Kultur

In einer raumfüllenden Installation zeigt das Museum Werdenfels historische Gewänder. Zur Jubiläumsschau gibt es aber auch viel zeitgenössische Kunst zu sehen. (Foto: Museum Werdenfels)

17.04.2025

Wo die Gewänder von der Decke hängen

Das Museum Werdenfels feiert sein 100-jähriges Bestehen mit einer Sonderausstellung, die auch zeitgenössische Kunst einbezieht

Als Constanze Werner vor zwei Jahren die erste hauptamtliche Leiterin des Museums Werdenfels wurde, sah sie sich zwei Herausforderungen gegenüber: Zum einen fand sie im Bestand rund 10.000 äußerst unterschiedliche Objekte mit teils nur rudimentären Angaben dazu vor. Zum anderen stand ein besonderes Datum an: das 100-jährige Bestehen des Landkreismuseums von Garmisch-Partenkirchen im Jahr 2025. Sie machte gewissermaßen aus der Not eine Tugend: Sie konzipierte eine Sonderausstellung, die sie "Tausende Objekte und noch viel mehr Geschichte(n)" nannte – mit dem Versprechen einer Zeitreise durch 7000 Jahre Kulturgeschichte der Region.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen aber nur 200 Objekte. 100, die der Mensch am Körper trug – zu sehen in einer raumfüllenden Installation –, und weitere 100, mit denen der Mensch seine Umgebung gestaltete. Die Auswahl der Stücke habe ihr große Freude bereitet, sagt Werner. „Ich habe immer wieder Überraschendes entdeckt.“

Mieder von Vorbesitzerin in alter Truhe gefunden

Ihr Highlight ist ein Mieder aus dem 19. Jahrhundert. Das mit Metallfäden durchzogene und mit Pailletten und Applikationen bestückte Mieder aus bedrucktem Leinenstoff tauchte in einer Truhe auf, die schon vor dem Einzug des Museums im Haus gestanden hatte. Das historische Handelshaus aus dem 18. Jahrhundert im Zentrum Partenkirchens wurde nämlich erst 1973 zur Heimat des Museums. Das Mieder gehörte offenbar der früheren Dame des Hauses, das sich direkt an der früheren Handelsroute zwischen Augsburg und Venedig befindet.

Gespiegelt werden die historischen Objekte von aktueller Kunst, und zwar auf der gesamten Ausstellungsfläche von 1600 Quadratmetern, vom Keller bis zum Dachgeschoss. Die Museumschefin nennt das „künstlerische Interventionen“. So sind etwa Werke vom Berliner Objektkünstler Stephan Hann zu sehen. Hann fertigt aus weggeworfenen Blisterverpackungen ein Abendkleid oder aus Zelluloidfilmen einen Rock und setzt so ein Statement gegen Fast Fashion. Für das Museum hat er auch historische Kleidungsstücke, die ja früher noch von einer Generation an die nächste vererbt wurden, in Szene gesetzt.

Die Künstlerin Rita de Muynck beschäftigt sich in ihrer Installation Ausgewickelt – Follow The Girls mit dem Wickeln von Säuglingen und dessen historische Bedeutung. Den Bezug zum Museum stellt dabei der Brauch des sogenannten Fatschenkinds her: An Heiligabend stand in den Häusern im Herrgottswinkel früher ein in Seide, Spitzen und Rüschen gewickeltes Jesuskind aus Wachs in einem gerahmten Holzkasten. Ein solcher Kasten mit einer Glasscheibe an der Schauseite ist auch im Museum zu sehen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden Säuglinge tatsächlich noch gefatscht, also fest umwickelt. „Die Vorstellung dabei war, dass das Kind in Form gebracht werden muss“, erzählt Constanze Werner.

Zu sehen sind auch Werke der Bildhauerin Marie Ostler, die Glas und Berglandschaften zueinander in Beziehung setzt. Der Maler Alejandro Valbuena hat den historischen Schlafraum mit einer besonderen Lichtstimmung verfremdet. Dazu ist auch der Lichtkünstler Michael Gene Aichner mit einer Installation vertreten. Michael Popp und Thomas Hoffmann laden die Besucherinnen und Besucher in ihre Klanglandschaften ein. „Wir müssen als kulturhistorische Museen neue Wege gehen“, fordert die Museumsdirektorin. Es gehe zwar darum, die Geschichte der eigenen Region zu erzählen, aber nicht im Sinne eines klassischen Heimatmuseums.

Statt eines Katalogs hat das Museum 200 Postkarten gestaltet. Eine Karte für jedes Objekt, das in der Sonderausstellung im Fokus steht. „Kein Mensch würde 80 Seiten lesen“, vermutet die Museumsleiterin. Mit den Postkarten könnten sich die Gäste stattdessen die Informationen herauspicken, die sie besonders interessieren. Am vergangenen Wochenende wurde die Ausstellung eröffnet – und die Resonanz war ausgesprochen gut, sagt Werner. „Die waren alle begeistert. Ein Besucher aus Köln hat sogar 600 Euro spontan gespendet, ein US-Amerikaner aus Virginia 60 Euro. Das habe ich so auch noch nicht erlebt.“ Am ersten Wochenende kamen mehr als 100 Gäste – dafür, dass die Tourismussaison noch gar nicht richtig losgegangen ist, ist das ein sehr guter Wert.

Sammlung von 1895 bildete die Grundlage

Grundlage des Museums war übrigens eine Sammlung von 300 historischen Kunstwerken und Alltagsgegenständen, die 1895 für die Distrikts-Zeichen- und Schnitz-Schule Partenkirchen angelegt wurde. Sie sollten als Lehrmaterial dienen. Der aufkommende Tourismus in der Region ließ Rufe nach einer Dokumentation von Kultur und Geschichte der Heimat aufkommen. Dank zahlreicher Spenden kam es dann schließlich am 21. Mai 1925 zur Museumsgründung am Rathausplatz. Fast 50 Jahre sollten die neun Räume die damals Werdenfelser Bezirksmuseum genannte Kultureinrichtung beherbergen.

1973 erfolgte der Umzug in das größere Haus an der Ludwigstraße, in der sich das Museum heute noch befindet. Die letzte große Veränderung gab es 2018. Da wurde das Museum erweitert. Erst da erhielt es die Sonderausstellungsfläche, in der nun 100 Trachtengewänder von der Decke hängen. (Thorsten Stark)

Bis 9. November. Museum Werdenfels, Ludwigstraße 47, 82467 Garmisch-Partenkirchen. Geöffnet von Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr (an gesetzlichen Feiertagen auch montags geöffnet).
www.museum-werdenfels.de 

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.