Kultur

Tête-à-Tête im und auf dem SUV: Ferrando und Guilelmo (Sebastian Kohlhepp, Konstantin Krimmel) ziehen in den Krieg – ihre Geliebten Fiordiligi und Dorabella (Louise Alder, Avery Amereau) lassen dann doch davon ab, aus Verzweiflung Selbstmord zu begehen. (Foto: Wilfried Hösl)

28.10.2022

Klamauk mit Schleichwerbung

Benedict Andrews’ erste Regie am Bayerischen Nationaltheater: Mozarts „Così fan tutte“ grenzt an elitäre Dekadenz

Wenn eine schwarze SUV-Limousine eines großen Automobilherstellers mit Sitz in München auf der Bühne des Münchner Nationaltheaters eine Neuinszenierung schmückt, liegen einige Fragen nahe. Dieser Autohersteller ist der „Global Partner“ der Bayerischen Staatsoper. Eine solche Markenschau im Rahmen der Neuproduktion von Wolfgang Amadeus Mozarts Così fan tutte kann man Schleichwerbung nennen. Und dann auch noch ein protziges, nicht gerade klimafreundliches Automodell! In Zeiten, wo allseits über Energieeinsparung, Klimaneutralität und drohenden Verlust von Wohlstand diskutiert wird, grenzt diese SUV-Markenschau an elitäre, völlig abgehobene, lebensfremde Dekadenz. Hier scheint sich ein subventionierter Kulturtempel um die Gesundheit unserer Gesellschaft und unseres Planeten wenig zu scheren.

Verstaubtes Frauenbild

Ein Lebensstandard wird auf der Bühne präsentiert, den sich allenfalls die Eliten leisten können. Dabei präsentiert sich Serge Dorny allzu gern als demokratischer, sozial verantwortungsbewusster Intendant, der die Bayerische Staatsoper für alle öffnen möchte. In der Neuinszenierung von Così fan tutte, mit der Regisseur Benedict Andrews am Nationaltheater debütierte, ging das in dieser Hinsicht schief. Dafür steht auch das ziemlich verstaubte Frauenbild in diesem Zweiakter von 1790, das der in Island lebende Australier in seiner Regie nicht aufbricht.

Wenn zudem der Chor das Soldatenleben bejubelt, so sollte eine Inszenierung im aktuellen Ukraine-Krieg auch darauf kritisch reagieren.

Dafür aber hatte Andrews einige witzige Einfälle, vor allem im ersten Akt. Er schrieb den Stoff nicht um, sondern spitzte ihn herrlich albern mit viel Klamauk zu. Damit lässt er dieses Werk ein „Dramma giocoso“ sein, und das funktioniert in der ersten Hälfte kurzweilig.

Als Leitmotiv der gesamten Inszenierung dient eine Matratze. Am Ende der Opernaufführung wird sie von der eifrig kuppelnden Despina (Sandrine Piau) angezündet. Zunächst aber liegt diese Matratze mittig in einem Zimmer, das sich „Scuola degli amanti“ nennt. In dieser Schule der Liebenden gibt Christian Gerhaher einen grantigen Don Alfonso ab. Er vergnügt sich in schwarzem Lederlook mit Sadomaso-Maske: auch gesanglich ein tolles Rollendebüt.

In dieses Szenario poltern die Offiziere Ferrando und Guilelmo (Sebastian Kohlhepp und Konstantin Krimmel) herein, um mit einem großen Dildo herumzuspielen. Sie sind von der Treue ihrer Geliebten fest überzeugt, den Schwestern Fiordiligi und Dorabella (Louise Alder und Avery Amereau). Wenn sie in den Krieg ziehen, leiden die Schwestern zunächst. In einer Garage steht der große SUV – die Schwestern wollen sich mit Abgasen umbringen. Doch Despina überzeugt sie, die Auszeit von den Verlobten erotisch zu nutzen.

Wohltuend straffe Tempi

Die Ausstattung von Victoria Behr ist so heutig wie die Bühne vom Magda Willi. Auch in seiner musikalischen Leitung gibt sich Staatsopern-Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski mit dem Bayerischen Staatsorchester insgesamt kenntnisreich aktuell, nämlich historisch informiert. Das gilt vor allem für die erste Hälfte. Allein die Tempi wirken wohltuend straff und flott, ohne hysterisch zu überdrehen.

Damit erwächst bis zur Pause ein kurzweiliger Fluss. Das ist auch nötig, denn für die Aufführung wurde die lange Originalfassung fast ohne Striche samt den Rezitativen gegeben. Knapp vier Stunden dauert der Spaß: Nach der Pause bricht die Spannung szenisch und musikalisch ab. Leider können das auch die großartigen Stimmen nicht wettmachen. Dennoch hat Jurowski diese Feuerprobe bestanden. Immerhin zählt Mozart neben Richard Wagner und Richard Strauss zu den Münchner Hausgöttern. Jurowskis Mozart wirkte frischer als bei seinen Vorgängern Kirill Petrenko und Kent Nagano. (Marco Frei)

 

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