Am 5. November 1921 fand in München die Beisetzung König Ludwigs III. von Bayern statt. Gleichzeitig wurde die Monarchie endgültig zu Grabe getragen. Eigentlich war diese bereits drei Jahre zuvor beendigt worden: nach dem Ersten Weltkrieg durch die Novemberrevolution.
Ungeachtet dessen glich der Trauerzug von der Ludwigskirche zum Dom einem Staatsbegräbnis. Abertausende Bürger*innen säumten den Weg. Und selbst der „rote“ Stadtrat hatte extra die Schließung der Betriebe für den Tag des Begräbnisses angeordnet und schulfrei gegeben, damit alle den schier endlosen Trauerzug verfolgen konnten. Die gesamte Staatsregierung der Weimarer Republik
und des Freistaats Bayern, Mitglieder des bayerischen Königshauses, Vertreter zahlreicher in- und ausländischer Adelshäuser, militärische und kirchliche Würdenträger, Vertreter der Universität sowie verschiedener Vereine und Einrichtungen reihten sich ein in den Trauerkondukt.
Die große Anteilnahme der Bevölkerung spiegelte die Treue zur bayerischen Monarchie wider, und nicht wenige hofften, Kardinal Faulhaber würde Kronprinz Rupprecht, der in der bayerischen Feldmarschallsuniform hinter dem Sarg schritt, im Rahmen seiner Trauerrede zum König ausrufen. Doch der Kardinal begnügte sich mit einem Bekenntnis zu Monarchie und Gottesgnadentum. Die über 800 Jahre währende Herrschaft der Wittelsbacher in Bayern war definitiv zu Ende. Benachbarten Monarchien erging es kaum besser, allen voran dem deutschen Kaiser Wilhelm II. und Kaiser Franz Joseph von Österreich. Der Habsburger hatte sich mehr als 60 Jahre gemüht, das riesige k.u.k.-Reich zusammenzuhalten.
Thematische Konzentration
Die diesjährige Bayerische Landesausstellung zeichnet unter dem Titel Götterdämmerung II das Ende der letzten Monarchen äußerst geschickt nach, gewissermaßen als Fortsetzung der fulminanten Ausstellung Götterdämmerung I, die 2011 auf Herrenchiemsee stattfand und in deren Mittelpunkt König Ludwig II. von Bayern stand. Auch die gleichzeitig konzipierte Folgeausstellung sollte dort gezeigt werden, doch pandemiebedingt wurde sie ins Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg umgesiedelt – und das entpuppt sich letzten Endes ganz und gar nicht als Notlösung: Durch die engere räumliche Konzeption ergeben sich Durchblicke und wird die Betrachtung dichter, konzentrierter und vielschichtiger: Das Ende der Monarchien erfährt man im Kontrast zum Beginn einer neuen Zeit mit neuen „Göttern“, vor allem aus Wissenschaft, Technik und Kunst.
Götterdämmerung II beginnt folgerichtig nach dem Tod König Ludwigs II. im Jahr 1886 mit seiner sowohl seinerzeit als auch heute im Museum eindrücklich inszenierten Aufbahrung und dem Trauerzug durch die von Menschenmengen über und über schwarzen Straßen von München. Otto hieß damals der neue König von Bayern – doch der Bruder Ludwigs II. war krank. Für ihn übernahm sein Onkel Luitpold als „des Königreichs Bayern Verweser“ – kurz: als Prinzregent – die Geschäfte, bis er 1912 im Alter von 91 Jahren verstarb. Ihm folgte sein Sohn Ludwig III. als letzter Monarch des Landes.
In Österreich, im unübersichtlich großen Habsburger-Reich, regierte Kaiser Franz Joseph seit 1848 und bis zu seinem Tod 1916. In England herrschte Königin Victoria – die „Großmutter Europas“ mit 40 Enkelinnen und Enkeln und 88 Urenkelinnen und Urenkeln – zwischen 1837 und 1901. Die jüngeren in der ersten Riege der Mächtigen waren der russische Zar Nikolaus II. und der deutsche Kaiser Wilhelm II. in Berlin, ein Enkel der Queen.
Wie überhaupt all die europäischen Potentaten, ebenso wie die kleineren regierenden Häuser, versippt und verschwägert waren – wobei die Verhältnisse nicht immer ungetrübt erscheinen. Man denke nur an Wilhelm II., der seine Mutter Viktoria (genannt Vicky), die Tochter der englischen Königin Victoria, im Unguten aus Berlin verbannte. Doch die einzelnen Familienzweige hielten Kontakt, feierten gemeinsam pompöse Feste und ließen kaum eine Gelegenheit zur monarchischen Repräsentation ungenutzt verstreichen. Jedes Regierungsjubiläum wurde groß in Szene gesetzt.
Lauter Attentate
Noch 1913, im letzten Friedensjahr vor dem Ersten Weltkrieg, scheinen die monarchischen Oberhäupter und ihre Familien die allgemein angespannte Situation nicht als Bedrohung wahrgenommen zu haben – auch wenn sie die Augen vor den Attentaten, etwa auf die österreichische Kaiserin Elisabeth (Sisi), den König und den Kronprinzen von Portugal und den italienischen König, sowie vor der Erschießung Maximilians von Mexiko (eines Bruders Kaiser Franz Josephs) nicht verschließen konnten.
Dem zum Trotz wurde über mehrere Wochen in Russland das 300-jährige Thronjubiläum der Romanows begangen. In Berlin feierte man die Traumhochzeit Viktoria Luises, der einzigen Tochter Kaiser Wilhelms II., mit dem Welfenprinzen Ernst August. Es war eine Herzensverbindung, die gleichzeitig eine langjährige Feindschaft der beiden Familien beendete. 1155 Gäste nahmen an den Festtafeln Platz. Unter ihnen der britische König Georg V. und Zar Nikolaus II., ein Cousin des Brautvaters. Und anlässlich des 25-jährigen Thronjubiläums Kaiser Wilhelm II., dessen Vorbereitung mehr als zwei Jahre in Anspruch genommen hatte, schenkten die deutschen Bundesfürsten ein prachtvolles silbernes „Staatsschiff“ (ein wahrhaft glänzendes Prunkstück der Ausstellung). Leider wurde es damals nicht rechtzeitig fertig und konnte erst mit fast 15-jähriger Verspätung überreicht werden. Da war Wilhelm längst Ex-Kaiser und im niederländischen Exil.
Auch in Bayern fand man 1913 Gründe zum Feiern: Unter anderem wurde in der Befreiungshalle bei Kelheim bei einem monumental inszenierten Festakt des Sieges über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig ein Jahrhundert zuvor gedacht.
Ein Jahr später, am 28. Juni 1914, fielen die Schüsse in Sarajevo, die den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie tödlich trafen. Die Folge: der Erste Weltkrieg.
Exquisite Exponate
In der Ausstellung werden die handelnden Personen und ihre Familienangehörigen anhand von zum Teil spektakulären Exponaten und beeindruckenden (auch filmischen) Installationen vorgestellt, allen voran die Wittelsbacher einschließlich der österreichischen Kaiserin Elisabeth, einer geborenen Prinzessin in Bayern, und deren Familie, aber auch die „neuen Götter“ sowie deren Erfindungen und Produkte. Prachtvolle Gemälde und königliche Souvenirs stehen neben ersten Autos und Fahrrädern, Sisis Kleider und Teeservice neben Uniformen und Fotos aus dem Krieg – eine eindrucksvolle Dokumentation der Ära der Zeitenwende. (Cornelia Oelwein)
Information: Bis 16. Januar 2022. Haus der Bayerischen Geschichte – Museum, Donaumarkt 1, 93047 Regensburg. Aktuelle Öffnungszeiten unter www.museum.bayern.de
Abbildung:
Max Slevogt porträtierte Prinzregent Luitpold von Bayern als Stellvertreter des Großmeisters des Hausritterordens vom Heiligen Georg. (Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen)
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