Wahrscheinlich ist das die attraktivste Zufahrt nach Berchtesgaden: über das Nonntal direkt auf den Watzmann zu. Durch die Baumkronen der Schroffenbergallee schimmert das markante Bergmassiv – einen schöneren Platz für ein Heimatmuseum kann man sich kaum vorstellen. In das 1614 vom Stiftsdekan der Augustiner Chorherren in Berchtesgaden erbaute Schloss Adelsheim zog 1968 das 1897 gegründete Berchtesgadener Heimatmuseum um, das zuvor in der örtlichen Schnitzschule untergebracht war. Mit 600 Quadratmeter Ausstellungsfläche in 13 Schauräumen ist es heute eines der bedeutendsten volkskundlichen Museen Bayerns. Träger ist der Kreis Berchtesgadener Land.
Geleitet wird das Museum seit mehreren Jahren von der Kunsthistorikerin und Restauratorin Friederike Reinbold. Sie weiß, mit welchen Kuriositäten man in die barocken Räume locken kann. Zum Beispiel in eine „Rauchkuchl“: Dort haben sich die Bauern mit allen Arten von Mausefallen vor den Nagern und deren Hunger geschützt. Man sieht eine Falle mit „Ertrinkbecken“ oder die „Wippbrettfalle aus Fichtenholz“ – Letztere wird auch vorgeführt, natürlich nur mit einer Kunstmaus.
Nicht weit davon gibt es den Raum der „Weihnachtsschützen“. Für Männer, die nicht getroffen haben, gibt es eine große „Ausredescheibe“, wo sich der Schütze einen Grund für sein Versagen aussuchen konnte. Oder ein Stockwerk höher das „Eingricht“: ein Glaskasten, in den eine Weihnachtskrippe mit winzigen Figuren eingerichtet ist.
Selbstverständlich ist das Heimatmuseum Berchtesgaden keine bloße Kuriositätenschau, vielmehr zeigt es – auch in thematischen Sonderausstellungen –, wovon und womit die bäuerliche Bevölkerung in diesem abgelegenen Tal gelebt hat: ohne Feld-, sondern höchstens mit Almwirtschaft, natürlich vom Salzabbau im Städtedreieck mit Bad Reichenhall und Hallein. Besonders im Winter mit seinen langen Abenden verdiente sich früher die ganze Familie in Heimarbeit bei Kienspanlicht ein Zubrot. Die „Berchtesgadener War“ aus den Bauern- und Schnitzerstuben wurde über Verleger wie Johann Nepomuk Wallner in alle Welt verkauft: Spielzeug für Kinder, Schmuck für den Weihnachtsbaum. „Berchtesgadener Handwerkskunst“ heißt heute ein Laden am Schlossplatz, der die Erzeugnisse dieser 400-jährigen Tradition verkauft. Von dort aus ist man in 10 Minuten Fußweg beim Heimatmuseum, wo die Spanschachteln und filigranen Schnitzereien archiviert werden.
Familiäre Arbeitsteilung
Friederike Reinbold, die auch gelernte Kirchenmalerin ist, erzählt von den Arbeits- und Produktionsbedingungen, unter denen die Berchtesgadener Exponate entstanden sind: „Es war arbeitsteilige Familienarbeit. Einer hat die Köpfe, ein anderer die Hände gemacht, einer hat geleimt, ein anderer hat gemalt.“ Man hat nicht nur Figuren hergestellt, sondern auch Kinderschwerter, die besonders im Kaiserreich beliebt waren. Oder filigrane Dosen, deren Herstellungsphasen im Museum dokumentiert werden und die es in allen Größen gibt: „Durchbruchdosen“ heißen sie und sind das Werk von sogenannten Filigrandrechslern. Das Heimatmuseum hat Hunderte von ihnen: mit naiver Bemalung, ge-stempelt und mit bäuerlicher Ornamentik. Von der Butter bis zum Brautkleid: Alles wurde in Schachteln aufbewahrt, die es natürlich auch mit religiösen Motiven verziert gibt.
Der zweite Rohstoff dieser Handwerkskunst war neben Holz auch Bein: gebleichte Tierknochen, aber keineswegs Elfenbein. Auch bemalte Hornlöffel waren als Taufgeschenk beliebt.
Verschiedene bürgerliche Sammlungen waren die Basis für die Bestände des Museums: Da wurde vererbt oder aufgekauft, was in einem Ort beliebt war, der einst auch Sommerresidenz der Wittelsbacher war – eine Spielzeugkutsche als Geschenk für einen Wittelsbacher Prinzen zeugt davon.
Friederike Reinbold leitet über zu den Berchtesgadener Trachten mit den hohen Hüten für die Männer oder zur venezianisch anmutenden Tracht eines königlichen Schiffers.
Ein besonderer Höhepunkt im Museum ist schließlich das Gailler’sche Marionettentheater. Zwischen 1838 und 1917 hat das Ensemble mit etwa ein Meter hohen Puppen gespielt, es gibt auch noch die Kulissen für Stücke aus dem Alltagsleben, aus der Politik und mit Aufführungen durchaus nicht nur für Kinder. Die originalen Kostüme bewahrt man natürlich in Spanschachteln auf.
Besonders stolz ist die Museumsleiterin auf die Arbeiten der Boandlschnitzer, die in den europäischen Schatz- und Wunderkammern aufbewahrt werden: beispielsweise in Schloss Ambras bei Innsbruck. Spätestens da weiß man: Berchtesgaden und seine Geschichte kann man nicht nur im NS-Dokumentationszentrum oder im Salinenmuseum nacherleben, sondern auch in dieser vielgestaltigen Wunderkammer des Heimatmuseums. (Uwe Mitsching)
Information: Museum Schloss Adelsheim, Schroffenbergallee 6, 83471 Berchtesgaden. www.museum-schloss-adelsheim.de Das Museum ist in den Monaten November, Januar und Februar geschlossen.
Abbildungen: Zur „Berchtesgadener War“ gehörten Souvenirs mit Motiven der Region ebenso wie Spielwaren. (Fotos: Museum Adelsheim)
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