Kultur

Die kindliche Fränzi zeichnete Kirchner schlummernd mit Katze. Hier ein Ausschnitt der Zeichnung - die Gesamtansicht sehen Sie in der Bildergalerie am Ende des Beitrags. (Foto: Kirchner-Haus)

16.12.2016

Musen und Geliebte

In einer Aschaffenburger Ausstellung begegnet man den Frauen um Ernst Ludwig Kirchner in Zeichnung und Fotografie

Ernst Ludwig Kirchner liebte die Frauen; sie waren für ihn Inspiration, Modell, Muse und Wegbegleiterinnen. Immer wieder zeichnete er sie, oft als Aktdarstellung. Zeichnen war für ihn „Mittel der unmittelbaren Ekstase“. Nun sind in seinem Aschaffenburger Geburtshaus, dem Kirchner-Haus, etwa 50 Exponate zum Thema Frauen um Kirchner zu sehen: Zeichnungen, Grafiken und Fotografien, teilweise noch nie öffentlich gezeigt. Das Besondere daran: Diese Frauen, von Kirchner oft nur in wenigen, nervösen, impulsiven Strichen als bildlicher Eindruck aufs Blatt geworfen, begegnen dem Betrachter auch in Fotografien. So rundet sich, unter einem wichtigen Aspekt, in gewisser Weise das Leben dieses Künstlers. Vor allem Tänzerinnen, Varietékünstlerinnen, sehr junge Mädchen, exotische Frauen zum Beispiel aus Afrika waren es, die ihn anregten, die Schönheit des nackten weiblichen Körpers abzubilden.

Erregende Momente

Noch relativ konventionell beginnt diese Zusammenschau 1905 mit dem Holzschnitt Sich entkleidendes Mädchen in noch ganz klaren Konturen. Bald aber wird der Strich flirrender, ahnt man die Wirkung des erregenden Augenblicks aus der angedeuteten Bewegung, dem flüchtigen, schnellen Strich, der fahrigen, oft heftigen Schraffur, der nur sparsam als Akzent gesetzten Farbe oder Lavierung, den sich überschneidenden, oft spitzen Winkeln und Linien. Die erste wichtige Frau im Künstlerleben Kirchners war Dodo: Doris Große, die er in Dresden kennenlernte und die ihn bis zu seiner Übersiedlung nach Berlin begleitete. Der Holzschnitt von ihr Akt mit schwarzem Hut (1911) nach dem Vorbild von Cranach und ihr Porträt von 1908 sowie weitere Zeichnungen belegen ihre wichtige Rolle auf der Suche nach einem physischen Schönheitsideal. Noch nach der Trennung notierte Kirchner 1919 über Dodo in seinem Tagebuch: „Deine feine frische Liebeslust, mit Dir erlebte ich sie ganz, fast zur Gefahr meiner Bestimmung. Doch Du gabst mir die Kraft zur Sprache über Deine Schönheit im reinsten Bilde eines Weibes, gegen das die Cranachsche Venus eine alte V... ist.“

Blick fürs Kokette

An der sehr jungen Fränzi Fehrmann faszinierten ihn wie andere Brücke-Künstler auch ihre Unverstelltheit, ihre Natürlichkeit, ihre Unbeschwertheit; sie war ständig in Bewegung. Ein besonders schönes Blatt zeigt die zehnjährige Fränzi mit Katze (1909/10): ein Bild ungestörten Friedens. Die vier Jahre ältere Marcella hingegen ließ ihre erotische Ausstrahlung spüren in ihrer Haltung und mit schwarzen Strümpfen. 1911 begegnete Kirchner den Schwestern Gerda und Erna Schilling, damals in einem Varieté beschäftigt. Gerda porträtierte er, machte Aktzeichnungen von ihr. Erna erscheint 1912/13 in einem Bildnis wie von einem Nimbus umgeben: Verweis auf eine Madonna; im Hintergrund aber finden sich Figuren, die ihre damalige Tätigkeit im Nachtclub andeuten. Kirchner nahm Erna auch mit nach Fehmarn, wo Zeichnungen am Strand oder im Boot entstanden. Nach dem Ersten Weltkrieg, für den Künstler die seelische und körperliche Katastrophe, begleitete Erna ihn in die Schweiz, nach Davos, und blieb dort als seine Lebensgefährtin bei ihm. In Zürich lernte er die Nackttänzerin Nina Hard kennen; sie inspirierte ihn zu kraftvollen Zeichnungen und Grafiken, etwa zu Holzschnitten mit ihrem Kopf oder der nackten Frau im Wald, wo die schwungvollen Linien die Gestalt wie ein Vorhang einrahmen; fast könnte man die schwarze Katze zu ihren Füßen übersehen. Viel strenger wirken da die drei Bildnisse der „Hausdame“ Esther Hanfler, der Gesellschafterin der depressiven Erna. Die kokette Jugendlichkeit des Paares Elisabeth und Julius Hembus reizte ihn auch zum Zeichnen, wobei mehr und mehr Elisabeth im Vordergrund stand. Dass Erna sich da irgendwie in den Hintergrund gedrängt fühlte, zeigt sich an ihrem leidenden Ausdruck und der Niedergedrücktheit in den letzten Bildnissen 1934 und 1936. (Renate Freyeisen) Information: Bis 22. Januar. Kirchner-Haus, Ludwigstraße 19, 63739 Aschaffenburg. www. Kirchnerhaus-aschaffenburg.de

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