Kultur

Auf der Unterseite einer Schatulle findet sich dieses hinter Glas gemalte "Interieur mit frivoler Dame" (Österreich, um 1800). (Foto: Kkunstslg. Augsburg)

25.09.2015

Pikante Schätze

Eine Ausstellung im Augsburger Schaezlerpalais zeigt überraschende Motive der Hinterglasmalerei

Bei Hinterglasbildern denkt man in erster Linie an naive Heiligenbilder, die meist ländliche Volkskünstler im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in Masse schufen. Daneben aber existiert eine Fülle von kostbaren und äußerst kunstvollen Beispielen, von denen nun eine beeindruckende Auswahl in Augsburg zu sehen ist. Einst war das Material sehr wertvoll: Für ein Pfund weißes Flachglas bezahlte man ebensoviel wie für ein Pfund Gold. Das war an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Durchsichtige Glasscheiben musste man zunächst aus Byzanz importieren, bevor die Venezianer um 1500 hinter das Geheimnis der Herstellung von reinweißem „Cristallo“-Glas gekommen waren.

Für Kunstkammern

Verziert mit Farbe, gar mit Blattgold und Silber, wanderten die Produkte in fürstliche Kunstkammern. Einst soll ein Fürst für ein paar kleine Hinterglastafeln 200 Gulden berappt haben. Zum Vergleich: Etwa zur selben Zeit kaufte sich Albrecht Dürer in Nürnberg das bis heute bekannte Dürerhaus für 270 Gulden. Die Hinterglasbilder der Frühzeit waren in der Regel kleinformatig und zierten Schubladen und Türchen der damals begehrten und teuer bezahlten Kabinettschränke. Holzwurm und andere Unbillen haben die Möbel längst dahingerafft. Die kleinen Bilder jedoch wurden gerahmt an die Wand gehängt und haben so zum Teil überdauert. Das 16. Jahrhundert markiert eine erste Blüte der Hinterglasmalerei in Europa, da nun weißes Flachglas in hoher Qualität zur Verfügung stand. Unterschieden nach Regionen, setzten sich neben der reinen Malerei verschiedene Techniken mit Gold und Silber durch, von denen die Blattgoldradierung (sogenannte Amelierung) und die Eglomisé-Techink, bei der die Malerei mit Metallfolie hinterlegt wird, die bedeutendsten waren.

Experten aus Nürnberg

Eines der Zentren für die erstgenannte Technik war Nürnberg. Von dort gelangte sie nach Augsburg und weiter in die Schweiz und nach Tirol. In der Lombardei entstanden seit Ende des 15. Jahrhunderts ebenfalls wahre Meisterwerke, die zu den Höhepunkten der Kunstkammern etwa am Hof der Sforza zählen, darunter kleine, in der Ausstellung im Schaezlerpalais erstmals in größerer Zahl gezeigte Medaillons und Reliquiare. Die Eglomisé-Technik dagegen wurde vor allem in Venetien und Tirol heimisch. Die Verbreitung des Kupferstichs als Vorlagen-Lieferant beeinflusste im 16. Jahrhundert die rasante Entwicklung der Hinterglasmalerei entscheidend.

Erschwinglich fürs Volk

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Glas preiswerter – die Produktion der Hinterglasbilder nahm weiter zu. Neue Produktionszentren entstanden, etwa um Wien und Prag und schließlich auch in Oberbayern. Die steigende Mengenproduktion erlaubte nun nicht nur dem Adel und dem hohen Klerus den Erwerb, sondern auch dem wohlhabenden Bürgertum (und schließlich durch die Volkskunst im 19. Jahrhundert auch der ländlichen Bevölkerung). Dabei handelte es sich zunächst beileibe nicht nur um Heiligenbilder. Allegorien, Porträts, Genres – sogar frivoler Art – fanden Platz auf den Hinterglasbildern. Und für die Damen hinter Klostermauern entstanden eigene „Nonnenspiegel“: Hinterglasbilder mit religiösen Motiven, die allerdings so klein gehalten wurden, dass drum herum genügend Raum für den verspiegelten Hintergrund blieb, in dem sich die Klosterfrauen selbst betrachten konnten.

Offene Fragen für Forscher

Dass die überaus kostbaren Materialen Gold und Silber auch in der Hinterglasmalerei eine bedeutende Rolle spielten, wurde bislang von der Forschung wenig beachtet – wie es überhaupt zum Thema Hinterglasmalerei noch viele offene Fragen gibt. Anhand von über 120 Werken aus der umfangreichen Sammlung von Gisela und Wolfgang Steiner zeigt die Ausstellung (und der äußerst aufwendig gestaltete Katalog) die verschiedenen kombinierten Techniken aus Malerei und Edelmetall, ohne jedoch den künstlerischen Aspekt aus den Augen zu verlieren. Zum Teil noch nie gezeigte Exponate aus vier Jahrhunderten glitzern und glänzen im Schaezlerpalais um die Wette. Soweit bekannt, sind den Hinterglasbildern erfreulicherweise auch die grafischen Vorlagen gegenübergestellt. (Cornelia Oelwein) Bis 15. November. Schaezlerpalais, Maximilianstraße 46, 86150 Augsburg. Di. bis So. 10 – 17 Uhr. www.kunstsammlungen-museen.augsburg.de

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