Kultur

Ausschnitt aus dem Gemälde „Gailana beauftragt die Mörder“ (Kilianslegende) von Veit Stoß. (Foto: Rahel Ohlberg)

20.12.2019

Meisterliche Raritäten

Im Würzburger Museum am Dom begegnet man seltenen Werken von Tilman Riemenschneider und Veit Stoß

Eine seltene Gelegenheit, zwei Werke berühmter Bildhauer des Mittelalters auf Augenhöhe statt aus der Distanz im zwölf Meter hohen Altarraum zu betrachten, bietet das Würzburger Museum am Dom. Grund dafür ist die Restaurierung der aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammenden farbigen Glasfenster im mächtigen Chor der Pfarrkirche zu Münnerstadt. Wegen der Arbeiten musste der Hochaltar mit den Skulpturen und Reliefs von Tilman Riemenschneider und den Gemälden von Veit Stoß auf den Außenflügeln abgebaut werden.

Tilman Riemenschneider, damals aufstrebender Bildschnitzer, erhielt 1490 vom Rat der wohlhabenden Stadt Münnerstadt den Auftrag, für die im Bau befindliche neue Pfarrkirche, der heiligen Magdalena geweiht, eine „Tafel auf dem Hohen Altar“ zu fertigen; 1492 lieferte er das sogenannte Flügelretabel. Es ist das früheste für ihn bezeugte Werk.

Für die Bemalung der Außentafeln verpflichtete der Stadtrat 1504 den damals nicht ganz freiwillig bei seiner Tochter in Münnerstadt weilenden Nürnberger Bildhauer Veit Stoß. Der hatte ab 1503 kaum Einkünfte, weil er wegen eines gefälschten Schuldscheins verurteilt worden war. Dadurch hatte er seine bürgerlichen Rechte verloren. Er floh vor weiterer drohender Bestrafung nach Münnerstadt. Um etwas zu verdienen, fertigte er, in kleiner Auflage, zehn Kaltnadel-Radierungen auf weichem Metall mit religiösen Motiven an – es sind die einzigen von ihm erhaltenen Grafiken, in der Ausstellung sind sie als Faksimile zu sehen.

Der Auftrag für die Bemalung der äußeren Schreinflügel kam ihm gerade recht. Zu sehen sind darauf Szenen aus der Kilianslegende. Es sind die einzigen von Veit Stoß erhaltenen Gemälde. Begnadigt lebte Stoß ab 1507 wieder in Nürnberg. Übrigens sind sich Riemenschneider und Stoß wohl nie persönlich begegnet.

Verschollenes Marienbild

Riemenschneiders Bildprogramm ist teilweise nicht mehr original erhalten beziehungsweise auf mehrere Orte verteilt (Berlin/Bode-Museum, München/Bayerisches Nationalmuseum); Gründe dafür waren veränderter Zeitgeschmack mit dem Abbau des gotischen Altars und anderweitige Verwendung und Verkäufe der einzelnen Figuren. Fehlende Teile aber wurden ab 1980 von Bildhauer Lothar Bühner als Kopie nachgeschnitzt. So ergibt sich heute beim aufgestellten und geöffneten Altar doch ein vergleichsweise authentischer Eindruck; die bemalten Tafeln von Veit Stoß wurden an der Nordwand der Kirche aufgehängt. Nur das Marienbild aus dem Gesprenge ist verschollen.

Dass die hl. Magdalena gänzlich in einen lockigen Pelz eingehüllt war, um ihre Nacktheit zu verbergen, missfiel wohl im 18. Jahrhundert – man entfernte sie aus dem Hochaltar. Aus diesem Grund kann man sie nur in München bewundern.

In Würzburg, in der farblich akzentuierten Mitte des Museums, begegnet man nun originalen Figuren aus dem Retabel. Dominierend sind die Skulpturen des hl. Kilian, des Patrons von Franken, und der hl. Elisabeth von Thüringen, Patronin des Deutschen Ordens, der hier eine Komturei besaß. Elisabeth ist dargestellt als verheiratete Frau, anmutig in Körperhaltung und verinnerlichtem Gesichtsausdruck; ein Bettler mit Krücke zu ihren Füßen dient als Hinweis auf ihre Mildtätigkeit. Kilian, ein Greis mit gestrengen Gesichtszügen, erscheint als Bischof mit Krummstab und Herzogsschwert.

Dass die Figuren von Gottvater mit dem toten Christus auf dem Schoß und die beiden Johannes einst oben angebracht waren, erkennt man an den Proportionen; außerdem sieht man, dass die vollplastischen Bildnisse innen hohl waren, der Stabilität wegen. Den holzsichtigen, also nur lasierten Skulpturen sind eine ausdrucksvolle Mimik und feine Hände sowie eine lebendige, stofflich aufgefasste Ausformung der Gewandfalten zu eigen. Ähnlich bei den Reliefs der Altarflügel: Es sind Szenen frommer Begegnung und innerlicher Bewegung, was besonders schön bei der Grablegung der von Engeln beschützten hl. Magdalena zu beobachten ist.

Die vier Gemälde des Veit Stoß zeigen die Kilianslegende mit dem Martyrium des Heiligen und der Bestrafung der Mörder. Alles ist auf gedrängtem Raum in steigernder Dramatik und Drastik dargestellt. Bei den vier Szenen finden zeitgenössische Interieurs und Kleidung Eingang; der Faltenwurf wirkt etwas steif, die Gestik der Finger leicht übertrieben.

Neben diesen Werken der beiden Bildhauer sind in der Vitrine kleinere Arbeiten von Riemenschneider und seiner Werkstatt zu sehen. (Renate Freyeisen)

Information: Bis 30. August. Museum am Dom, Kiliansplatz 1, 97070 Würzburg. Di. bis So. 10-18 Uhr.

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.