Kultur

Samuel Hasselhorn singt und spielt den Vogelfänger Papageno. (Foto: Jesús Vallinas)

11.10.2024

Rasante Fahrt durchs Verdrängte

Nürnbergs Ballettchef Goyo Montero inszeniert mit Mozarts „Die Zauberflöte“ erstmals eine Oper

Gigantische Treppen drehen sich, unter Stroboskopblitzen zucken Menschenmassen vorbei, eine Seele versucht vergeblich gen Himmel aufzusteigen. Mit gewohnt ausdrucksstarken Bildern bringt Nürnbergs scheidender Ballettdirektor Goyo Montero (er wechselt zur Spielzeit 2025/26 an das Staatstheater Hannover) Mozarts Zauberflöte in einer eigenwilligen, aber mitreißenden Inszenierung auf die Bühne des Staatstheaters.

Raum für Interpretationen

Wie immer bei Montero sind die Interpretationsspielräume weit geöffnet. So wirkt seine erste Opernregie wie eine Reise in die Tiefen des Unterbewusstseins, während der betreffende Mensch im Koma liegt. Dieser Mensch ist Tamino. Ihm verleiht Martin Platz mit körperlicher Agilität und stimmlicher Ausdrucksstärke erstaunliche Lebendigkeit. Sein Gesang und seine Beweglichkeit sind beeindruckend. Wieso er aber in der Kluft eines Irrenanstaltsinsassen steckt, erschließt sich nicht. Schließlich bekommt er über die Elektroden an seiner Haube keinerlei Elektroschocks verabreicht, die ihn eventuell aus dem Koma reißen könnten.

Das würde auch nicht so recht zur Geschichte der Zauberflöte passen, prüft doch Tempelfürst Sarastro (Seokjun Kim mit veritablem Bass) den Prinzen Tamino drei Mal, bevor dieser die entführte Prinzessin Pamina befreien und ihre Liebe gewinnen kann.

All das geschieht auf einer tiefschwarzen Bühne, dem mächtigen Symbol für das Unbekannte jenseits des Bewusstseins. In diesem Dunkel erscheinen die Figuren wie grelle Farbtupfer, die das Wabern der Erinnerungen an das Leben durchzucken. Allen voran der Vogelfänger Papageno. In leuchtendem Feuerwehrrot mit applizierten Knochen und Hühnerkrallenfingern drängt sich der Gedanke an Voodoo-Zauber auf. Samuel Hasselhorn dominiert mit seinem virtuosen Bariton die gesamte Aufführung als schlitzohriger Begleiter Taminos.

Sophia Theodorides brilliert als Königin der Nacht mit Koloraturen, ihr blau-rotes Kostüm ist ein Hingucker. Angeschlossen an eine Windmaschine, stellen sich auf dem Höhepunkt ihres Rachefeldzugs ihre Stacheln auf dem Rücken bedrohlich auf.
Farbig-fröhlich als Gegensatz zum Bühnenschwarz leuchten auch Sarastro und seine Tempeldiener im grellen Orange der Müllabfuhr. Ebenso Sarastros Sklavenwächter Monostatos (Hans Kittelmann) darf in diesem Orange den fleischlichen Gelüsten Ausdruck verleihen. Überspitzt wird das durch einen gigantisch aufgeblasenen Plastikpenis, den er kaum zu bändigen weiß.

Versöhnliches Ende

Montero hat mit dieser Zauberflöte nicht nur eine rasante Fahrt durchs Verdrängte, Versteckte und Unterdrückte der Seele unternommen. Vielmehr bringt er gegen Ende eine Versöhnung im göttlichen Prinzip der Liebe zum Erwachen. Tamino ist mit Pamina (Chloë Morgan mit sanftem Sopran) vereint. Das heilt seine Seele. Er kann das Koma verlassen und aufsteigen ins ewige Licht. Dies haben die Bühnenbildner Leticia Gañán und Curt Allen Wilmer eindrucksvoll mit Leinwandprojektionen gelöst. Auch die riesigen Treppen, die mal als Sarastros Palast, mal als Eingang zum Unterbewusstsein dienen, drehen sich wild und beleuchten die Odyssee durch Taminos Koma.

Abgerundet wird das Ganze durch Roland Böers musikalische Leitung. Er bringt mit der Staatsphilharmonie Nürnberg Mozarts Oper zum Leuchten. Vielleicht verneigt sich Montero mit seiner Inszenierung auch vor dem großen Komponisten. Das Nürnberger Premierenpublikum feierte diese Zauberflöte jedenfalls mit langem und frenetischem Applaus. (Ralph Schweinfurth)

 

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