Landtag

Die "echte" Barbara Becker auf der Treppe im Landtag. (Foto: loh)

29.11.2019

Die Unverblümte

Abgeordnete im Porträt: Barbara Becker (CSU), Sprecherin für Fragen der Evangelischen Kirche

Barbara Becker (CSU) ist seit ihrem Einzug in den Landtag 2018 nicht gerade für ihre zurückhaltende Art bekannt. Einen Wettstreit mit den Grünen, wer die beste Umweltpartei ist? Würde die CSU immer verlieren, sagte die Umweltpolitikerin und Sprecherin für Fragen der Evangelischen Kirche kürzlich. Die Nachwuchskräfte in der Jungen Union? Erfüllten mit ihren schlecht sitzenden Anzügen und langweiligen Haarschnitten das Klischee einer wertekonservativen Partei. Ganz schön mutig für einen Landtagsfrischling.

Manchmal bereut Becker (50) ihre direkte Art. „Ich überschreite gelegentlich Grenzen – wenn auch nicht immer willentlich“, bekennt sie. Künftig will sie noch mehr darauf achten, diplomatisch zu sein. „Andererseits finden es meine Ortsvorsitzenden in Kitzingen gut, dass ich meist Klartext spreche.“ So wisse man immer, woran man ist. Insofern kann ihr Motto „Das kriegen wir gebeckert“ in Anspielung an ihren Nachnamen auch durchaus als Warnung verstanden werden – #gebeckert, heißt es regelmäßig auf Facebook.

Becker wurde in Schweinfurt in eine Winzerfamilie geboren. Schon als Kind half sie auf dem elterlichen Weinberg. Erste politische Erfahrungen sammelte Becker, als der landwirtschaftliche Betrieb 1973 auf Bio umgestellt wurde – damals noch für viele eine Provokation. Im Ort kam es öfter zu Problemen mit Bio-Gegnern. In der Schule kämpfte sie als Schülersprecherin erfolgreich dafür, den Samstagsunterricht abzuschaffen. Schon mit 14 Jahren engagierte sie sich in der Evangelischen Landjugend, mit 17 Jahren war sie Landesvorsitzende.

Nach dem Abitur folgte sie dem Traum ihrer Mutter und studierte 1988 in Bamberg Lehramt fürs Gymnasium. Schnell merkte Becker, dass dies nicht ihr Traum ist. Sie schmiss das Studium und studierte stattdessen Diplom-Pädagogik – dieses Mal bis zum Abschluss. Ihre Schwerpunkte Psychologie und Arbeitswissenschaft halfen ihr bei ihrem späteren Unternehmen.

Wer motzt, den zitiert sie zu sich in die Bürgersprechstunde

In die Politik kam Becker erst 2008. Zwar wurde sie als Landjugendvorsitzende von verschiedenen Parteien zu einer Kandidatur gedrängt, aber sie wollte erst einmal Berufserfahrung sammeln: „Mir war damals noch nicht klar, dass sich so eine Chance im Leben selten ein zweites Mal bietet“, sagt die Abgeordnete und lacht.

Ihr damaliger Freund und jetziger Mann, von Beruf Polizist, hat Becker geraten, sich selbstständig zu machen – weil sie sich nie in einer Linie einordnen werden könne. Also gründete sie ihre eigene Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Führung und Strategie. Ihr „Baby“ als Landtagsabgeordnete aufzugeben, fiel ihr nicht leicht. Warum sie sich schlussendlich für die CSU entschieden hat? Ihr Vorgänger im Landtag, Otto Hünnerkopf, hatte sie überredet, auf einige Veranstaltungen der Christsozialen mitzukommen. Die Offenheit selbst alter Haudegen habe sie völlig überrascht und letztlich überzeugt, sagt Becker.

Im Landtag sitzt sie im Umwelt- und Gesundheitsausschuss. Im ersten Jahr als Abgeordnete hat sie vor allem das Bienen-Volksbegehren beschäftigt. Damit wurde sie in gewisser Weise vom gleichen Bio-Konflikt eingeholt, der schon während ihrer Kindheit zutage trat. Um die Wogen zwischen Umweltverbänden und Landwirten zu glätten, hat Becker im Stimmkreis einen runden Tisch eingerichtet. Bürger, die über zu viel Umweltbewusstsein oder über die Landwirte motzen, zitiert sie auch gerne mal zu sich in die Bürgersprechstunde.

Im Gesundheitsbereich will die Abgeordnete insbesondere die Entbürokratisierung der Pflege vorantreiben. Ihr erster Landtagsantrag zielt auf die Abschaffung des medizinischen Diensts der Krankenversicherung ab. Dieser unterstützt die Kranken- und Pflegekassen in medizinischen und pflegerischen Fragen im Sinne der Versicherten. „Die haben gute Arbeit gemacht, aber die Doppelstruktur belastet die Pflege“, erklärt Becker. Dass dies viel Kritik hervorrufen wird, ist ihr bewusst.

Singen, Yoga, Wein ernten – in ihrer Freizeit ist Becker vielseitig

Als Sprecherin für Fragen der Evangelischen Kirche ist die Seenotrettung von Flüchtlingen derzeit Beckers Hauptthema. Wenn nachgeordnete Organisationen wie Diakonie oder Caritas sich ein Schiff kaufen und tätig werden würden, hätte sie damit kein Problem. Dass jetzt aber der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm gemeinsam mit der Organisation Sea-Watch ein Schiff zur Flüchtlingsrettung ins Mittelmeer schicken will, hält sie für … – „das muss der Landesbischof selbst entscheiden“, beendet sie den Satz. Diese diplomatische Hürde nimmt sie.

Zahm gibt sich die Frauen-Union-Vorsitzende in Kitzingen und die bekennende Quotenanhängerin im Gespräch bei der Forderung nach einer Frauenquote. Der CSU-Parteitag, der die verpflichtende Ausweitung der Frauenquote abgelehnt hat, sei zwar ernüchternd gewesen. „Jünger, digitaler und weiblicher werden heißt aber auch, die Älteren nicht zu vergessen“, sagt Becker. Dazu brauche es einen langsamen und bedächtigen Prozess, unterstreicht sie. Und zitiert den französischen Schriftsteller Victor Hugo: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

Als Mitglied der CSU-Reformkommission setzt sich Becker ähnlich wie Parteichef Markus Söder für ein moderneres Veranstaltungsdesign ein. Statt Weißbier und Vorträgen fordert sie beispielsweise Workshops und gemeinsame Spaziergänge. Außerdem verlangt sie: keine Abendveranstaltung ohne Kinderbetreuung, weniger Fachbegriffe ohne Erklärung, weniger Hinterzimmergespräche und weniger reden – und dafür mehr zuhören. Die Punkte kann sie blitzschnell runterbeten. Für ihr Engagement bei der Vernetzung von Frauen und Politik erhielt sie 2015 vom Bundesfamilienministerium den Helene-Weber-Preis verliehen.

Privat hat sich bei Becker durch den Einzug in den Landtag nicht viel geändert. „Es macht keinen Unterschied, ob ich wegen Sitzungen in Kitzingen oder in München nicht zu Hause bin“, erklärt sie. Vor der Kandidatur habe sie aber natürlich ihren Mann, ihren Sohn (19) und ihre Tochter (22) um Erlaubnis gefragt. Alle hätten nur gestrahlt und gesagt: Mach das! Ihre Kinder sind inzwischen auch politisch aktiv – bei der Jungen Union. In ihrer Freizeit singt Becker in einer A-cappella-Gruppe, geht joggen, walken, macht Yoga oder Krafttraining. Auch die Arbeit auf dem Weinberg entspannt sie.

Ob Becker manchmal auf die gleichnamige Ex-Ehefrau des früheren Tennisspielers Boris Becker angesprochen wird? Ja, antwortet sie. Das sorge beim Zahlen mit EC-Karte immer wieder mal für einen Lacher. Sie sagt dann immer: „Ich bin die Echte.“ (David Lohmann)

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