Der Pfaffenhofener Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU) steht im Visier der Justiz – und das seit mindestens drei Jahren. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen den Politiker wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Über die laufenden Ermittlungen berichtete das Recherchezentrum CORRECTIV am Freitag als Erstes.
Nach Recherchen der Bayerischen Staatszeitung soll der 49-Jährige eine hohe sechsstellige Summe an Steuern hinterzogen haben. Es gilt die Unschuldsvermutung. Straub bestreitet die Vorwürfe. „Die gegen mich erhobenen Vorwürfe weise ich zurück, da die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.“ Er habe zudem keine Vorteile für sich selbst zu erwirken gesucht, teilt Straub weiter mit.
Ehemalige Mitarbeiter sprechen von etwa einer Million Euro Steuerschaden
Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Karl Straub vor, dass er in seiner Funktion als Geschäftsführer und Gesellschafter der Autohaus Straub GmbH seit dem Jahr 2012 zu wenig Steuern an das Finanzamt abgeführt haben soll. Straub schweigt zu diesem Vorwurf. Ein Informant mit Kenntnis der Akten behauptet, die Summe an mutmaßlich hinterzogener Steuer liege bei knapp unter einer Million Euro. Ähnlich äußern sich drei ehemalige Mitarbeiter Straubs. Sie berichten, dass im Jahr 2018 die Summe von ungefähr einer Million Euro Steuerschaden unter der Belegschaft kursierte. Straub selbst möchte aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht sagen, wie hoch die Summe sein soll, die ihm die Ermittler anlasten. Zur Höhe der mutmaßlich hinterzogenen Steuer gibt auch die Staatsanwaltschaft offiziell keine Auskunft. Es steht jedoch fest, dass es sich um eine hohe Summe gehandelt haben muss, wegen der Straubs Firma wohl pleite ging.
Der Landtagsabgeordnete aus dem Stimmkreis Pfaffenhofen an der Ilm betrieb mit seinem Unternehmen bis zur Insolvenz im Dezember 2018 drei Autohäuser in Wolnzach, Pfaffenhofen und dem niederbayerischen Mainburg.
Die frühere Firmenzentrale in Wolnzach bekam mehrfach Besuch von Augsburger Steuerfahndern.
Die Staatsanwaltschaft München II führt zusammen mit der Steuerfahndung sowie der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Augsburg-Stadt (BuStrA) die Ermittlungen im Fall Straub.
Duchsuchungen durch die Steuerfahndung
Am 10. Januar 2018 rückten die Finanzbeamten zum ersten Mal in Wolnzach an. Sie durchsuchten die Geschäfts- und Privaträume Karl Straubs. Vor allem Straubs Büro im Geschäft, die Buchhaltung sowie dessen Wohnhaus sollen die Steuerfahnder durchsucht haben. Straub bestätigt die Durchsuchungen.
Im Sommer 2018 rückten die Steuerfahnder erneut an. Dieses Mal sollen sich die Augsburger Ermittler auf elektronische Geräte konzentriert haben. Seine privaten Computer seien aber nicht beschlagnahmt worden, sagt Straub. Die Steuerfahnder haben offenbar eine Menge Arbeit in Ihre Ermittlungen gesteckt, die Akte zum Fall Straub soll weit mehr als 1000 Seiten umfassen.
Die Durchsuchungen hielten CSU-Politiker Straub nicht davon ab, sich weiter politisch zu betätigen. Während die Ermittlungen gegen ihn liefen, ließ er sich zum zweiten Mal in den bayerischen Landtag wählen. Dort hält er seit 2013 ein Mandat. Straub gehört im bayerischen Landtag dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen sowie dem Petitionsausschuss an. In dieser Funktion kontrolliert Straub unter anderem das Justizministerium, das die Staatsanwaltschaft beaufsichtigt, die wiederum gegen Straub ermittelt. Liegt hier ein Interessenkonflikt vor? Straub dementiert: „Als Mitglied des Rechtsausschusses vertrete ich keine widerstreitenden Interessen.“ Er habe nie versucht auf die Ermittlungen Einfluss zu nehmen, sagt Straub weiter.
Straub meldete 2018 Insolvenz an
Im Landtag sitzt Straub noch heute, für sein Unternehmen war 2018 jedoch Schluss. Straub meldete Insolvenz an. Der Grund: Angeblich seien „völlig überraschende Steuernachforderungen in nicht aufbringbarer Höhe“ auf das Unternehmen zugekommen, wie Straub einer Regionalausgabe des Donaukuriers 2018 sagte. Die Insolvenz des Autohauses war öffentlich bekannt, ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Straub jedoch nicht.
„Völlig überraschende Steuernachforderungen“? Die Aussage des CSU-Abgeordneten wirft Fragen auf. Karl Straub wurde bereits im Januar 2018 bei der Durchsuchung als Beschuldigter belehrt. Demnach sollte wohl für Straub bereits Anfang des Jahres 2018, also fast zwölf Monate vor der Insolvenz, absehbar gewesen sein, dass eine Steuernachzahlung auf das Unternehmen zukommen könnte. „Nein, ich habe die Öffentlichkeit nicht belogen“, teilt Straub auf Anfrage mit. Er sagt aber auch: „Im Rahmen einer behördlichen Durchsuchung muss eine Belehrung stattfinden. Diese ist sehr korrekt erfolgt.“
Straubs Misere begann mutmaßlich schon im Jahr 2017. Auslöser des Ermittlungsverfahrens war nach Informationen der Bayerischen Staatszeitung eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt Ingolstadt. Die Finanzbeamten stießen dabei in der Buchführung der Autohaus Straub GmbH offenbar auf Unregelmäßigkeiten. Die im Buchführungssystem verbuchten Umsatzsteuern sollen den Finanzbeamten aufgefallen sein. Die Ergebnisse der Betriebsprüfung veranlassten dann wohl die Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung Ermittlungen einzuleiten. Straub schweigt dazu, ob die Betriebsprüfung des Finanzamts das Ermittlungsverfahren auslöste.
Straub erklärt, er kooperiere mit den Behörden
Straub will seine Steuerschuld angeblich begleichen. Nach Informationen der Staatszeitung verkaufte er das Grundstück seiner ehemaligen Firmenzentrale an das Wolnzacher Logistikunternehmen ARS Altmann. „Über den Inhalt des Kaufvertrags bin ich zum Stillschweigen verpflichtet“, teilt Karl Straub auf Anfrage mit.
Mehrere ehemalige Mitarbeiter sind indes nach wie vor schlecht auf Karl Straub zu sprechen. Viele verloren aufgrund der Insolvenz 2018 ihren Arbeitsplatz. „Die Scheißerei haben wir ihm gewünscht“, sagt ein früherer Mitarbeiter heute. Straub merkt an: „Die Insolvenz meines Autohauses hat mich und meine Familie finanziell stark getroffen. Dies hat auch zur Folge, dass ich im August dieses Jahres aus meinem Haus ausziehen muss. Die persönliche und auch rechtliche Aufarbeitung der Insolvenz bedeutet für mich und meine Familie weit über den monetären Aspekt hinaus eine nicht zu beschreibende psychische Belastung seit bereits drei Jahren.“
Nach mehr als drei Jahren Ermittlungen gab Straub am vergangenen Donnerstag eine freiwillige Einlassung gegenüber den Behörden ab, wie er berichtet. Der CSU-Politiker betont, er habe sich zu keinem Zeitpunkt auf sein Recht, die Aussage zu verweigern, berufen. Vielmehr kooperiere er mit den Strafverfolgern und übernehme Verantwortung. Falls es möglicherweise zu einer Anklage oder einem Strafbefehl gegen den Landtagsabgeordneten kommen sollte, droht Straub die Aufhebung seiner Immunität als Parlamentarier.
(Vinzenz Neumaier, Thomas Schuler)
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