Kultur

Von einem unbekannten Künstler stammt die Figur des schlafenden Apostels Petrus (Foto/Ausschnitt: Mainfränkisches Museum)

23.12.2016

Lebensnah und ungeschönt

Eine Ausstellung in Würzburg vergleicht, wie Tilman Riemenschneider und seine Bildhauerkollegen den neuen Realismus interpretierten

Würzburg ist stolz auf „seinen“ berühmten Bildhauer Tilman Riemenschneider (um 1460 bis 1531). Doch Vergleichswerke aus seiner Schaffenszeit, die von großen politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt war, fehlen in der Stadt, in der Riemenschneider Bürgermeister und in die Wirren des Bauernkriegs verwickelt war. Nun aber sind im Mainfränkischen Museum auf der Festung Marienberg auch skulpturale Meisterwerke anderer Künstler aus der Epoche zwischen Mittelalter und Neuzeit in einer kleinen, erlesenen Sonderausstellung zu sehen. Die Plastiken stammen aus dem Frankfurter Liebieghaus und regen zum Vergleich an.

Ausdrucksstarke Gesichter

Riemenschneiders Heiliger Nikolaus steht am Anfang dieser Schau: Mit seinen strengen, prägnanten Gesichtszügen, der Mitra auf dem Kopf und einem in scharfen, weiten Falten fallenden Bischofsgewand wirkt er lebendig und real. Etwas weicher mit seinen feinen Gesichtszügen erscheint daneben ein Heiliger mit Fürstenhut und in aufwendiger Kleidung; die Figur stammt wohl aus Straßburg. Weniger differenziert, aber trotzdem beeindruckend ist ein Heiliger Leonhard, der Schutzpatron der Gefangenen; es ist eine Holzskulptur aus Tirol. Ähnliches trifft zu auf eine fast lebensgroße Figur der Muttergottes auf der Mondsichel, wohl zwischen 1440 und 1459 entstanden. Eine weibliche Heilige des Ulmer Künstlers Hans Mutscher wiederum besticht durch die feine Gestaltung des Kopftuchs, die anrührende Haltung und den anmutigen, etwas melancholischen Ausdruck. Die große Figur des Heiligen Georg als Ritter von Niklaus Weckmann, die stehende Muttergottes mit Kind aus Oberschwaben oder die jugendliche, thronende Muttergottes aus dem Umfeld von Niclas Gerhaert van Leyden mit einem strampelnden Jesuskind zeigen, wie vielschichtig die Kunst dieser Übergangszeit Wirklichkeit erfasste und für die staunenden Gläubigen als Andachtsgegenstand dienen konnte – denn hier fanden sie Bezüge zu ihrer eigenen Welt. Unterschiede in der schematischen Gestaltung etwa von Gewandfalten fallen dabei wenig ins Gewicht. Die charakteristischen Prophetenbüsten des Michel Erhart sprachen dagegen den Betrachter wohl durch ihren kraftvollen Ausdruck an; von leicht geringerer Qualität sind dagegen die Apostel aus Bayerisch Schwaben, wohl für eine Ölberggruppe geschaffen.

Mut zur Schonungslosigkeit

Neben diesen größeren vollplastischen Figuren zu kirchlichen Zwecken fällt eine kleine Holzskulptur einer nackten Greisin von Daniel Mauch aus Ulm durch die ungeschönte Wiedergabe des alten Körpers auf – wohl trotz der langen Haare eine Mahnung an die Vergänglichkeit von Schönheit. Aber auch Reliefdarstellungen vom Bibelgeschehen konnten im Gegensatz zur Malerei dem Betrachter die Wirklichkeit plastisch vor Augen führen, etwa bei den bewegten Szenen über das Leben und die Enthauptung Johannes des Täufers aus dem Schlüsselfelder Altar, bei denen trotz der etwas ähnlichen, stillen Gesichter die charakteristischen Merkmale der handelnden Personen deutlich werden. Ähnlich realistisch hat Daniel Mauch die Geburt Mariens dargestellt, mit einer noch recht erschöpft wirkenden Elisabeth im Bett und einer Hebamme, die den Säugling badet und dabei mit dem Fuß im Wasser die Temperatur misst. (Renate Freyeisen) Information: Bis 12. Februar. Mainfränkisches Museum, Festung Marienberg,
Oberer Burgweg, 97082 Würzburg. Di. bis So. 10-16 Uhr.
www.mainfraenkisches-museum.de

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