Kultur

Detail des Goldenen Schiffs der Universität München, das um 1594 der Ausburger Goldschmied Caspar Hentz fertigte. Neben Szepter und Ketten gehört es zu den Insignien der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Gesamtansicht des Pokals finden Sie im Beitrag. (Foto: BNM/Bastian Krack)

31.05.2024

Schippern über Festtafeln

Das Bayerische Nationalmuseum zeigt kostbare Miniaturtraumschiffe aus der Renaissance

Es sind zwei Welten, die auf engem Raum aufeinanderprallen: Was für den modernen Kreuzfahrtgast zur Traumreise wird, bedeutet für die Crewmitglieder harte Arbeit, Niedriglohn und Heimweh. Wie in der Fernsehkultserie Das Traumschiff, die sicher den Massentourismus auf hoher See in jüngerer Zeit befördert hat, durchpflügen Giganten der Seeschifffahrt die Weltmeere – ungebremst trotz drohender Klimakatastrophe. Gleiches gilt für luxuriöse Motoryachten, die Statussymbole von Superreichen. Prestigeträchtige Schiffe als Zeichen von Reichtum und Macht sind keine Erscheinung der Gegenwart – es gab sie bereits seit dem 11. Jahrhundert.

Allerdings waren es Miniaturschiffe aus Gold und Silber, welche als Tafelaufsätze und Trinkgefäße die Tafeln der Fürsten vornehmlich in Frankreich schmückten. In der frühen Neuzeit rollten auch in Süddeutschland mobile Schiffsmodelle mit gehissten Segeln und auf vier Rädern über reich gedeckte Tafeln wohlhabender Gastgeber. Zur Belustigung der Weintrinker spritzte roter Rebensaft aus den am Schiffsrumpf angebrachten Kanonenrohren einiger mechanisch hochgerüsteter Pretiosen in die weiß gepuderten Gesichter der Gäste.

Mit der Ausstellung Traumschiffe der Renaissance. Schiffspokale und Seefahrt um 1600 hat sich das im küstenfernen München gelegene Bayerische Nationalmuseum in neue Fahrwasser vorgewagt – und dabei keineswegs Schiffbruch erlitten. Gezeigt werden neben Meisterwerken der Gold- und Silberschmiedekunst Gemälde, Grafiken, Manuskripte, Navigationshilfen wie Atlanten, Astrolabien, Jakobsstab, Kompass und der zum damaligen Wissenskanon gehörende Globus.

Anlass für die maritime Themenschau bot das Goldene Schiff der Ludwig-Maximilians-Universität München – neben Rektorenkette und Szeptern eine der drei historischen Insignien der Eliteuniversität. Das bis ins kleinste Detail akribisch ausgearbeitete Goldschmiedekunstwerk ist allein schon aufgrund seiner beachtenswerten Größe Höhepunkt der Sonderschau und zugleich Teil der goldenen Flotte weiterer auf einer langen Prunktafel feierlich drappierten Schiffspokale. Darunter entdeckt man auch Exemplare, deren Schiffskorpus aus kostbarem Bergkristall oder aus einem Nautilus (Gehäuse der Kopffüßler) designt wurden.

Edles Trinkgefäß

Im Dezember 1594 schenkte der junge Erzherzog Ferdinand von Österreich, der später als Kaiser Ferdinand II. ein Weltreich regieren sollte, den silbervergoldeten Schiffspokal der Universität Ingolstadt. Mit diesem kostbaren Miniaturschiff bedankte er sich für seine fünfjährige Studienzeit bei den dort unterrichtenden Jesuiten. Seitdem hat das kostbare Tafelschiff, aus dem bei festlichen Anlässen Wein serviert wurde, eine lange Reise hinter sich.

Im Jahr 1800 wurde die einzige bayerische Universität nach Landshut und 26 Jahre später nach München verlegt. Der im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte und 1954 umfassend restaurierte Zweimaster, der vom Augsburger Goldschmied Caspar Hentz mit abnehmbaren Bug- und Heckaufbauten samt Kapitänsmannschaft aufwendig gestaltet wurde, segelte immer mit und wurde erst 2018 als Dauerleihgabe dem Bayerischen Nationalmuseum überreicht.

Übertroffen wird das Hochschulschiff in seiner Schauwirkung lediglich vom Kanonenfeuer entfachenden Wiener Automatenschiff Kaiser Rudolf II. des Augsburger Goldschmieds Hans Schlottheim, das, weil nicht mehr ausleihbar, nur in Filmaufnahmen präsentiert wird.

Mit der zunehmend bedeutender werdenden Hochseeschifffahrt und den damit sich global ausweitenden Handelströmen, die Luxuswaren wie Zucker, Gewürze, Elfenbein und Naturraritäten aus Asien, Afrika und Amerika nach Europa brachten, wurden die Großsegler in Miniaturform beim europäischen Adel immer beliebter. Einige dieser Zimelien, wie diese kostbaren Goldschmiedearbeiten auch genannt werden, entstanden in den Goldschmiedezentren von Augsburg und Nürnberg, wo reichstädtische Handelshäuser wie die Fugger und Welser als mächtige Patrizier und erfolgreiche Netzwerker ein sehr auskömmliches Leben hatten. Sie profitierten vom Wirtschaftswachstum durch den neuen Überseehandel nicht zuletzt dank Lichtgestalten wie Kolumbus, Vasco da Gama und Magellan, die für den Beginn der frühen europäischen Entdeckungsfahrten stehen – die mit Blick auf die Folgen heute auch kritisch beurteilt werden.

Getrübter Goldglanz

Damalige „Heldentaten“ machten den Wettlauf zwischen Arabern und Europäern um die Gewürzinseln erst möglich, was in der Folge zu Krieg, Kolonialisierung, Missionierung und Versklavung führte. Insgesamt zwölf Millionen Sklaven aus Westafrika waren an Bord der rund 31 000 Segelschiffe, die zwischen 1527 und 1866 den Atlantik überquerten. Wer die Überfahrt überlebte, schuftete sich auf den Plantagen oder im Bergbau in den neuen Kolonien in Mittel- und Südamerika zu Tode. Dies geschah im Bewusstsein kultureller Überlegenheit des Christentums und im geglaubten Auftrag Gottes.

Dass eine Seefahrt damals niemals lustig war, zeigt auch das Beispiel der ikonisch gewordenen Seeschlacht von Lepanto, die 1571 am Eingang des Golfes von Korinth stattfand und von den Bildmedien als christlicher Triumph der hl. Liga über die heidnischen Osmanen dargestellt wurde. Die schwimmenden Festungen waren Kriegsmaschinerien zur Sicherung der Handelsrouten. Trotz elaborierter Technik im Schiffsbau und neuen Hilfsmitteln der Nautik blieben die Großsegler vulnerabel und den Risiken des Meeres stets ausgeliefert. Ein Grund, weshalb die geschäftstüchtigen Welser Seeversicherungen abschlossen. (Angelika Irgens-Defregger)

Information: Bis 1. September. Bayerisches Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, 80538 München. www.bayerisches-nationalmuseum.de

Abbildung: Das Goldene Schiff der Universität München fertigte um 1594 der Ausburger Goldschmied Caspar Hentz. Neben Szepter und Ketten gehört es zu den Insignien der Ludwig-Maximilians-Universität München. (Foto: BNM/Bastian Krack)

 

 

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