Kultur

„Kniende“ (1911, Ausschnitt - ganze Abbildung im Text)) von Wilhelm Lehmbruck. (Foto: Tomas Riehle)

04.03.2016

Vergeistigte Wesen

Skulpturen und Zeichnung von Wilhelm Lehmbruck im Museum Lothar Fischer

Wilhelm Lehmbrucks Kniende, 1911 in Paris entstanden und noch im selben Jahr im Pariser Herbstsalon ausgestellt, erregte Aufsehen, auch Irritation. Der Kunstkritiker Theodor Däubler nannte die Kniende „das Vorwort zum Expressionismus in der Skulptur“, der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe hingegen sprach abfällig von „verrückter Gotik“ und fand, die Figur sei ein „Machwerk … alles Mögliche, nur keine Plastik“. Nachdem er aber die Kniende wiederholt eingehend betrachtet hatte, ließ er sich bekehren vom Zauber und der „stillen Anmut“ der in sich gekehrten Figur. Dann verstand er Lehmbrucks plastische Sprache, die Figur mit der erhobenen Hand, die in direktem Kontakt mit dem geneigten Antlitz der Knienden steht, deren übergroßer Fuß weit zurückgesetzt ist. In der damaligen Bildhauerei steht die Kniende für ein neues Ideal der weiblichen Figur. Schlank, fast ausgezehrt, in sich gekehrt und vergeistigt, kennzeichnet sie auch im Werk Lehmbrucks einen Stilwandel. Die Nazis ächteten Lehmbrucks Werk, ein Exemplar der Knienden fiel ihnen zum Opfer. Doch schon bei der ersten documenta 1955 in Kassel war sie der Blickfang. Sie zählt zu den Hauptwerken des Künstlers und steht nun im Museum Lothar Fischer in der Ausstellung Wilhelm Lehmbruck (1881 bis 1919) Porträts und anderes, glücklich platziert vor der Glasfassade mit Blick in den Park, sodass sie ganz für sich gesehen werden kann. In enger Nachbarschaft ist der Geneigte Frauenkopf platziert, Teil der Büste der Knienden. In der knapp 30 Arbeiten umfassenden Ausstellung aus der Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum konzentriert man sich auf das Porträt, auf die Büsten wie auf die Zeichnungen. Da sind die Jünglingsbüste (1913/14 in Ton) und der Kopf einer alten Dame (Mme. Germain, Steinguss), anhand derer man gut sehen kann, wie der Künstler das Material Ton manipulierte, um einen manchmal täuschenden Oberflächencharakter zu erzielen. Unscheinbar an einem Pfeiler steht das Marmorbildnis eines Mädchenköpfchens, eine frühe bildhauerische Arbeit, 1903/04 noch in der Tradition des 19. Jahrhunderts in der Düsseldorfer Akademiezeit entstanden. Lehmbruck arbeitete meist in Ton oder Gips, danach erst entschloss er sich, eine Figur in Steinguss oder Bronze ausführen zu lassen. Bildhauerische Versionen entstanden nur für Sonderaufträge.

Erstmals öffentlich

Plastik, Zeichnung und Malerei sind im Werk gleichberechtigt. Die Ausstellung zeigt eine Reihe von Zeichnungen zum ersten Mal in der Öffentlichkeit. Die Blätter sind von Konzentration auf das Wesentliche gekennzeichnet; Lehmbruck sucht auch hier danach, wie sich die Wesenszüge der Persönlichkeit in ihrem Äußeren finden lassen. Nicht eine nur naturalistische Porträtähnlichkeit war ihm wichtig, nicht die Dynamik einer Figur, sondern ihre Konzentration auf sich selbst, ihre Verinnerlichung machte er sichtbar. Darin unterscheidet er sich von dem Giganten Rodin. (Ines Kohl) Information: Bis 22. Mai. Museum Lothar Fischer, Weiherstraße 7a, 92318 Neumarkt. Mi. bis Fr. 14-17 Uhr, Sa./So. 11-17 Uhr. www.museum.lothar-fischer.de Abbildung: „Kniende“ (1911) von Wilhelm Lehmbruck. (Foto: Tomas Riehle)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.