Kultur

Am Aschermittwoch ist alles vorbei – nur der Kater bleibt. Und wenn auch der besiegt ist, kann man vielleicht doch noch über Carl Olof Petersen Karrikatur von 1913 schmunzeln. Hier eine Ausschnitt, die komplette Karikatur sehen Sie im Artikel. (Foto: Musuem Georg Schäfer)

05.02.2016

Wohldosierter Schmerz

Witz und Wissen: Karikaturenausstellung im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt

Lachen befreit, kann aber auch verletzen. Nicht jeder amüsiert sich über Karikaturen, die Lächerlichkeit anprangern oder die Widersprüchlichkeit in Politik und Gesellschaft verspotten. Da gibt es auch Grenzen, da geht manches zu weit, vor allem wenn es anonym daherkommt im Internet. Freilich müssen Karikaturen provozieren. Dazu muss man notwendigerweise den Hintergrund kennen, damit man die Stoßrichtung des Witzes versteht. Eine gelungene Karikatur aber muss aktuell sein, treffen, in knappen, auch überraschenden Zügen fragwürdige Tendenzen oder Auswüchse aufgreifen. Das Verständnis erschwert ein großer zeitlicher Abstand zum heutigen Betrachter – so wie bei den historischen Exponaten der derzeitigen Ausstellung im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt. Sie zeigt unter dem kryptischen Titel Die Drahtseilkünstlerin Germania 60 Exponate aus dem Bestand und etwa 40 Leihgaben aus dem Zeitraum 1840 bis 1940. Die notwendigen Erklärungen sind beigefügt, nach deren Lektüre erschließt sich der Witz. So etwa bei der Drahtseilkünstlerin Germania, die über der einlaufenden deutschen Kriegsflotte in Tsingdao balanciert und so den kaiserlich-reichsdeutschen Kolonial-Traum glossiert. Solche Erläuterungen sind allerdings bei den „berühmten Zeitgenossen“, die der geniale Zeichner Olaf Gulbransson ab 1902 karikierte, nicht nötig; aus den mit wenigen Strichen, mit extremer Reduktion entworfenen Porträts von Prominenten lassen sich wesentliche Züge des Charakters ablesen. Oft sind sie nicht allzu schmeichelhaft. Einige der Exponate sind Vorzeichnungen zu späteren Drucken für die Satirezeitschriften Fliegende Blätter, Simplicissimus (berühmt für ihr Logo: die Zähne fletschende rote Bulldogge von Thomas Theodor Heine) und die Jugend.

Zensur und Verfolgung

Künstler wie Moritz von Schwind, Thomas Theodor Heine und Gulbransson, Eduard Thöny, Bruno Paul, Heinrich Zille oder Käthe Kollwitz und viele andere prangerten darin gesellschaftliche Missstände, Fehlentwicklungen und groteske Auswüchse an – etwa bei der Erziehung, dem deutschen Militarismus oder im gutbürgerlichen Alltag. Solche kritischen Blätter und Publikationen wurden oft verboten, die Künstler verfolgt, und die Nazi-Diktatur bedeutete schließlich das Ende dieser satirischen Zeitschriften. Dass Karikaturisten auch heute noch gefährlich leben, sah man beim Terror-Attentat auf Charlie Hebdo in Paris. Die Februar-Ausgabe 2015 dieser Satire-Zeitschrift spielt auf die Tradition der Karikatur an: Sie zeigt eine Bulldogge, die den armen kleinen Charlie-Hebdo-Hund jagt – allerdings ist hier die Rechtspopulistin Marine le Pen in das bissige Tier geschlüpft. Bei manchen historischen Zeichnungen wundert man sich, dass sie kaum bekannt sind. Das liegt freilich auch am Ort ihrer Veröffentlichung. Denn dass der Schweizer Paul Thesing wegen seiner bös entlarvenden Karikaturen gegen die Nazis (entstanden 1929/31), etwa mit einer Hitler-Gestalt, die „auf der Welle der sozialen Not“ schwimmt, später in Deutschland verhaftet worden wäre, liegt auf der Hand. Viele Karikaturisten ahnten oder sahen gefährliche Entwicklungen voraus, wollten aufrütteln. Freilich gibt es auch Karikaturen, die nur Schmunzeln hervorrufen – etwa wenn es um die Bayern geht, die bierselig und lädiert von einer Wallfahrt nach Andechs zurückkehren. Oder wenn sie sich über preußische Touristen und ihre Alpenromantik lustig machen, ebenso wie über die im 19. Jahrhundert entstehende Mode des Bergsteigens. Neben der inhaltlichen Aussage sind zeichnerische Klarheit und Knappheit Entscheidendes Qualitätskriterium einer Karikatur. Insofern sind gehören auch die die Werke von Zille oder Kollwitz als aufrüttelnde Momentaufnahmen der sozialen Missstände hier her: Ihnen fehlt zwar das Lächerliche, doch durch den Ernst ihrer Schilderung rütteln sie wach und schräfen das Bewusstsein für Not. (Renate Freyeisen) Information: Bis 6. März. Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt. Di. bis So. 10-17 Uhr, Do. 10-21 Uhr. www.museumgeorgschaefer.de Abbildung:
Am Aschermittwoch ist alles vorbei – nur der Kater bleibt. Und wenn auch der besiegt ist, kann man vielleicht doch noch über Carl Olof Petersen Karrikatur von 1913 schmunzeln.  (Foto: Musuem Georg Schäfer)

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