Fragen kann man ja mal. Was macht überhaupt eine Heldin, einen Helden aus? Sind das wirkliche oder erfundene Wesen? Es stellen sich noch viel mehr Fragen in der wunderbaren Schau Heldinnen & Helden im Lokschuppen Rosenheim. Dort entfaltet sich ein Abenteuerspielplatz, ein Figurenparcours, ein Fragezeichengarten voller Nachdenkangebote über das Heldentum, den Heldenmut, das Heldenhafte schlechthin – im Krieg, im Sport, im Widerstand.
Das Wohnzimmer von Big Lebowski aus dem gleichnamigen Kultfilm (1998), die Boxhandschuhe von Muhammad Ali, lauter Orden vom Speicher. Man begegnet Sophie Scholl, Obi-Wan Kenobi, Bastian Schweinsteiger. Sind das alles Held*innen? Wegen ihrer Schönheit vielleicht, oder doch ihrer Kraft und Stärke wegen?
Sind Heldinnen anders?
Plötzlich steht ein riesiger Kraftprotz im Weg: ein Herkules Farnese, eine in der Antike ungemein beliebte Figur. Der bärenstarke (oder sollte man seines Attributs wegen der „löwenstarke“ sagen?) Göttliche ist nackt und bärtig, 3,40 Meter hoch – es handelt sich um die Nachbildung einer Statue in Neapel: So soll man sich ihn schon mal vorstellen, den Kämpfer, der als Säugling bereits Schlangen erwürgt hat und als Kerl dann alles niederringt, was sich ihm entgegenstellt.
Aber die Ausstellung birgt sogleich weitere Fragen, etwa: Sind Männer anders heldenhaft als Frauen? Laut Duden an der Wand heißt es: Mann kühn, Frau opfermütig. Auch solche Vorstellungen müssen zu überprüfen sein; im Lokschuppen wertet man nicht, sondern zeigt einfach auf.
Im Hintergrund der Ausstellung: Geballtes historisches Wissen der Kuratorinnen und Kuratoren wurde eingebracht, dazu 2,4 Millionen Euro Investitionen. Inszeniert sind 351 Exponate, darunter 192 Originale – wie das Bühnenbildmodell zur Uraufführung der Wagner-Oper Parsifal im Jahr 1882 am Bayreuther Festspielhaus. Auch ein Film-Batmobil aus den USA ist zu sehen.
Außer den Exponaten gibt es 69 Medienstationen, darunter ein 30 Meter langes Gemälde von Julian van Dieken, mithilfe künstlicher Intelligenz für die Ausstellung kreiert: eine Collage von bekannten und namenlosen Heroinnen und Heroen seit der Antike; QR-Codes verbinden mit Hörinfos.
Mit dem Mobiltelefon kann man durch die Ausstellung auf Heldenreise gehen, eine Rolle annehmen, Abenteuer bestehen, Aufgaben lösen – was eben auch Heldinnen und Helden gemeinhin tun. Aber bis man als solche anerkannt wird, braucht es nicht nur Taten, sondern auch Erzählungen davon. Das gilt seit der Antike. Homer transportierte solche Geschichten, später Dichtungen wie das Nibelungenlied und all das, was Richard Wagner und später die Nationalsozialisten daraus gemacht haben, weiter geht es über Superman bis zu heutigen Medien- und Deutungskonflikten.
Inhalt von Heldentum ändert sich permanent in einer sich verändernden Welt. Plötzlich ist es wieder für viel mehr Menschen als noch vor ein paar Jahren denkbar, dass Soldaten Helden sein können.
Keine Heiligen
Zugleich kann die Sehnsucht nach Helden schnell umschlagen in den Missbrauch diktatorischer Herrschaft. Batman etwa ist so eine ambivalente Figur außerhalb von Recht und Gesetz. Kaum ein Held ist auch ein Heiliger. (Wobei: Sind nicht auch sie Helden des Glaubens?)
Der Prozess der Heroisierung ist also sehr dynamisch, die Parameter der Heldenerzählung sind veränderbar. Aber es gibt einige Punkte in den einschlägigen Erzählungen, die der Menschheit quasi eingeschrieben sind. Und hier macht die Ausstellung noch einmal eine Wendung, indem sie die Besucherinnen und Besucher auf eine klassische Heldenreise führt. Es war der Amerikaner Joseph Campbell, der weltweite Mythologien erforschte und dabei auf eine immer wiederkehrende Erzählstruktur stieß, die bis heute gilt. Was schon Homer beherzigte, findet sich wieder in den Star Wars-Geschichten und bei Harry Potter: nämlich die klassische Reise der heldenhaften Protagonist*innen. 17 Stationen hat Campbell dazu herausgearbeitet, einige davon übernimmt die Ausstellung. Eine Heldenreise beginnt mit der plötzlichen Berufung nicht selten eines Außenseiters. Danach kommen erst einmal eine Weigerung, der Berufung zu folgen, die übernatürliche Hilfe durch einen Mentoren und das Überschreiten der ersten Stufe: der Beginn der Reise. Auf ihr kommt es zu Versuchungen, Prüfungen, Flucht, Rettung bis hin zur Rückkehr ins normale Leben – geläutert und geehrt. (Christian Muggenthaler)
Information: Bis 15. Dezember. Lokschuppen, Rathausstraße 24, 83022 Rosenheim. www.lokschuppen.de
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