Kultur

Biblische Tragödie: Absalom bleibt auf der Flucht vor den Häschern seines Vaters, König David, mit seinem langen Haar an einem Baumgeäst hängen und wird getötet. Heftige Bewegung und expressive Farbigkeit charakterisieren Albert Weisgerbers Gemälde (1914), das die fatale Szene illustriert. Hier ein Ausschnitt, die Gesamtansicht finden Sie im Beitrag. (Foto: Elke Walford)

13.01.2023

Zwischen den Stilen

Die Aschaffenburger Kunsthalle Jesuitenkirche erinnert an den in Vergessenheit geratenen Albert Weisgerber

Eine der großen Begabungen in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts war ohne Zweifel Albert Weisgerber. 1876 in St. Ingbert (Saarland) geboren, starb er 1915 auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs – ebenso wie August Macke im Jahr vorher und Franz Marc 1916, aber im Gegensatz zu diesen beiden Malern ist Weisgerber weniger bekannt geblieben und heute weitgehend vergessen. Der Grund dafür ist wohl darin zu suchen, dass er ein Grenzgänger der Moderne war, sich in verschiedenen Stilen erprobte und ein heterogenes Werk hinterließ; außerdem ließ er sich in die damaligen Künstlervereinigungen nicht so leicht einbinden. Nun aber erinnert die Kunsthalle Jesuitenkirche in Aschaffenburg mit einer großen Schau an diesen Künstler.

Der Sohn eines Bäckers fiel früh auf durch sein zeichnerisches Talent. Er wurde ausgebildet als Dekorationsmaler, konnte in München die Kunstgewerbeschule und später die Akademie der Schönen Künste besuchen – als Schüler von Franz von Stuck. Angeregt durch Aufenthalte in Paris und durch Begegnungen zum Beispiel mit Hans Purrmann sowie Rudolf Levy im legendären Café du Dôme, durch die Einflüsse von Matisse und Cézanne ebenso wie von den Impressionisten Manet und Toulouse-Lautrec schuf er Bilder, die diese Inspirationen widerspiegeln. Finanzielle Stütze waren ihm Einnahmen als Illustrator der Münchner Wochenzeitschrift Jugend, wo er sich als herausragender Zeichner von Karikaturen bewies.

Der Mensch im Mittelpunkt

Den Weg zur Abstraktion beschritt Weisgerber nicht, er blieb immer im Bereich des Gegenständlichen. Der Mensch stand im Mittelpunkt seines Schaffens. In seiner Malweise zeigte er das Suchen, das Ringen um den Stil und die Farbgebung. Bei seinem Selbstbildnis von 1908 lässt sich noch eine gewisse Schwere ablesen, doch mit den Frankreich-Aufenthalten hellte sich seine Palette auf; da hatte er den Akademismus seiner Münchner Jahre aufgegeben. Seine Darstellung der nackten Afrikanerin Miss Robinson (1910) auf weißer Decke, die keineswegs die gängigen Ideale von schön und erotisch bedient, scheint vom Expressionismus beeinflusst. Hier geht es nicht um die vermeintliche Exotik von Naturvölkern, vielmehr um die Lagerung eines Körpers in einem Umfeld, das wie eine Landschaft wirkt.

Die Eindrücke vom „Après“ der Künstlerfeste, etwa vom Bal des 4 Arts (1906) mit berauschten Künstlern in farbigen Tüchern und mit liegendem Akt vor ihnen, reduzieren das Gegenständliche im Farbauftrag; die eher lässige Stimmung wird im spannenden, oft diagonalen Bildaufbau festgehalten.

Die frühesten Gemälde Weisgerbers in der Ausstellung sind ein Schnitter von 1902 und ein Bauernmädchen, das mit der Natur verwachsen erscheint. Die Biergartenszene mit den Sonnenstrahlflecken (1904), ein Jahrmarkt und Landschaften belegen seine intuitive Erfassung von Stimmungen. Unter anderem begab sich Weisgerber zur Freilichtmalerei in den Bayerischen Wald.

Besondere Intimität strahlt das Bild einer Schlafenden aus: Es ist seine Frau Margarete Pohl. Erneut ähnelt das Weiß des Bettzeugs in seiner Differenzierung einer Landschaft. Auch die Dame mit Windhund (1905) – wiederum seine wohlhabende Frau – besticht durch die meisterliche Abstufung der hellen Farbtöne.

Flirrendes Leben

Die Welt des Cabarets, des Zirkus und der Künstlercafés reizte ihn zu Szenen, in denen das Leben nur so flirrt. Dass er auch als Plakatentwerfer und als satirischer Zeichner Eindrucksvolles schuf, beweisen Blätter wie etwa das unterschwellig urkomische Im Sittlichkeitsverein.

Neben vielen herausragenden Porträts, die sogar teilweise unvollendet scheinen wie das Bildnis seines Gönners Ludwig Präger, wo ein Fuß fehlt, gibt es auch immer wieder Bilder seiner Familie. Sich selbst zeigt er zum Beispiel als Suchenden, der sinnend aus einem Fenster schaut (1913).

Erstaunlich ist, dass er sich oft biblischen oder mythologischen Szenen widmete; sie hatten wohl auch symbolische Bedeutung für ihn. Oft malte er die Figur des hl. Sebastian, eines still Leidenden unter den Qualen durch Pfeilschüsse; Jeremias wiederum ringt unter seinem Schicksal als Klagender; der Sieg Davids über Goliath findet in düsterer Umgebung statt.
Ein Hauptwerk Weisgerbers aber ist die Gestalt des Absalom ( Halbbruder Salomons), wie er sich auf der Flucht mit seinem Haar am Ast einer Eiche verfängt: Man sieht extrem heftige Bewegung und sehr expressive Farbigkeit. Das Interesse des Malers an solchen Darstellungen hing vielleicht mit der ungewissen Situation seines Künstlertums zusammen. Es endete 1915 jäh. (Renate Freyeisen)

Information: Bis 26. Februar. Kunsthalle Jesuitenkirche, Pfaffengasse 26, 63739 Aschaffenburg.
www.museen-aschaffenburg.de

Abbildung:

Biblische Tragödie: Absalom bleibt auf der Flucht vor den Häschern seines Vaters, König David, mit seinem langen Haar an einem Baumgeäst hängen und wird getötet. Heftige Bewegung und expressive Farbigkeit charakterisieren Albert Weisgerbers Gemälde (1914), das die fatale Szene illustriert.    (Foto: Elke Walford)

 

 

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