab es hier einen Zylinder mit zehn Vertiefungen. In die steckte man, den Nummern entsprechend, den Finger, drehte den Zylinder, der um seine waagerechte Achse rotierte, nach unten bis zum Anschlag und ließ ihn wieder los. Wenn sich der Zylinder zurückdrehte, war das ein langsames Rattern oder machte er ein schnelles Schnalzgeräusch? Man kann es mit der Sound of Design-App herausfinden.
Außer zu Telefonen bietet die App ein akustisches Vademecum durch die Sammlung auch zu Schreibmaschinen, zu Ikonen des Automobildesigns wie dem Tatra 87 oder dem Citroën DS 21, zu Tonbandgerät, Kassettenrekorder, Küchenquirl, Haartrockner, Kurzzeitmesser. Das Projekt hat sich aber nicht allein dem Rückblick verschrieben, sondern archiviert auch Betriebsgeräusche aktueller Dinge, etwa eines Staubsaugers.
Die Aufnahmen für die App hat ein Soundspezialistenteam in den Museumsräumen bewerkstelligt – jedenfalls wo das möglich war. „Unsere Automobile können natürlich nicht in den Räumen gestartet werden, sie dürfen auch gar keine Brennstoffe im Tank haben“, sagt Caroline Fuchs und erklärt, dass man in diesen Fällen mit einer auf Fahrzeuge spezialisierten Filmproduktionsfirma kooperiert hat, die exakt die gleichen Autotypen aufgezeichnet hat, wie sie im Museum stehen. „Auch bei einigen anderen Gerätschaften brauchen wir externe Unterstützung, wenn uns zum Beispiel technische Apparaturen oder Anschlüsse zum Betrieb der Objekte fehlen.“
Vor allem ab den 1950er-Jahren und damit im Zeichen des Wirtschaftswunders boomte die Produktion elektrischer Geräte, in erster Linie für den Haushalt. Einem Querschnitt davon bereitet die Neue Sammlung innerhalb ihrer Dauerausstellung und zur Einführung der App Sound of Design eine akustische Bühne. (Karin Dütsch)
Information: www.sound-of-design.de, ab 21. Februar.
Abbildungen (Fotos: Die Neue Sammlung/ Zeichungen Carla Nagel):
Das Kubeltelefon M00/OB05 der deutschen Reichspost hatte Siemens & Halske im jahr 1900 auf den Markt gebracht.
In der App "Sond of Design" sind in den Schemenzeichnungen die spezifischen Geräuschquellen der Objekte farbig markiert.
Rattern, surren, klingeln: Wie bei der Rechenmaschine „Facit“ (1950, AB Atvidabergs Industrier, Atvidaberg, Schweden) genügt es nicht, nur eine einzige Tonaufnahme zu machen.
In den 1950er-Jahren kamen viele elektrische Haushaltshelfer auf den Markt. Welche Betriebsgeräusche sie von sich gaben, hebt die Neue Sammlung derzeit in ihrer Dauerausstellung hervor.
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