Kultur

Madison Young und Julian MacKay im innigen Duo. (Foto: Wilfried Hösl)

01.12.2023

Tändeleien und echte Liebe

Jubel bei der Premiere von Angelin Preljocajs Ballett „Le Parc“ im Münchner Nationaltheater

Es war ein Wunsch von Staatsballettchef Laurent Hilaire. Denn der ehemalige danseur étoile (entspricht der Primaballerina bei Tänzerinnen) des Ballettensembles der Pariser Oper tanzte selbst bei der Uraufführung 1994 von Le Parc die männliche Hauptrolle. In dem Ballett von Angelin Preljocaj mit der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart geht der choreografische Blick zurück zur Tanzbegeisterung des französischen „Sonnenkönigs“ Louis XIV.: Mit gerade mal 15 Jahren glänzte dieser im „Ballet royal de la nuit“ als prächtig kostümierte goldene Sonne. 1669 gründete er die Nationale Akademie für Musik und Tanz, den Vorläufer des Balletts der Pariser Oper.

Trennung der Stile

Preljocajs Thema sind die leichtfertigen Liebeleien einer adligen Gesellschaft des Müßiggangs – und im Gegensatz dazu die aufrichtige Zuneigung. Dabei sind Handlung und Tänze abgezirkelt wie die kunstvollen Parkanlagen von Versailles. Vier Gärtner – als eine Art Liebesbeobachter – eröffnen jeweils ein Kapitel dieses semierzählerischen Werkes. Hinzu kommt eine klare Trennung der Stile: Das adelige Personal bewegt sich im ballettklassischen Modus, umschmeichelt von Mozart (am Pult einfühlsam Koen Kessels). Die Gärtner agieren in einer kantig-mechanischen, futuristischen Körpersprache zu Goran Vejvodas Geräuschvariationen.

Preljocaj (1957 geboren), klassisch geschult, grundsätzlich aber ein Choreograf der in den 1980er-Jahren aufblühenden Nouvelle danse française, kombiniert in Le Parc bewusst Klassik und Moderne. Das schafft einen reizvollen Kontrast. Aber er hat auch die Klassik leicht verändert: Der Oberkörper beugt sich weit vor und weit zurück, die Arme suchen sich neue Bewegungsmuster, auch in der Nähe der Folklore. Und es gibt ziemlich viel Action am Boden: sitzend, liegend, rutschend, krabbelnd. Das schert ebenfalls aus der Klassik aus. Aber es gibt doch noch reichlich Arabesquen, Sprünge und Pirouetten – vom Ensemble lebhaft serviert.

Zur Handlung: Das Adelsvölkchen vertreibt sich die Zeit im ausgedehnten Park mit geistlosen Stühlchen-wechsele-dich-Spielen. Da hängt unsere Aufmerksamkeit schon mal durch. Aber man versteht durchaus: Preljocaj zeigt hier pointiert die Sinnleere der Hofgesellschaft. Interessanter dann schon die High Society bei ihren Schäferstündchen. Angelehnt an die Säulen im Park erkunden hier gleich mehrere Paare Zärtlichkeiten und Küsse. Und wenn ein Schwarm hyperschicker Damen hereintrippelt, bewundert man die weiten, fast schwebenden Reifröcke, die Farben und Muster der Stoffe und Hütchen von Designer Hervé Pierre. Es tänzelt noch dieses oder jenes Divertissement über die Bühne.

Werbender Pfau

Das Gefühlszentrum aber ist die Begegnung – in drei Etappen – von zwei Personen, die sich in ihrer Individualität in dieser Oberflächenwelt verloren fühlen. Es sind zwei erste Solopartien: getanzt von der immer federleichten Madison Young und von Julian MacKay. Er, ganz werbender Pfau, spreizt sozusagen sein technisches Gefieder, umflattert seine Angebetete mit grands jetés (Spagatsprünge) und Drehungen aller Art. Sie ist wohl interessiert, aber skeptisch, und versinkt erschöpft in einen Tiefschlaf. Zu Hilfe eilen die Gärtner, stützen, tragen und heben die Abgedriftete – während am Horizont düstere Wolken aufziehen. Das Lichtdesign von Chatelet/Kass erzählt immer mit.

Letztlich aber, im dritten Anlauf, wird der innig Werbende doch erhört. In einem Pas de deux mit allen erdenklichen Hebungen und Umschlingungen versinkt das Paar wie erlöst ins gegenseitige Bekennen seiner Gefühle. Im Fach Pas de deux ist Preljocaj ein Meister. Bei ihm wird jeder stützende Griff zum authentischen Ausdruck inneren Erlebens.

Le Parc folgt dem entspannten Zeitgefühl einer vergangenen Epoche und ergibt zugleich eine aparte „couleur française“ im Repertoire des Bayerischen Staatsballetts. (Katrin Stegmeier)

 

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