Seit dem Ende der Corona-Pandemie steigen die Zahlen häuslicher Gewalt in Bayern wieder. Zu den Betroffenen zählen auch immer mehr Männer. Im Sozialausschuss berichteten Vertreter mehrerer Ministerien, wie Prävention und Opferschutz verbessert werden sollen – beispielsweise durch sogenannte Second-Stage-Angebote.
Die Staatsregierung strebt den flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen für Opfer häuslicher Gewalt an. Das erklärte die im Sozialministerium zuständige Abteilungsleiterin für Frauenpolitik, Gleichstellung und Prävention, Christiane Nischler-Leibl, im Sozialausschuss. Zuständig für die Einrichtungen seien jedoch die Kommunen. Der Freistaat beteilige sich an den laufenden Kosten und könne finanzielle Anreize zum Ausbau der Versorgungsinfrastruktur schaffen. Im Staatshaushalt stünden dafür mehr als 42 Millionen Euro zur Verfügung.
In Bayern gibt es derzeit 41 staatlich geförderte Frauenhäuser mit rund 400 Plätzen, dazu 36 Fachberatungs- und 31 Interventionsstellen sowie in jedem Regierungsbezirk eine Täterberatungsstelle. Auch dieser Aspekt dürfe im Sinne von Konfliktlösung und Prävention nicht vernachlässigt werden, betonte Nischler-Leibl. Sie räumte ein, dass Bayern mit seinen Angeboten „noch nicht völlig bedarfsgerecht ausgestattet“ sei. Der Ausbau komme aber dank Mittelerhöhungen in den vergangenen Jahren gut voran. Sie verwies darauf, dass die Bedarfe in Städten und auf dem Land unterschiedlich seien. Der Aufbau zusätzlicher Beratungskapazitäten sei zudem erforderlich, um die wachsende Zahl von häuslicher Gewalt betroffener Männer aufzufangen. Deren Anteil liege inzwischen bei rund 30 Prozent.
Mit Blick auf die Frauenhäuser sagte Nischler-Leibl, dass im Durchschnitt rund ein Viertel der betroffenen Frauen bis zu 14 Tage in den Einrichtungen verbringe, ein weiteres Viertel bis zu 70 Tage. Bei den restlichen Betroffenen könne der Aufenthalt mehrere Monate dauern. Wünschenswert wären möglichst kurze Verweildauern, betonte Nischler-Leibl. Eine Entlassung aus den Einrichtungen komme aber nur infrage, wenn für die Frauen und gegebenenfalls auch ihre Kinder ein gewaltfreies Leben gesichert sei.
Zu einem erfolgreichen Angebot hätten sich sogenannte „Second-Stage-Angebote“ entwickelt. Diese Unterkünfte stellten für Frauen einen „geschützten Übergang“ vom Frauenhaus in ein möglichst gewaltfreies Leben dar, erläuterte Nischler-Leibl. Gedacht seien sie für Frauen, die die Frauenhäuser verlassen, aber nicht gegen ihren Willen in eine Gewaltbeziehung zurückkehren wollten. Derzeit gebe es diese Angebote bereits an 23 Standorten mit 107 Plätzen. Sie sorgten für eine Entlastung in den Frauenhäuser, weil dort Akut-Plätze schneller frei würden.
Nächstes Jahr kommt die "vertrauliche Spurensicherung"
Auf ein neues Unterstützungsinstrument für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen verwies Sebastian Arnold aus dem Gesundheitsministerium. Voraussichtlich ab dem kommenden Frühjahr werde es die Möglichkeit zur „vertraulichen Spurensicherung“ geben. Ein entsprechender Vertrag des Freistaats mit den Krankenkassen zur Kostenübernahme stehe kurz vor der Unterschrift. Im Rahmen der „vertraulichen Spurensicherung“ könnten sich Frauen im Krankenhaus oder bei niedergelassenen Ärzten ihre Verletzungen dokumentieren lassen, um sie bei einer späteren Anzeige gegen den Täter vorbringen zu können. Viele Frauen scheuten derzeit davor zurück, die Verwundungen von Polizei oder Gerichtsmedizinern aufnehmen zu lassen und diese damit sofort aktenkundig werden zu lassen, so Arnold. Das neue Angebot verschaffe ihnen Zeit, sich mit der Situation auseinanderzusetzen und die Entscheidung über eine Anzeigeerstattung ohne Druck zu treffen.
Der CSU-Abgeordnete Thomas Huber lobte das „umfassende Schutznetzwerk“ für Opfer häuslicher Gewalt im Freistaat. Es umfasse von Prävention über Opferschutz bis hin zur Tataufklärung alle Bereiche. „Trotzdem dürfen wir nie aufhören, noch besser zu werden“, sagte Huber. Lob kam auch von Christiane Feichtmeier (SPD). Allerdings müsse der Ausbau der Plätze in Frauenhäusern und der Beratungsangebote auf der Tagesordnung bleiben. Das gelte vor allem für die ländlichen Regionen, wo die Angebote „oft recht dünn“ seien. (Jürgen Umlauft)
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