Landtag

Fraktionschef der Freien Wähler: Florian Streibl. (Foto: FW-Fraktion)

22.02.2019

Chef mit Seelsorger-Kompetenz

Porträt: Florian Streibl, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler

„Eine Ironie des Schicksals“: So nennt Florian Streibl die Tatsache, dass er in der Politik gelandet ist. Ausgerechnet er, der sich als Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Max Streibl (CSU) einst immer wieder gesagt hatte: „Alles werde ich, nur kein Politiker.“ Weil der Vater so gut wie nie da war. Dafür aber an der Haustür ständig Leute standen, die etwas wollten. Und als die alten CSU-Freunde den Vater im Zuge der sogenannten Amigo-Affäre fallen ließen, hat das auch den Sohn verletzt. So sehr, dass Florian Streibl nur einen Tag nach dem erzwungenen Rücktritt des Vaters seinen Austritt aus der CSU erklärte. Aus der Partei, in der er ohnehin nur war, weil es sich für den Sohn des Ministerpräsidenten halt so gehörte, wie er sagt.

Über 25 Jahre ist das her. Der Vater aber, 1998 verstorben, ist Florian Streibl immer noch ein wichtiger Begleiter. Hinter seinem Schreibtisch im Landtagsbüro hängt dessen erstes Wahlplakat aus den 1960er-Jahren. „Je älter man selbst wird“, sagt Streibl, „desto öfter denkt man an den Vater.“ Ihm werde zunehmend bewusst, wie sehr er geprägt ist von den Eltern und der damaligen Zeit. Dass Streibl jetzt Fraktionschef ist und nicht Minister in der schwarz-orangen Koalition, hat damit zu tun. Das sei eine bewusste Entscheidung gewesen, sagt er. „Man weiß schließlich, was es heißt, ein Ministerium zu führen“, erklärt der 55-Jährige, der schon als kleiner Bub durch die Gänge des 1970 gegründeten Umweltministeriums getobt ist. Max Streibl war zuerst Umweltminister, der erste deutschlandweit, und später Finanzminister, ehe er 1988 zum Ministerpräsidenten avancierte.

Wenn Florian Streibl von sich erzählt, ersetzt oft das unbestimmte Pronomen „man“ das „ich“ – so, als wolle er eine gewisse Distanz zu seinen Erlebnissen herstellen. „Seit man denken kann, ist man mit der Politik konfrontiert“, sagt er zum Beispiel. Streibl hatte nach dem Abitur zunächst beschlossen, Priester zu werden, studierte katholische Theologie. Dann aber merkte er, dass das nichts für ihn ist. „Am Zölibat lag es nicht“, erklärt der zweifache Familienvater und lacht. „Aber ich habe einen freien Geist und unabhängigen Willen und lasse mich ungern bevormunden.“ Der Kirchendienst kam deshalb nicht in Frage. Als er das Theologiediplom in der Tasche hatte, meinte der Vater: „Wenn du nicht weißt, was du willst, dann studiere Jura.“ Streibl: „Und an diesem Punkt habe ich wirklich mal auf meinen Vater gehört.“

In seiner Heimatstadt Oberammergau gründete Streibl eine Kanzlei. Das lief gut. „Die Oberammergauer sind ein streitlustiges Völkchen“, sagt Streibl. Oft dreht sich der Streit um die Passionsspiele; einige Bürgerbegehren hat Streibl selbst mitinitiiert. Und da schlug sie zu – die Ironie des Schicksals. Die Oberammergauer Wählergruppe „Für unser Dorf“ überredete ihn 2001, bei ihnen mitzumachen. Er wurde Listenführer und 2002 in den Gemeinderat gewählt. 2008 fragten die Freien Wähler, ob er auf der FW-Liste für den Landtag kandidieren wolle.

In dieselbe Falle getappt wie der Vater

Und Streibl wollte – nach vielen intensiven Gesprächen mit seiner Frau. „Sie hat die Ministerpräsidentenzeit miterlebt“, erzählt er. „Es ist wichtig, dass die Familie hinter so einer Entscheidung steht.“ Der Einzug in den Landtag hat auf Anhieb geklappt. 2009 wurde Streibl Vize der Fraktion, 2011 parlamentarischer Geschäftsführer. Einer seiner größten Erfolge im Landtag: die Freilassung von Gustl Mollath. Früh kämpfte er für den Mann, „der sieben Jahre lang unschuldig in der Psychiatrie war“. Auch gegen manche Skepsis in der FW-Fraktion. „Selbst Freunde haben damals gefragt, weißt du, was du da tust“, erzählt er. Streibl wurde Vize des Untersuchungsausschusses, der 2013 auch dank ihm zustande kam. Er ist überzeugt: „Der Fall hat die Justiz verändert.“

Und jetzt der Fraktionsvorsitz. Für Streibl eine neue und auch sehr herausfordernde Aufgabe, wie er gesteht. „In der Opposition reitet man permanent die Attacke gegen die Regierung.“ Als Vorsitzender einer Regierungsfraktion aber gelte es, die Verbindung zwischen allen Seiten herzustellen. Zwischen eigener Fraktion, CSU-Fraktion und Staatsregierung. „Und dabei sitzt man zwischen allen Stühlen“, erklärt Streibl.

Die erste Bewährungsprobe als Fraktionschef aber ist gemeistert. Als es mächtig knirschte bei den FW, weil Parteichef Hubert Aiwanger ohne Rücksprache mit der Fraktion beim Thema Regierungsbeauftragte eingeknickt war, übte Streibl öffentlich Kritik. In der Fraktion kam das an. Auch, dass er später die mangelnde Kommunikation der FW-Minister mit der Fraktion rüffelte, gefiel. Jetzt gibt es regelmäßig Sitzungen, an denen auch die Minister teilnehmen. „Beim Feintuning gibt es noch Verbesserungspotenzial“, sagt Streibl. „Aber es läuft ganz gut.“

Was die Fraktion ebenfalls an ihrem Chef schätzt: Er hat immer ein offenes Ohr. Und er versucht, die unterschiedlichen Meinungen zusammenzubringen. Das ist bei einer so heterogenen Truppe wie den Freien Wählern eine Leistung. „Gewisse Seelsorger-Kompetenzen sind da nicht verkehrt“, sagt Streibl. Aber er selbst sei ja deshalb bei den FW, weil man dort seine eigene Meinung haben dürfe. „Das ist ein hohes Gut. Es gibt nichts Schrecklicheres, als wenn nur die Meinung eines Einzelnen zählt und alle die Hacken zusammenschlagen.“ Auch die eigene Meinung sehe er „nicht als die allein seligmachende, sondern als eine von vielen“. Im Unterschied zu Vorgänger Hubert Aiwanger? Ach was, sagt Streibl. „Hubert hat zwar seine klaren Vorstellungen, gab der Fraktion aber immer auch große Freiräume.“ Die Gefahr sei eher, dass sich Leute zurücklehnen mit einem an der Spitze, der so ein irres Arbeitspensum hinlegt wie Aiwanger. Weil sie dann denken, sie müssten selber nichts mehr tun.

Streibls eigenes Pensum ist auch beachtlich. Aus der Teilnahme an der Passion, die 2020 stattfindet, wird deshalb wohl nichts. Es wäre das erste Mal. „Ich bin jetzt also doch in dieselbe Falle getappt wie mein Vater“, sagt Streibl. Vieles sei heute zudem schwieriger. „Wenn der Vater zu Hause war und seine Ruhe haben wollte, sagte er: ,Buam, ihr geht’s ned ans Telefon, wenn’s läutet.’“ Heute ist Streibl dank Handy auch am Berg erreichbar. Er geht gerne zum Wandern. Um den Kopf frei zu bekommen. Und um Motive zu sammeln. Streibls zweites Hobby ist die Malerei. In seinem Büro hat er einige seiner Gemälde hängen. Sie zeigen abstrahierte Berglandschaften und die Klagemauer in Jerusalem.

Der wichtigste Rückzugsraum für Streibl aber ist die Familie. Für sie nimmt er sich ganz bewusst Auszeiten. „Und wenn was ist, bin ich da“, sagt Streibl. „Denn eines ist klar: Die Familie kommt immer zuerst.“ (Angelika Kahl)

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