Kultur

Regelrecht erschlagen von der Welt: Corinne Winters als Káta Kabanová in der Mineralwasser-Bar. (Foto: Bayerische Staatsoper/Geoffroy Schied)

21.03.2025

Wenn die Gesellschaft mordet

Unerhört gut: Eine neue „Káta Kabanová“ an der Bayerischen Staatsoper

Er inszeniert viel. Nur wenige Regisseure sind im Opernbetrieb derart präsent wie Krzysztof Warlikowski. Für ihn ist das erfreulich, allerdings steigt auch das Risiko einer Redundanz. Daran schwächelten einige seiner letzten Operninszenierungen. Seit knapp einem Jahr aber scheint der gebürtige Pole einer Vorhersehbarkeit seiner Regie-Kunstgriffe mehr und mehr zu entfliehen. Schon die Inszenierung der Dostojewski-Oper Der Idiot von Mieczyslaw Weinberg bei den Salzburger Festspielen 2024 wirkte wie ein Befreiungsschlag.

Mit der Neuproduktion des Dreiakters Káta Kabanová von Leos Janácek  aus dem Jahr 1921, die am Münchner Nationaltheater Premiere hatte, legt Warlikowski nun nach. Er verzichtet ganz auf kryptisches Denkfieber und entfesselt eine fast schon sinnliche Erzählkunst. Seine Bilder, die er mit seiner Ausstatterin Malgorzata Szczesniak entwirft, leuchten ein und sind verständlich.
Schon vor Beginn der eigentlichen Oper sieht man eine „Mineralwasser“-Bar, in der sich eine Gesellschaft im Tangoschritt vergnügt. Die Bewegungen wirken holzschnittartig und entmenschlicht: ein makabrer Totentanz. Denn diese Gesellschaft bringt den Tod, und wer dabei unter die Räder kommt, ist die tragische Titelheldin. Sie verkümmert zusehends in einer spießigen, emotionslosen Ehe in der russischen Provinz an der Wolga.

Tichon, der Ehemann Katás (etwas blass: John Daszak), erkennt zwar die Boshaftigkeit seiner herrischen Mutter Kabanicha (eindrucksvoll: Violeta Urmana), ist aber zu schwach. Während er unterwegs ist, beginnt seine Frau eine Affäre mit Boris (stupend: Pavel Cernoch). Mit seinem geschminkten Gesicht ähnelt er dem fiesen Joker. Tatsächlich schaut dieser Boris unbekümmert zu, wie Káta zusehends in den Abgrund driftet.

Das Wasser spielt eine zentrale Rolle, und aus der Mineralwasser-Bar wird bald die Wolga. Káta stürzt sich am Ende in die kalten Fluten des breiten Stromes. Bis dahin aber kommt sie der Welt immer mehr abhanden, wähnt sich am Rand einer seelenlosen Gesellschaft. In einem Schaufenster wird auch Káta ausgestellt: buchstäblich zur Schau gestellt, auch mit Handkamera-Aufnahmen.
Wie das Corinne Winters ausgestaltet, das ist allergrößte Gesangs- und Darstellungskunst. Die US-amerikanische Sopranistin singt und spielt nicht nur Káta, sie schlüpft buchstäblich in ihre Existenz. Diese Partie zählt zu den großen Glanz- und Paraderollen von Winters. Als Káta hatte sie 2022 bei den Salzburger Festspielen debütiert.

Diese Sensation konnte sie nun bei ihrem Hausdebüt an der Bayerischen Staatsoper fortsetzen. Für Winters brach auf der Premiere in München ein Jubelsturm los. Auch für den Dirigenten Marc Albrecht und das Bayerische Staatsorchester gab es stürmischen Beifall, und dies absolut zu Recht.

Nach den recht matten Leistungen seit Beginn dieser Spielzeit präsentierten sich das Orchester und der Staatsopernchor von ihrer stärksten Seite. Da wurde nichts forciert, sondern jeder Klang nuancenreich und fließend verlebendigt: unerhört gut! (Marco Frei)
 

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