Wir sprechen von politischer Kultur, Biologen legen Zellkulturen an, ein kultivierter Umgang miteinander sollte obligatorisch sein, ebenso die Pflege von Kulturgütern, Hochkulturen haben ihre Gefolgschaft ebenso wie Subkulturen, Bauern kultivieren die Landschaft ... Ja, von Letzterem leitet sich tatsächlich das Wort Kultur ab, das so viele Bedeutungen und Definitionen in sich trägt: Das lateinische Verb „colere“ bezog sich ursprünglich auf den Ackerbau und lässt sich übersetzen mit „bestellen, bebauen, bewirtschaften, veredeln“ und dergleichen mehr. Aber auch im weiteren Sinn wurde es einst verwendet als „bewohnen, pflegen“.
Summa summarum lässt sich unter Kultur heute alles begreifen, was vom Menschen geschaffen und/oder gestaltet wurde und wird. Und das meint eben nicht nur die Kunst, sondern alle Lebensbereiche.
Kultur in der Verantwortung
Wie in diesem Verständnis der abstrakte Begriff quasi mit Leben gefüllt werden kann, wie Kultur als Bindeglied unterschiedlichste Lebensbereiche mitzugestalten vermag, hat sich das Netzwerk „Stadtkultur“ auf die Fahnen geschrieben – nachzulesen einerseits auf der Homepage des in einem Verein organisierten Zusammenschlusses bayerischer Städte, andererseits in der neuen Publikation Nachhaltige Kulturkommunen, in der zahlreiche Projekte und Aktionen jüngerer Zeit exemplarisch vorgestellt sind.
Dabei ist die Nachhaltigkeit in der Kulturförderung betontes Ziel, schließlich komme der Kultur vor Ort viel Verantwortung zu, so Christine Fuchs in ihrem Vorwort zur Broschüre – Verantwortung „für das Erlernen alter und neuer Handlungsweisen, für Wertschätzung und Wertewandel, für Gemeinschaftsbildung, Resilienz, Umdenken und viele mehr“. Christine Fuchs leitet die Geschäftsstelle des Vereins Stadtkultur.
Teilhabe fördern
Offensichtliches Merkmal dieser kulturellen Nachhaltigkeit ist, Möglichkeiten breiter gesellschaftlicher Teilhabe zu schaffen beziehungsweise zum Mitmachen zu motivieren. In den Fokus rücken dabei – und das ist bei jeglicher Stadtentwicklung mitzudenken – bislang kulturell noch nicht „bespielte“ Räume – „entkommerzialisierte Räume, in denen Begegnungen stattfinden und sich Gemeinschaft bilden kann: Orte, an denen Geschichte erkennbar ist und die somit Identität stiften können, ohne auszugrenzen“, charakterisiert Sandra Hoffmann-Rivero, die Kulturamtsleiterin in Schwabach.
In Schwabach steht für dieses Verständnis beispielhaft die seit über 25 Jahren durchgeführte „Kunstbiennale ortung“: 16 Tage lang zeigen Kunstschaffende Werke „Im Zeichen des Goldes“ – das Motto verweist auf das Schwabacher Goldschlägerhandwerk, das auf der Liste des immateriellen Kulturerbes Bayerns steht. Obendrein „vergoldet“ diese Biennale manchen auch „Unort“ im Stadtgebiet, der auf Zeit als Galerieraum Menschen anzieht und sich ihnen neu ins Bewusstsein bringen kann. Ein weiteres Format, zur Auseinandersetzung mit Orten im Stadtgebiet anzuregen, heißt „Kunstwechsel“: einmal monatlich werden Schaufenster aufgegebener Läden Bühnen einer Ausstellung. Das Leerstandsmanagement hat im Zusammenspiel mit der Kunstförderung auch das ehemalige Hauptpostgebäude Schwabachs ins Visier genommen: „Stille Post“ heißt es heute und bietet dort in Zwischennutzzung Atelierräume.
Auch Ansbach hat überraschende Erfahrungen mit der Reanimierung einer Brachfläche gemacht: Mit wenigen Mitteln wurde die Alte Ziegenwiese fit gemacht für Festivals und das Altstadtfest; dabei hatte als Vorreiter das Festival „Ton ohne Strom“ in Partnerschaft mit der Hochschule Ansbach 2022 vorgemacht, wie ein solches Ereignis auch mit vor Ort erzeugtem Strom gestemmt werden kann.
Festival umbenannt
Klima und Kultur greifen programmatisch ineinander in Augsburg: Das Festival der Kulturen heißt seit 2022 Water & Sound Festival. Auf die Fahnen hat man sich die Diversität der Stadtgesellschaft geschrieben, ebenso das Reflektieren der vielen Dimensionen des Themas Wasser – 2019 wurde das weltweit einzigartige Wassermanagementsystem von Augsburg zum Unesco-Welterbe ernannt.
Recht praxisnah begreift man in Burghausen das Thema Nachhaltigkeit im Kulturbereich: Eines der sechs Handlungsfelder, die im Klimaschutzkonzept 2025 formuliert sind, bezieht sich auf den Ausbau der Mobilität: Man will Fahrradstadt werden und den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen, der es auch den Menschen aus dem Burghausener Umland leichter ermöglicht, das städtische Kulturangebot wahrzunehmen. Und in dessen Zentrum steht natürlich nicht nur die international bekannte Jazzwoche, sondern auch eine Reihe weiterer Festivals und Konzertformate. Aktuell drehen sich die meisten Gedanken um Helmbrecht 2025 und damit um ein Freilichtspiel zum anstehenden 1000-jährigen Stadtjubiläum – auf die Open-Air-Bühne werden es rund 600 Ehrenamtliche bringen. Beteiligt an den Planungen ist obendrein ein Team, das sich um die Nachhaltigkeit der Veranstaltung kümmert: Man will vor allem die Übernutzung der Naturresourcen vermeiden.
Wie sich Resourcen und gleichermaßen der kommunale Etat schonen lassen, zeigt Ingolstadt: Für die Zeit der Sanierung des Stadttheaters ab 2027/28 kommt ein Holztheaterbau zum Einsatz – secondhand quasi, denn er war schon im schweizerischen St. Gallen als Übergangsspielstätte genutzt worden. Ingolstadt könnte ihn später auch wieder weiterreichen – oder auch als zusätzlichen Kulturraum behalten.
Die Treibhausgasminimierung von Kulturgebäuden und Veranstaltungen ist Bestandteil des 2022 verabschiedeten integrierten Klimaschutzkonzepts in Würzburg, wo sich Anfang 2021 auf Initiative des städtischen Kulturreferats das „Bündnis KlimaKultur“ formiert hat: In ihm haben sich 16 städtische und freie Kultureinrichtungen sowie Festivals zusammengeschlossen. Freilich übersieht man in Würzburg beim Thema Nachhaltigkeit nicht auch die soziale Komponente: Seit diesem Jahr erarbeiten zehn Einrichtungen Gemeinwohlbilanzierungen. Und man hat die finanzielle Förderung im Kulturbereich überarbeitet: Es gibt verbindliche Ausstellungshonorare, Unterstützung erhalten neben Projekten auch (längerfristige) Prozesse; zudem gibt es Club-Prämien.
Bibliothek der Dinge
Die meistbesuchte öffentliche Einrichtung Würzburgs ist die Stadtbücherei – ein von Generationen übergreifend genutzter Kulminationsort kulturellen und sozialen Austauschs, der gesellschaftliche, nachhaltige Lernort schlechthin – auch was die Ökologie angeht. So hat gibt es inzwischen in der Stadtteilbücherei Hubland eine „Bibliothek der Dinge“, die nach dem Motto „leihen statt kaufen“ funktioniert. Ob Nähmaschine, Akkuschrauber, Wanderstöcke, Fahrradtaschen, Sackkarre, Powerbank oder Strandwagen: Lauter Nützliches, das man nur mal für kurze Zeit braucht, kann man dort einfach ausleihen.
Interessant und vorbildhaft ist in diesem Zusammenhang auch das Projekt „treibgut“ in München, eine „Materialinitiative“. Wie deren Mitbegründer, der Künstler Boris Maximowitz, im Interview für die Broschüre des Netzwerks Stadtkultur sagt, gibt treibgut wohl um die 80 Prozent des Abfalls, den man aus Kulturproduktionen sammelt, wieder weiter. „Wir holen das Material nicht nur ab, sondern machen teilweise auch die Demontagen. Das nennen wir dann nachhaltige Demontage. Es geht darum, die Materialien, die vor Ort verbaut sind, so zu demontieren, dass man sie überhaupt weiterverwenden kann.“
Der Aspekt, Ökologie mit Ökonomie im Betrieb von Kultureinrichtungen in Einklang zu bringen, ist einerseits angesichts angespannter Kommunalkassen zunehmend gefordert, andererseits kann hier Vorbildfunktion für die Zusammenschau von Klima und Kultur demonstriert werden, die sich die „nachhaltigen Kulturkommunen“ nicht nur als griffig-klingende Alliteration auf die Fahnen geschrieben haben. (Karin Dütsch)
Information: Die Broschüre Nachhaltige Kulturkommunen gibt es – jeweils kostenlos – zu Bestellen als Printversion oder als PDF-Download unter stadtkultur-bayern.de/index.php/stadtkultur/publikationen
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