Kultur

Das "Deutsche Stadion" hätte das größte Stadion der Welt werden sollen. In der für Nürnberg geplanten Sportstätte wäre Platz für 400 000 Menschen gewesen. (Foto: Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg)

15.04.2011

Nürnbergs Umbau zur Tempelstadt

Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg zeigt Modelle zu gigantischen Bauprojekten, die Albert Speer für Hitler entwarf

Die Nazi-Bauten auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, wo alljährlich Hitler Heerschau hielt, stellen bis heute das größte erhaltene Ensemble an NS-Architektur dar. Noch immer legen die Zeppelintribüne vor dem Aufmarschgelände, die Große Straße und die nie fertiggestellte Kongresshalle beredtes Zeugnis von den „Worten aus Stein“ ab, mit denen Hitler und die Nazis den Allmachtsanspruch des „Dritten Reiches“ auch und vor allem architektonisch vor aller Welt demonstrieren wollten.
Aber hinter dieser Stein gewordenen monströsen Repräsentation nationalsozialistischen Größenwahns verbargen sich noch gigantomanischere Planungen, die Hitlers „Generalbauinspektor“, der Architekt Albert Speer, in Berlin und in Nürnberg realisieren sollte.
Jetzt zeigt das Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in der Kongresshalle in der Ausstellung Mythos Germania und Tempelstadt Nürnberg, was die Nazis mit Nürnberg und Berlin vorhatten und was Vorbild für weitere „Führer-Städte“ wie München, Hamburg und Linz werden sollte.

Gigantische Dimensionen

Zu verdanken ist die Ausstellung zwei Filmen, für die seinerzeit riesige Modelle der geplanten architektonischen Umgestaltungen beider Städte angefertigt wurden: für Der Untergang (2004) wurde Albert Speers elf Kilometer lange „Nord-Südachse“, die Berlin vom Südbahnhof bis zum heutigen Hauptbahnhof durchschneiden sollte, nachgebaut; für Speer und Er (2005) wurde ein Modell des für Nürnberg geplanten „Deutschen Stadions“, das für 400 000 Menschen ausgelegte „größte Stadion der Welt“, angefertigt. Jetzt stehen die beiden meterlangen Modelle im Mittelpunkt der Ausstellung, begleitet von Text- und Bildtafeln, die die in ihren architektonischen, technischen und nicht zuletzt finanziellen Dimensionen unvorstellbaren Planungen von Albert Speer dokumentieren.
Dabei waren die für das Nürnberger Reichsparteitagsgelände geplanten und realisierten Bauten gleichsam nur architektonische Fingerübungen für Speer, der für die (übrigens erst nach dem Kriege als „Germania“ apostrophierte) „Welthauptstadt Berlin“ an der Nord-Süd-Achse nicht nur einen Triumphbogen, 49 mal größer als der Arc de Triomphe in Paris, entwarf, sondern mit der Großen Halle eine „Halle des Volkes“ plante, in der mit ihren 300 Metern Höhe der (aus DDR-Zeiten stammende) Fernsehturm in Berlin-Mitte hineingepasst hätte.
Die gigantischen Dimensionen dieser unmenschlichen NS-Architektur, in der der Mensch nur noch als Masse erkennbar wird, führt das über 20 Meter lange Modell dieser Nord-Süd-Achse drastisch vor Augen: Das Brandenburger Tor und selbst das Reichstagsgebäude verschwinden neben der Kuppel der Großen Halle, in der bis zu 180 000 Menschen sich zum Ruhme des Führers Adolf Hitler hätten versammeln sollen. Dabei nahmen Hitler und sein Architekt Speer in Kauf, dass für diese Art von Stadtplanung die Berliner Innenstadt „entsiedelt“ und Tausende von Menschen ausquartiert werden sollten.
Im rohen Backsteinmauerwerk des Ausstellungssaales in der Nürnberger Kongresshalle nehmen sich diese aberwitzigen Modelle und Pläne besonders makaber aus, umgibt sie doch eine Aura, in der der Ungeist der Nazis und ihrer Ideologie fast noch mit Händen zu greifen ist. (Friedrich J. Bröder)

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