Landtag

Fabian Mehring (FW). (Foto: dpa/Weigel)

05.02.2021

"Wir sind gar nicht inkonsequent"

Fabian Mehring (Freie Wähler) im BSZ-Interview über Koalitionsdisziplin, Öffnungsstrategien und regionale Lockerungen

Erst stimmen die Freien Wähler im Kabinett der CSU-Linie zu, dann stänkern sie anderntags dagegen: Mit diesem Vorwurf müssen die FW bereits länger leben. Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der FW-Landtagsfraktion, sagt, wieso er das ungerecht findet – und wie es in seinen Augen wirklich ist.

BSZ: Herr Mehring, erst stimmen die Freien Wähler mit der CSU, dann poltern sie gegen die Beschlüsse. Zuletzt gegen die Lockdown-Verlängerung. Die Optik ist schon blöd, oder?
Fabian Mehring: Überhaupt nicht. Man muss halt genau hinschauen. Im Fall des Lockdowns war es so, dass wir der Verlängerung bis 14. Februar ohne Wenn und Aber zugestimmt haben. Aber wir haben gesagt, dass es für danach eine Öffnungsperspektive geben muss. Das ist überhaupt kein Widerspruch! Tatsächlich hat die CSU eingelenkt, vergangene Woche wurde ein gemeinsamer Antrag von FW und CSU beschlossen, der genau diese Öffnungsstrategie fordert. In der Vergangenheit war es doch wiederholt so, dass die CSU unsere Wünsche erst lautstark abgelehnt hat, um sie dann plötzlich gutzuheißen: Ich denke da an Click & Collect, den Verzicht auf eine Impfpflicht für Pflegekräfte oder an die kostenfreien FFP2-Masken. Im übrigen verstehe ich nicht, weshalb der Vorwurf, inkonsequent zu sein, immer nur uns Freie Wähler trifft.

BSZ: Wen sollte er noch treffen?
Mehring: Die CSU zum Beispiel schilt niemand dafür, wenn sie Dinge erst ablehnen, um sie dann doch zu beschließen – siehe Click & Collect. Und die SPD rügt ebenfalls niemand dafür, dass sie auf Bundesebene die 15-Kilometer-Regel mitträgt, um dann, wie jetzt in Bayern, vor Gericht dagegen zu klagen. Im Gegenteil wird die SPD dafür gefeiert, dass sie gegen ihre eigene Beschlussvorlage vor Gericht zieht. 

BSZ: Trotzdem fällt auf, dass die Freien Wähler im Kabinett offenbar ziemlich zahm sind. Warum nicken Sie dort Vorhaben ab, die Sie hinterher kritisieren?
Mehring: Erstens ist es normal, dass Koalitionäre auch mal unterschiedliche Ansichten haben. Wären wir immer der gleichen Meinung wie die CSU, dann bräuchte es uns ja nicht. Aber mit unseren zwölf Prozent der Stimmen, die wir bei der Landtagswahl erzielt haben, können wir eben nicht 100 Prozent unserer Positionen durchsetzen. Zweitens ist es so, dass im Kabinett oft Beschlüsse vorliegen, die von der Ministerpräsidentenkonferenz auf Bundesebene durchgesetzt wurden. Und da verhandelt für Bayern Ministerpräsident Söder alleine. Wir kommen dann ja erst anschließend ins Spiel und sind gezwungen, uns dazu zu verhalten, wodurch manchmal ein schiefes Bild entstehen mag.

BSZ: Sprechen wir über das Öffnungskonzept. Noch ist völlig unklar, wie das aussehen soll. Was schwebt Ihnen vor?
Mehring: Es gibt unterschiedliche Wertigkeiten bei den geplanten Öffnungen. So ist es, unabhängig von Infektionsrisiken, für die Gesellschaft wichtiger, dass Schulen und Kitas öffnen als dass Skilifte öffnen. Wir müssen auch schauen, was für die Lebenswirklichkeit der Menschen wichtig wäre, Stichwort Friseure. Und wir müssen sehen, was die Wirtschaft braucht, Stichwort Einzelhandel. Zudem können sich Öffnungen nicht an einem Datum ausrichten, sondern an Inzidenzen. Ich meine auch, anders als Ministerpräsident Markus Söder, dass regionale Lösungen, so wie in Italien, Sinn ergeben. Wenn also in bestimmten Regionen die Inzidenzen unter 50 liegen, kann ich dort Schulen oder den Einzelhandel öffnen. Bei Inzidenzen von 200 in anderen Regionen hingegen nicht. Es ist nicht einzusehen, dass wir auf flächendeckend niedrige Fallzahlen warten, das können wir den Menschen nicht zumuten. Und, ganz wichtig, wir brauchen endlich Studien, die uns sagen, in welchen Bereichen die Infektionszahlen am höchsten sind, wo Öffnungen also riskant sind. Sind das die Schulen, der Einzelhandel, die öffentlichen Verkehrsmittel? Solche Studien hätten wir längst erstellen müssen. Schließlich haben wir uns beim Lockdown stets an wissenschaftlichen Kriterien orientiert – und sollten dies auch beim Lockup tun. 
(Interview: Waltraud Taschner)

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