Normalerweise ist die Wahl der Ausschussvorsitzenden im Landtag eine Formsache. Doch der Einzug der AfD wirbelte das Verfahren durcheinander. Grüne und SPD hatten im Vorfeld angekündigt, ihre Zustimmung für den AfD-Ausschusschef und -Vize von der jeweiligen Person abhängig zu machen.
Sechs Wochen nach der Landtagswahl haben sich in der bayerischen Volksvertretung die 14 Fachausschüsse mit der Wahl der Vorsitzenden und ihrer Stellvertreter konstituiert. Nach dem in der Geschäftsordnung festgelegten Zugriffsverfahren hatte die CSU Anspruch auf sechs Vorsitze, die Grünen auf drei, die Freien Wähler auf zwei sowie AfD, SPD und FDP auf je einen. Anders als in der Vergangenheit erfolgten die Wahlen der von den Fraktionen vorgeschlagenen Kandidaten dieses Mal nicht durchweg in offener Abstimmung und über die Fraktionsgrenzen hinweg einmütig.
Nach dem Einzug der AfD in den Landtag waren dieses Mal die Abstimmungen im Bildungs- und im Rechtsausschuss mit Spannung erwartet worden. Im Bildungsausschuss bewarb sich der AfD-Abgeordnete Markus Bayerbach um den Vorsitz, im Rechtsausschuss sein Kollege Christoph Maier um den Stellvertreterposten. Grüne und SPD hatten im Vorfeld angekündigt, ihre Zustimmung von der jeweiligen Person abhängig zu machen. In einem bislang einzigartigen Vorgang verschickten die Grünen vorab Fragebögen an die AfD-Kandidaten, um bei Bayerbach dessen Haltung zu bildungspolitischen Themen zu erkunden und bei Maier Auskunft über dessen Verfassungstreue zu erhalten.
„Wenn eine Partei den Staat und seine Institutionen infrage stellt, aber in wichtigen Gremien des Parlaments mitwirken will, dann müssen kritische Fragen erlaubt sein“, begründete Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Mistol die Aktion der Grünen. Sollten die AfD-Kandidaten nicht oder unbefriedigend antworten, werde man sie ablehnen. Die beiden betroffenen AfD-Abgeordneten ließen die Fragen allerdings unbeantwortet. Während Bayerbach sich nicht zu dem Vorgang äußerte, bezeichnete Maier die Aktion der Grünen als unzulässig. Es sei nicht üblich, dass Abgeordnete anderen Abgeordneten Fragen stellen würden. „Wir sind hier nicht vor Gericht, und schon gar nicht bei einem kommunistischen Verhör“, erregte er sich. Als Offizier und Rechtsanwalt könne es keine Zweifel an seiner Verfassungstreue geben.
Maier wurde schließlich in offener Abstimmung gegen die Voten von Grünen und SPD zum Vize gewählt. Den Vorsitz im Rechts- und Verfassungsausschuss, der künftig auch für Fragen der Integration zuständig ist, führt nun Petra Guttenberger (CSU). Der Versuch der Grünen, vor der Abstimmung per Geschäftsordnungsantrag eine mündliche Befragung Maiers durchzusetzen, scheiterte. CSU-Fraktionsgeschäftsführer Tobias Reiß begründete die von den anderen Fraktionen mitgetragene Ablehnung damit, dass eine Aussprache bei Wahlen weder vorgesehen, noch üblich sei. „Ich sehe heute keinen Anlass, von dieser Geschäftsordnungsregel abzuweichen“, sagte er. Man sollte dem Wahlvorgang nicht mehr Gewicht beimessen, als er habe. Reiß spielte damit auf die Tatsache an, dass Ausschussvorsitzende und ihre Stellvertreter keine herausgehobenen politischen Positionen haben und ihre Kompetenzen über die Abfassung der Tagesordnung und die Sitzungsleitung kaum hinausgehen.
Auf Wunsch mehrerer Abgeordneter erfolgte die Wahl im Bildungsausschuss in geheimer Abstimmung. Dabei erreichte Bayerbach denkbar knapp die nötige Mehrheit. Acht Abgeordnete stimmten mit Ja, sieben mit Nein, drei enthielten sich. Bayerbach erklärte nach seiner Wahl, als Förderlehrer und Vater wisse er um die Herausforderungen an den Schulen, er stehe für eine sachlich inhaltliche Politik. Im Ausschuss dürfe man sich „gerne in der Sache fetzen“, aber am Ende sollte man kollegial im Sinne von Schüler, Lehrern und Eltern arbeiten. Zu Bayerbachs Stellvertreterin wurde bei einer Gegenstimme Eva Gottstein (Freie Wähler) gewählt.
Zum ersten Mal leiten die Grünen den Innenausschuss
In den übrigen Ausschüssen erfolgten die Wahlen in großem Einvernehmen zwischen den Fraktionen. So wird der Innenausschuss künftig erstmals von einem Grünen geleitet. Martin Runge erhielt bis auf die Enthaltungen der beiden AfD-Vertreter im Ausschuss alle Stimmen. Zu seinem Stellvertreter wurde Manfred Ländner (CSU) gewählt. Erstmals konstituierte sich im Landtag ein Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr. Dort übernahm den Vorsitz der FDP-Abgeordnete Sebastian Körber, Stellvertreter wurde Manfred Eibl (Freie Wähler). In dem Ausschuss haben sich fraktionsübergreifend drei Architekten eingefunden, außerdem sind mit Marcel Huber und Ulrike Scharf zwei ehemalige Umweltminister Mitglieder. Huber kündigte bei der Vorstellungsrunde an, seine Erfahrungen aus der Ministerzeit für eine Politik des flächensparenden Bauens und der ökologisch ausgerichteten Verkehrssysteme einbringen zu wollen.
Neben Bayerbach und Körber sind zwei weitere Parlamentsneulinge zu Ausschussvorsitzenden gewählt worden. Den Petitionsausschuss führt künftig die Grüne Stephanie Schuhknecht, ihr Stellvertreter ist der bisherige Vorsitzende Harald Schwartz (CSU). Und im Europaausschuss ist der Freie Wähler Tobias Gotthardt neuer Chef, sein Vize der bisherige Vorsitzende Franz Rieger (CSU). Auch einige der neuen Vize-Vorsitzenden haben noch keine Parlamentserfahrung. Im Bauausschuss betrifft das den Freien Wähler Eibl, im Haushaltsausschuss die Grüne Claudia Köhler, die dem Ex-Baustaatssekretär Josef Zellmeier (CSU) zur Seite sitzt. Dazu kommt im Rechtsausschuss der AfD-Abgeordnete Maier.
Auch ein Parlamentsrückkehrer ist in eine Führungsposition gewählt worden: Wolfgang Heubisch (FDP). Der frühere Wissenschaftsminister ist nun neben Robert Brannekämper (CSU) Stellvertreter im Wissenschaftsausschuss. Als Sitzungsleiter bei der Vorsitzendenwahl, die er als ältester Abgeordneter im Ausschuss durchführte, leistete sich ausgerechnet der Liberale Heubisch einen Fauxpas, indem er während des Wahlgangs in der eigentlich öffentlichen Sitzung die Medienvertreter vor die Tür schickte – offenbar ein Missverständnis. Eigentlich hätte er nur Kamerateams bitten sollen, von der Abstimmung keine Filmaufnahmen zu machen.
In parlamentserfahrene Hände gelegt wurden die Leitungen mit Sandro Kirchner (CSU) und Martin Stümpfig (Grüne) im Wirtschaftsausschuss, mit Leopold Herz (Freie Wähler) und Martin Schöffel (CSU) im Agrarausschuss, mit Doris Rauscher (SPD) und Thomas Huber (CSU) im Sozialausschuss, mit Bernhard Seidenath (CSU) und Ruth Waldmann (SPD) im Gesundheitsausschuss, mit Rosi Steinberger (Grüne) und Eric Beißwenger (CSU) im Umweltausschuss sowie Wolfgang Fackler (CSU) und Markus Ganserer (Grüne) im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes. Die meisten Ausschüsse nehmen in der kommenden Woche ihre Sacharbeit auf. (Jürgen Umlauft)
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