Kultur

Tierisch langer Bildtitel: "The duty of all birds, all winged creatures is vigi-lance. We remember: Seagull (2024)" von Zadie Xa. Hier ein Detail - die Gesamtansicht finden Sie im Artikel. (Foto: Charles Duprat)

13.12.2024

Tierisch komisch

„Eccentric“ in der Münchner Pinakothek der Moderne: lauter alte Bekannte unter neuem Label

Endlich mal eine Ausstellung, die man auf gut Bairisch als „bärig“ bezeichnen kann. Denn gleich im ersten Saal begrüßen uns übermannsgroße Tanzbären, die statt des Felles ein quietschbuntes Federkleid tragen. Mitten im Raum hängt außerdem ein ausgestopftes Krokodil senkrecht von der Decke, rechts an der Wand prangt ein Gemälde Martin Kippenbergers, das ein weißes Wuschelhündchen zeigt, und dann ist da auch noch Jeff Koons’ bekannter Baby-Teddy aus Biskuitporzellan mit dem Titel Amore.

Gut möglich, dass die Pinakothek der Moderne in München diesen schrägen Streichelzoo installiert hat, um den Besucherinnen und Besuchern untergründig zu suggerieren, sie hätten es hier mit einer tierisch guten Ausstellung zu tun. Und ganz falsch ist das nicht, denn als Kontrast zum animalischen Kuschelauftakt gibt es in der Schau auch Exponate, die man buchstäblich als scharfe Teile bezeichnen kann. Etwa eine Damenhandtasche, die aus Nato-Draht geflochten ist, oder eine Kommode, deren Furnier (wenn man es so nennen will) vollständig aus Glassplittern besteht.

Überwundener Schrecken

Aber neben solchen Accessoires fürs Dominastudio finden sich auch etliche Klassiker: Gemälde von Salvador Dalí, Max Ernst, James Ensor und auch Joseph Beuys’ Vitrinenobjekt Badewanne für eine Heldin – eine kleine Metallschale, in der ein alter Tauchsieder liegt, während daneben auf einem Sockel der Torso einer weiblichen Idolfigur aufragt.

Gemeinsam ist den meisten ausgestellten Kunstwerken ein Hang zur Komik, der sich mal offen, mal hintergründig bekundet. Dabei sollte es in der Schau doch eigentlich um etwas anderes gehen, nämlich um Eccentric, wie schon ihr Titel verrät. Aber unter uns: Komik oder Exzentrik – ist das nicht Jacke wie Hose? Denn am Ende des Tages, wie man heute gern sagt, ist der Unterschied zwischen beiden so groß auch wieder nicht. Weniger, weil im Witz bekanntlich oft ein überwundener Schrecken steckt. Sondern vor allem, weil der Komik und der Exzentrik gemein ist, dass sie in der Abweichung vom Gewohnten, Erwarteten, Selbstverständlichen wurzeln.

Und weil Kunst zumindest seit der Moderne stets im Regelverstoß besteht, ist sie per se exzentrisch in jenem Wortsinn, dass sie aus dem Zentrum, also aus der Mitte des Üblichen, Gängigen, Gewohnten herausrückt.

Zu erleben war das auch kürzlich schon in der Pinakothek der Moderne bei der Ausstellung Glitch – Die Kunst der Störung, die ebenfalls Werke versammelte, die sich durch Normabweichung auszeichnen. Das ist eigentlich keine Kunst, weil eben jede gelungene Kunst der Moderne dies tut. Womit es also letztlich beliebig wird, ob eine Schau sich nun der Komik, der Störung oder der Exzentrik widmet, weil sie unter unterschiedlichen Labels alle stets nur das eine eigentliche Thema der Abweichung paraphrasieren, die für die Moderne ein so generelles Wesensmerkmal darstellt, dass das Museum praktisch jedes Werk aus seinem Besitz in jede Ausstellung integrieren kann, die ein Devianzphänomen beleuchtet.

Evidenter Sparzwang

Und pfeilgrad finden sich in der Exzentrik-Schau (die im Untertitel „Ästhetik der Freiheit“ verspricht) viele alte Bekannte, also Werke, die man ohnehin immer in der Pinakothek der Moderne sieht. Klar, das Museum versucht, durch Reduzierung teurer Leihgaben aus der Not eine Tugend zu machen, weil es sparen muss, das ist selbstverständlich, oder? Dabei wäre es doch genau das, was man von der Kunst der Moderne lernen könnte: das Selbstverständliche radikal infrage zu stellen. Abweichung, Störung, Exzentrik bitte! Doch am Ende des Tages bleibt wieder nur das bärige Zitat von Karl Valentin: „Mögen hätten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ (Alexander Altmann)

Information: Bis 27. April. Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München. www.pinakothek-der-moderne.de

Abbildungen:
Tierisch langer Bildtitel: The duty of all birds, all winged creatures is vigi-lance. We remember: Seagull (2024) von Zadie Xa.    (Foto: Charles Duprat(

Bärenstark kommt I know you want it von Paola Pivi daher. (Foto: David Stjernholm)

 

 

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