Kultur

Eigenwilliges Foto-Shooting: Juergen Teller fotografierte die britische Schauspielerin Charlotte Rampling, wie sie gemeinsam mit einem – natürlich zahmen – Fuchs aus einem Teller schlürft. (Foto: Juergen Teller/Kunstpalais)

03.03.2017

Zwischen Provinz und weiter Welt

Eine Fotoausstellung im Erlanger Kunstpalais zeigt, wie ungewöhnlich Juergen Teller seine Familie und Stars in Szene setzt

Bubenreuth, ein Dorf mitten in der fränkischen Provinz nördlich von Erlangen, ist – bestenfalls – wegen seiner Geigenbauersiedlung bekannt, in der nach dem Krieg die aus dem Sudetenland vertriebenen und geflüchteten Musikinstrumentenhersteller eine neue Heimat fanden. Jetzt rückt der international renommierte Modefotograf Juergen Teller, der 1964 in Bubenreuth in eine Geigenbauerfamilie hineingeboren wurde und später in London seine internationale Karriere startete, seine fränkischen Wurzeln in den Mittelpunkt von Foto-Shootings. Das Ergebnis ist in einer Ausstellung im städtischen Kunstpalais Erlangen zu sehen. Internationales Aufsehen erregte Juergen Teller in den frühen 1990er Jahren, als er Top-Models, wie Kate Moss und Kristen McMenamy, ungeschminkt und ungeschönt mit den Kreationen bekannter Designer fotografierte; auf Müllhaufen, zerlumpt in Schubkarren oder in intimen, freizügigen Posen: Ein neuer Stil in der Modefotografie, mit dem Teller die Welt der Mode entmystifizierte und damit einen neuen, schockierenden Fotostil prägte.

Mama und die Rocker

Dann brachte der Künstler seine Familie ins fotografische Spiel, als er im Katalog für eine Londoner Schmuck-Auktion die millionenschweren Preziosen und hochkarätigen Juwele nicht von Star-Models, sondern von seiner fränkischen Verwandtschaft – Mutter, Tanten und Geschwister – vorführen ließ. Am drastischsten demonstriert dieses fotografische Understatement ein Bild seiner Mutter, die im bequem-schlabbrigen Trainingsanzug in seinem Bubenreuther Kinderzimmer posiert und stolz den Schriftzug ihres berühmten Sohnes präsentiert. Oder wenn er wiederum seine Mutter zu seinen Foto-Sessions mitnimmt und mit Karl Lagerfeld oder inmitten einer Rock-Band ablichtet. Im Kontrast dazu zeigt die Erlanger Ausstellung auch Beispiele seiner gleichsam professionellen, sehr artifiziellen Fotografien, in denen er Promis und Celebrities, Stars und Sternchen in ungewöhnlichem Ambiente oder sehr privaten Situationen zeigt: die Fußball-Stars des FC Bayern München nicht im Fußball-Dress, sondern in Armani-Anzügen; Arnold Schwarzenegger, dessen Kopf im Rachen eines ausgestopften Krokodils steckt; Claudia Schiffer ohne Make-up mit Zigarette und die englische Filmschauspielerin Charlotte Rampling mit einem zahmen Fuchs, der mit ihr gemeinsam Milch aus einem Teller (!) schlürft. Gesteigert bis in surreal anmutende Inszenierungen entgleist diese zur Manier hochstilisierte Masche freilich nicht selten auch ins Geschmäcklerische und erschöpft sich in vordergründigen, nichtssagenden (Wort)Spielereien: ein Teller mit fränkischer Kartoffelsuppe in Groß- und Nahaufnahme oder ein Frosch auf einem Teller ist letztlich nicht mehr als banaler Foto-Ästhetizismus. Aber dafür entschädigen dann die Fotografien der Bamberger Symphoniker, die Juergen Teller auf einer Asien-Tournee begleitete. Oder das hinreißend nostalgische Video seines Bruders, der ein Volkslied aus der sudetendeutschen Familienheimat im weichen Dialekt des Böhmischen singt: Ironisch verfremdete Heimatseligkeit, die exemplarisch für Juergen Tellers fotografische Kunstwelten zwischen provinzieller Idyllik und der großen, weiten Welt steht. (Fridrich J. Bröder) Information: Bis 23. April. Kunstpalais, Palais Stutterheim, Marktplatz 1, 91054 Erlangen. Di. bis So. 10-18 Uhr, Mi. 10-20 Uhr. www.kunstpalais.de Abbildung:
"Mum on Stage with Bo Ningen". (Foto: Juergen Teller)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.