Kultur

Verlgsleiter Dr. Wieland (Yascha Finn Nolting), Chefredakteur Uwe Esser (Fabian Oehl) und Reporter Hermann Willié (Justus Pfankuch) feiern die vermeintlichen Hitler-Tagebücher. (Foto: Konrad Fersterer)

16.05.2022

Legendärer Superdeal

Über „Schtonk!" am Schauspielhaus Nürnberg kann man herrlich lachen

Dem Bösen seinen Schrecken nehmen: Ob man in 40 Jahren auch einmal Putins Tagebücher in einer Illustrierten abdruckt, echte oder gefälschte  - wie einst die von Adolf Hitler im Stern? Vielleicht war das eine der Fragen, die man sich im Schauspiel Nürnberg ge­stellt hat, als Schtonk! in den Spielplan kam: aus der Realität über den Film (von Helmut Dietl und Ulrich Limmer) ins Theater. Im Parkett saßen die Leute, die den Tagebuchschwindel Anfang der l 980er-Jahre noch miterlebt haben, aber auch jene, die es für eine Geschichte von heute halten. Auf jeden Fall hat Marcus Grube aus dieser „Realsatire über die Fas­zination der Deutschen für den Nationalsozialismus.eine Farce gemacht, und Christian Brey hat sie mit viel Klamauk noch getopppt - das muss erlaubt sein in trüben Zeiten, wo dunkle Geschäfte an der Tages­ordnung sind.

Die Geschichte geht einem heu­te noch runter wie Butter: Der Stern kauft die gefälschten Hitler­-Tagebücher; zuletzt fliegen viele Millionen Mark von einem Geldkoffer zum anderen. Erst irgendeine Bundesbehörde lässt das Ganze auffliegen. Im Staatstheater fängt der Deal auf einer geschickt genutzten Büh­ne (Anette Hachmann) mit dem Feuersturm über Berlin im April 1945 und der mühsam mit einem Feuerzeug angekokelten Leiche Hitlers an. Die Geschichte hört auf mit dem schlagzeilen-und schlagsahnegei­len Stern-Reporter Willié, der mit Hermann Görings ehemaliger Yacht Carin II sich in alle Welt aufmacht, um Hitler zu finden: Logisch: Wenn immer mehr Tagebücher erscheinen, dann muss er  auch  noch leben, der „Führer". Aber selbst in Argentinien hat er keinen Erfolg.

Christian Brey schlägt sich im Gegensatz zu Dietls brillant aus­balanciertem Film eindeutig auf die Seite von Farce und Führer­-Klamotte. Das Ensemble zieht vir­tuos mit bis hin zum sächselnden LPG!er des in sieben Rollen be­schäftigten Sascha Tuxhorn. Be­sonders kriegen es die „Medien­fuzzis" ab wegen ihres wundersamen Wandels von den Gegnern der "braunen Scheiße"  hin zur ge­schäftstüchtigen Bewunderung der Hitler-Kladden. Sie hopsen synchron auf aufblasbaren Chefsesseln herum, jonglieren mit Geldbündeln und feiern den falschen Hitler-Aufguss mit gewagten Tanzeinlagen (allen voran Yascha Finn Nolting).

Wem nach Lachen zumute ist, hat im ersten Teil genug Grund dazu: Im schnellen Wechsel geht es da hin und her zwischen hanseatischem Presse-Großkotz und der versifften Fälscherwerkstatt, wo Kujau alias Amadeus Köhli eher harmlos mit Teebeutelsud und Bügeleisen hantiert. Der Pass als kaiserliche Hoheit ist schon  gefälscht, als das Chaos perfekt ist. Herrlich getroffen ist das Altnazi-Geschmeiß aus Fabrikanten und selbst ernannten Professoren: Das Ensemble (Thomas Nunner, Adeline Schebesch, Michael Hochstrasser) liefert herrliche Karikaturen angesichts der von Hitler gemalten nackten Eva Braun.

Nach der Pause bleibt eine knappe Stunde übrig für Tanzeinlagen, Nazi-Ballett, equilibristische Kunststücke an der Reling mit (Besetzung an diesem Abend) Ulrike Arnold in der Rolle der Freifrau Freya von Hepp und mit dem Würstchen Willié : Justus Pfankuch ist bestens trainiert. Da ist aus Stück und Aufführung allerdings längst die Luft raus. Immerhin: der Stern bietet inzwischen die Wahrheit an - aber im Nürnberger Schauspielhaus ist die Geschichte lustiger. Man darf ja wohl auch mal unter Niveau lachen.(Uwe Mitsching)

 

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