Kultur

Diese Schreinerkraxe (um 1820) wurde von einem Störhandwerker mitgeführt, wenn er übers Land zog. Besitzer dürfte Johann Hartmann von Rothenwörth, Gemeinde Bodenkirchen, gewesen sein. (Foto: Heimatmuseum Vilsbiburg)

18.09.2015

Schätze aus dem Alltag

Eine Ausstellung erinnert an das Handwerk im niederbayerischen Vilsbiburg

Vilsbiburg, die Stadt an der Vils: eine Stadt des Handwerks und der Brauereien. Und deshalb auch ein passender und würdiger Ort, an diese Gewerbe-Vergangenheit zu erinnern. Im Heimatmuseum, angeschmiegt an den Rand des historischen Marktkerns, ist jetzt eine solche Erinnerung möglich. Seit Jahrzehnten hat Lambert Grasmann, Museumsleiter sowie Schätzer und Kenner von Alltagspreziosen, die Dinge gesammelt, die mit den Gewerken seiner Heimatstadt zu tun hatten, Dinge, die man einst als überflüssig erachtete, als G’raffel bezeichnete, das man sogar wegzuschmeißen beabsichtigt hat.
Jetzt, da sie zusammengetragen sind am ebenfalls historischen Ort im Heilig-Geist-Spital, atmen sie Alltagsgeschichte, ist Unwiederbringliches gerettet. Im Wortsinn lassen sich Bände erzählen über die einzelnen Exponate. Über die Geschichten von Familien: wie die aus Italien eingewanderte Kaminkehrerfamilie Orelli, vom wandernden Weißgerbergesellen Franz Xaver Haberl, vom königlichen Landgerichtsmaurermeister Anton Wagner, der von 1783 bis 1860 lebte und sich in Öl malen ließ. Da sitzt er jetzt, erdschwer, wie ein Mann, der weiß, was Arbeit ist und daraus ein leicht von Müdigkeit umflortes handwerkerliches Selbstbewusstsein zieht. Ein Bild wie ein Lebensroman.
Fotografien, Zeichnungen, Handwerksgeräte, Anzeigen, Gebrauchswaren, Arbeitsmuster, Briefe, Tagebücher, Firmenschilder, Ladeneinrichtungen, Meisterbriefe, Brauereiaccessoires, Wurstmaschinen: Auf mehreren Stockwerken und ausgefüllt mit Dingen aus Dauerausstellung und Depot umkreisen die Exponate einstige Arbeitswelten. Da wird eine Zeit sichtbar, wie sie so vergangen eigentlich noch nicht ist – und doch scheint sie ganz weit weg.
Denn die Ausstellung beweist auch, wie sehr die Industrialisierung seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Produktion des Alltäglichen und der Alltäglichkeiten allmählich hinaus aus dem Alltag und hinein in die Supermärkte gedrängt, ja regelrecht anonymisiert hat.
Lambert Grasmann ist stolz auf die Preziosen, die er gesammelt hat und nun im Museum und im Begleibuch präsentiert. Da ist auf relativ engem Raum sehr viel zusammengekommen, auch an Berufen.

Da Vinci und die Bürsten

In gut 20 Gewerbe – vom Bäcker und Fischer bis zum Bader und Türmer – kann man hineinschmecken. Schätze gibt es zu sehen, wie eine Schreinerkraxe aus dem 19. Jahrhundert, mit der Schreiner einst auf die Stör gegangen waren, also auf Wanderarbeit. Wunderschönes Uhrwerk ist ausgestellt, auch, weil das Heimatmuseum eine Uhrmacherwerkstatt hat ausräumen können. Wachsmodelle wurden gerettet – und selbst solche Dinge wie Bieretiketten untergegangener Brauereien.
Alltagsgeschichte, komprimiert und mit vielen Geschichten und Gesichtern dargeboten: So geht Präsentation von Lokalgeschichte auf wenig Raum. Und einige regelrechte Künstler sind auch darunter. Etwa der Bürstenmacher Josef Süß. Der hat 1951 mit Bürstenborsten Leonardo da Vincis Gemälde Das letzte Abendmahl kopiert.
Es gibt vieles zu sehen und zu entdecken in dieser Ausstellung. Und wenn man schon mal da ist, kann man sich gleich auch noch die Exponate des Kröninger Hafnermuseums anschauen. (Christian Muggenthaler) Bis 20. März 2016. Heimatmuseum, Stadtplatz 39, 84137 Vilsbiburg. So. 10 – 12 Uhr, Mi. 14 – 16 Uhr, an jedem ersten Wochenende des Monats Sa./So. 14 – 16 Uhr. Sonderführungen absprechen unter 08741/7828. www.museum-vilsbiburg.de

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