Kultur

Lena Dörrie als Tessa Ensler: Sie hält das Publikum fast zwei Stunden in Atem. (Foto: Thomas Langer/Stadttheater Fürth)

25.01.2025

Spannung ohne Ende

Suzie Millers Gerichtsdrama „Prima Facie“ feierte in Fürth eine umjubelte Premiere

Das muss man erst einmal schaffen: Fast zwei Stunden lang hält Lena Dörrie das Publikum im Kulturforum Schlachthof in Fürth in Atem. Sie verkörpert die Strafverteidigerin Tessa Ensler, die jeden Vergewaltiger vor Gericht rausboxt. Mit toughen Tricks schafft sie es, die Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Das funktioniert prima, bis sie eines Nachts selbst Opfer wird, weil ihr Kanzleikollege sie brutal nimmt.

In Suzie Millers Gerichtsdrama „Prima Facie“, das jetzt das Stadttheater Fürth im Schlachthof präsentiert, zeigen sich die Abgründe eines Rechtssystems, das keine Gerechtigkeit schafft. Tessa erfährt auf leidvolle Weise, wie sich das System, für das sie immer eingetreten ist und auf dem sie ihre Karriere aufgebaut hat, gegen sie wendet. Eindrucksvoll nimmt Lena Dörrie als Tessa die Zuschauer mit auf eine Reise von arrogantem Rechtsanwaltsgehabe hin zu einer am Boden zerstörten Existenz. Das verdeutlicht auch Britta Lammers als Kostümbildnerin, indem sie Tessa erst in schicke Anwaltsklammotten und nach der Vergewaltigung in einen Schlabberpulli, einen weiten Rock und Stoppersocken steckt.

Doch kurz vor dem endgültigen Scheitern vor Gericht, denn niemand glaubt ihr die Vergewaltigung durch ihren Kollegen, trumpft Tessa noch einmal auf. Sie prangert das ungerechte Rechtssystem an, dem die psychischen Folgen einer Vergewaltigung völlig egal sind. Der vermeintliche Opferschutz und der vorsichtige Umgang mit den Frauen ist nur vordergründig. Im Prozess geht es immer nur darum, ob der Sex einvernehmlich war. In Tessas Fall war er das anfangs. Doch dann floss viel Alkohol und der zarte Liebhaber verwandelte sich in eine brutale Sexmaschine, die Tessas Arme mit einer Hand über ihrem Kopf fixierte und mit der anderen Hand ihren Mund zuhielt. Lena Dörrie vermittelt mit jeder Faser ihres Körpers wie ekelhaft und schmerzhaft das war.

Unter der Regie von Nilufar K. Münzing wirbelt Lena Dörrie mal auf den Wogen des Glücks über die Bühne, offenbart in inneren Monologen ihren Seelenzustand und präsentiert sich als gewiefte Anwältin, die vor nichts zurückschreckt.

Dieses beeindruckende Kammerspiel ist nur zu empfehlen. Bei der Premiere goutierte das Fürther Publikum die Produktion zurecht mit Standing Ovations.
(Ralph Schweinfurth)
 

INFO

Suzie Miller ist eine australisch-britische Dramatikerin, Drehbuchautorin und Anwältin. Im April 2022 gab Miller mit Prima Facie ihr Debüt im Harold Pinter Theatre in Londoner West End mit Jodie Comer in der Hauptrolle, nachdem es in Sydney 2019 uraufgeführt wurde.

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll man Sozialabgaben auf Kapitalerträge erheben?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.