Kultur

In Roelant Saverys Gemälde "Paradies" von 1625 sprießt die Flora üppig und friedlich leben die Tiere miteinander. Das erste Menschenpaar ist noch ganz winzig eingefügt – aber die Verderben bringende Schlange lauert bereits. (Foto: GNM/Georg Janssen)

15.11.2024

Macht euch die Erde untertan!

„Hello Nature!“ im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zeigt die künstlerische Reflexion des Umgangs von Menschen mit der Schöpfung

Am Anfang steht die Paradieslandschaft (1625) von Roelant Savery als üppige Waldmenagerie, angefüllt mit allem möglichen Getier und dichter Flora – ganz bescheiden im Hintergrund stehen klein und verloren Adam und Eva, die verführerische Schlange ringelt sich um einen mächtigen Baum. Folgt man der Ausstellung Hello Nature! im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, war es eben die Versuchung des „Macht Euch die Erde untertan“ (in älterer Bibelübersetzung), die das Verhältnis von Mensch und Natur seit Paradieszeiten bestimmt.

Es geht in dieser Schau also nicht um eine enzyklopädische Aufreihung von Museumsstücken, sondern um die Aufarbeitung des aktuellen Themenkomplexes „Beherrschung, Bedrohung, Bewahrung“. Das Kuratorenteam hat aus den Beständen ausgesucht, was man zu „Jagd, Tier, Bergbau, Wald, Warenhaus Natur, Kunst“ präsentieren kann.

Bäume schlachten

Und so verweilt man nach Saverys Paradieslandschaft vielleicht zuerst bei den Holzhauern im Wald. 1926/27 hat der Expressionist Philipp Bauknecht in flammendem Rot und mit grob-bedrohlichem, gewalttätigem Gestus die drei Holzknechte im Wald von Davos gemalt: wie sie sich der Stämme bemächtigen, ihnen die Rinde abreißen und sie gleichsam schlachten. Rot wie Blut tropfen die Rindenstücke auf den grünen Waldboden, die entrindeten Stämme liegen schließlich in nacktem Gelb zum Transport bereit.

Damit ist natürlich noch nicht alles zum Thema Wald gesagt. Man stößt auch auf das von unbekannter Hand auf Holzbretter gemalte Bild (um 1761), das zeigt, wie die Heiligen Sebald und Leonhard eine Aufforstungsaktion im Nürnberger Reichswald segnen. Und der Forstwart von einst konnte sich schon aus einer „Samenbibliothek“ (zum Beispiel jener des Alexander von Schlümbach, um 1810) bedienen, wo in Kästchen Samen enzyklopädisch zur Verfügung gestellt wurden. Ausgestellt ist auch das Plakat Deutscher Wald mit Rehlein auf sonnenbeschienener Waldlichtung von Jupp Wiertz, das dieser in nationalsozialistischer Wahrnehmung 1935 im Auftrag der „Reichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr“ (RDV) gemalt hat.

Landschaften mit Bergbau

Ein paar Ausstellungskojen zuvor gab es die Darstellung der Beherrschung der Natur durch den Bergbau. Erzgewinnung hat die Geschichte der Menschheit mit der Verwendung von Bronze und Eisen für Waffen auch militärisch bestimmt. Die riesigen Kohle- Schürfhalden in der Lausitz (beispielsweise für ein Triptychon fotografiert von Frank Döring, 2009) folgen in der Ausstellung auf gemalte und plastische Bergwerkansichten und -modelle sowie Ansichten der beginnenden Industrialisierung in England.

In einem Minenmodell leuchten auch Edelsteine, und der Mensch begegnet einem als Wünschelrutengänger oder Bergbeamter. Das Germanische Nationalmuseum kann bei diesem Themenkomplex mit seinen volkskundlichen Beständen prunken, ebenso mit Zeugnissen der Bergbauwissenschaft und mit Instrumenten aus Elfenbein.

Im Kapitel „Warenhaus“ zeigt das Museum, was sonst noch aus der Natur gewonnen, ihr entnommen wurde: vom Straußenei bis zur Federboa, von der Krokodilhaut bis zum Affenfell. Der Handel mit vielem davon ist heute verboten; wer will, kann mit einem Computerspiel Zoll spielen und die Koffer am Flughafen durchleuchten: Gehört der Gürtel aus Südafrika zum Artenschutz?

In ihrer Mitte springt die Ausstellung quasi auf „Rot“: Die Natur schlägt zurück. Die Sintflut (1516) von Hans Baldung Grien erinnert an das überschwemmte Ahrtal im Jahr 2021. Dann wieder regnet es Kometen vom Himmel. Und wie schützt man sich gegen einen Vulkanausbruch?

Mainhattan ohne Menschen

„Natur ohne Mensch“ (Ausstellungskapitel): Wäre das letztendlich eine Alternative? Eindrucksvoll ist es schon, wenn Wilhelm Albert Lefèbre um 1950 eine Gegend bei Frankfurt als Urlandschaft zeigt: Elche und Bieber, aber keine Menschen dort, wo heute Mainhattan gen Himmel ragt.

Wie behauptet sich die Natur im Anthropozän? Darum geht es in der Abteilung „Gegenwart und Zukunft“. Hat die Natur Rechte im juristischen Sinn? Dazu haben der Künstler Jonas Staal und die Rechtswissenschaftlerin Radha D’Souza die performative Installation Court for Intergenerational Climate Crimes (CICC) geschaffen: ein künstlerisches Tribunal. Man könnte die raumhohe Wand mit 544 Letters from Nature als Anklageschriften verstehen: 2019 beginnen die Briefe an den deutschen Bundeskanzler oder die Präsidentin des Europaparlaments, formuliert und abgeschickt von Fluss und Gletscher – in Wirklichkeit mithilfe von Chat GPT von den Künstlern Jeroen van der Most und Peter van der Putten verfasst.

Das Germanische Nationalmuseum zeigt in dieser Ausstellung erneut, wie es immens wichtige Themen bis in die Gegenwart hinein überzeugend kuratiert. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 2. März. Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg. www.gnm.de

 

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