Kultur

Laura Braun geistert als Anna durchs Schloss – nur sie weiß, wo der legendäre Schatz verborgen sein soll. (Foto: Tobias Melle)

30.08.2024

Lustvolles Schaudern

Die Kammeroper München reaktiviert überzeugend François-Adrien Boieldieus Oper „Die weiße Dame“

Keine Angst, auch wenn der Herzog von Bayern anwesend ist: Nicht Schloss Nymphenburg soll versteigert werden, sondern im Schottischen die Burg Avenel. Davon handelt eine fast 200 Jahre alte „Immobilienoper“, ein Schauerstück, das Die weiße Dame heißt und das derzeit nach bald einem Jahrhundert mal wieder in München gespielt wird, und zwar im Hubertussaal des Wittelsbacher Schlosses. Die Kammeroper München feiert damit bravourös ihr 20-jähriges Jubiläum.

Komponist war der Franzose François-Adrien Boieldieu (1775 bis 1834), von dem Carl Maria von Weber und Richard Wagner begeistert waren und dessen Die weiße Dame gerne als „schönste komische Oper seit Figaros Hochzeit“ gefeiert wurde. Für die Kammeroper war sie offenbar nicht schön genug, Regisseur Dominik Wilgenbus und Dirigent Aris Alexander Blettenberg jedenfalls integrierten zusätzliche Arien anderer Opern von Boieldieu: Dramaturgisch ist das alles sehr geschickt, äußerst attraktiv instrumentiert sowieso – naheliegend, dass die Harfe für das Gespenst ertönt.

Das gute Ende entwirren

Denn an diesem Libretto von Eugène Scribe (1791 bis 1861) und aus der Zeit der Schottland-Mode des Schriftstellers Walter Scott (1771 bis 1832) gibt es eine Menge Geheimnisvoll-Schauriges, das zu einem guten Ende entwirrt werden muss: Wer ist der verschollene Adelsspross der Familie Avenel, wer die edle Krankenschwester des armen Soldaten, und wer kriegt am Schluss das Schloss?

Jedenfalls führen die Bühnenbildvideos von Tobias Melle das Publikum während der spritzig musizierten Ouvertüre aus der Großstadt von heute in die schottischen Highlands von einst – bis man schließlich vor den zugespitzten Zinnen von Avenel steht und vor einer Taufgesellschaft in Karo und Schottenrock. Doch es gibt keinen Paten und eigentlich auch kein Baby, aber das knüllt man sich einfach aus Gardinen-store zurecht. Und als Taufpate tritt dann doch ein zufällig auftauchender Offizier auf: Der kommt frisch genesen aus dem Feld und ist musikalisch eigentlich die Hauptperson der Oper – mit höchsten Tönen für die tiefsten Gefühle. Bei Boieldieu heißt dieser Herrscher über die höchsten Töne George Brown – in der Inszenierung der Kammeroper singt Oscar Oré den kleinen Sergeanten mit umwerfender Verve, stilsicher in den knalligen Koloraturen und Fiorituren à la Rossini und mit einem vokalen Kanonenschuss zur Pause: „Komm, reizende Dame“.

Effektvolle Musik

Diese Dame heißt Anna, und die Sopranistin Laura Braun hat warmherzige Poesie genug für die Rolle. Sie weiß, wo der Schatz vergraben ist, mit dem George Brown schließlich das Schloss dem intriganten Verwalter bei der Versteigerung für 100 000 Pfund in bar abjagt.

Boieldieus Erfolg mit der Oper damals (fast 2000 Aufführungen in Paris bis zum Ende des 19. Jahrhunderts) und auch jetzt wieder beruht aber auch auf den effektvollen Ensembles bis hin zum Septett, ist hörbar an Mozart angelehnt und ein zukünftiges Vorbild für Leute wie Albert Lortzing. Die Effekte hat Wilgenbus (auch als Chorersatz) köstlich inszeniert, so etwa das Terzett „Potzblitz“. Wie bei italienischen Konkurrenten gibt es bei Boieldieu auch eine donnernde Gewittermusik und heftig flackerndes Feuer der Liebe. Die Gardinen werden durchwühlt auf der Suche nach dem Schatz, und der letztlich düpierte Verwalter Gaveston singt sich wie sonst der Gefängnisgouverneur Don Pizarro in Beethovens Fidelio in düstere Rachegefühle hinein: Jakob Schad darf deshalb nicht im Schlussensemble mitmachen.

Das spielfreudige Ensemble überzeugt bis zum Ende: Veronika Seghers, Vera Maria Bitter, Kyoungloul Kim und David Holz sind die vokalen Stützen für etwas, was „Spieloper“ heißt und aus den Spielplänen verschwunden war. (Uwe Mitsching)

 

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