Landtag

Judith Gerlach (CSU). (Foto: dpa/Hase)

02.07.2021

Die Durchstarterin

Im Porträt: Digitalministerin Judith Gerlach (CSU)

Kann die das überhaupt? Während Männer bei der Übernahme eines politischen Amtes ihre Kompetenz eher selten erklären müssen, werden Frauen meist sofort gründlich abgecheckt. Zumal wenn sie jung sind. Judith Gerlach war 33 Jahre alt und jüngste CSU-Abgeordnete im Landtag, als sie im November 2018 überraschend Bayerns erste Digitalministerin wurde. Und was war die erste Frage? Natürlich die nach der Eignung. Die Juristin, seit 2013 im Landtag, bekam damals jede Menge Häme ab für ihre ehrliche Antwort: „Digitalisierung ist jetzt sicher nicht mein Spezialbereich“, gestand sie.

Gerlach ist selbstbewusst genug, um so einen misslichen Start ins Ministerinnenamt wegstecken zu können. Und doch hat sie sich damals gewaltig geärgert. Nicht über sich selbst. „Sondern darüber, dass um diesen Satz so ein großer Hype gemacht wurde“, erklärt sie. Zum einen sei sie ja nur ehrlich gewesen. „Ich bin eben keine studierte ITlerin“, sagt Gerlach. Zum anderen aber nervte sie, dass ausgerechnet sie, die junge Frau, sich erklären musste. Anders als Umweltminister Thorsten Glauber (FW) etwa. „Dass er nichts mit Umwelt studiert hat, wird bei ihm seltsamerweise nicht hinterfragt.“ 

Fachkenntnisse hat sich Gerlach schnell erworben – in der CSU-Fraktion wird die 35-Jährige nicht nur als zielstrebig und ehrgeizig beschrieben, sondern auch als „schlau und intelligent“. Für eine Ministerin aber ohnehin wichtiger als Fachwissen sind Führungsqualitäten und Durchsetzungskraft. Beides bringt sie mit. Ein Vorteil für Gerlach: Sie konnte sich ihr Ministerium neu aufbauen – und musste sich so nicht an eingefahrenen Strukturen abarbeiten. Während in anderen Ministerien Zuständigkeitsbereiche meist strikt getrennt sind, hat Gerlach zum Beispiel eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit etabliert. Agileres Arbeiten ist bei den 123 Mitarbeiter*innen im Digitalministerium aber auch vergleichsweise einfach zu organisieren. Zum Vergleich: Das Bauministerium hat 10 000 Beschäftigte.

CSU-Kollege: "Sie ist tougher, als man denkt"

Zu kleines Haus, zu wenig Geld – und auch zu wenige Kompetenzen, darin sehen heute viele das eigentliche Problem Gerlachs. Mangelnde Eignung wirft ihr kaum mehr einer vor. „Gerlach ist offen für Veränderung und bringt frischen Wind und neue Ideen mit in ihr Amt“, erklärt Benjamin Adjei, Digital-Experte der Grünen im Landtag. „Eigentlich gute Voraussetzungen, um die Digitalisierung als Ministerin voranzutreiben.“ Doch beim Blick auf konkrete Erfolge trübe sich das Bild, sagt Adjei. Denn zu oft scheitere Gerlach mit Vorschlägen an den anderen Kabinettsmitgliedern. Denn beim Querschnittsthema Digitalisierung ist das jeweilige Ressort zuständig, das Kultusministerium etwa für den digitalen Unterricht. Adjei: „Hier wünsche ich mir von Gerlach mehr Durchsetzungskraft.“

Doch nicht nur in der Opposition, auch in der CSU sieht man Defizite. Aber nicht bei Gerlachs Durchsetzungsfähigkeit. „Judith ist viel tougher als man glaubt“, betont Gerhard Hopp, bis vor Kurzem Vorsitzender der Jungen Gruppe, einem Zusammenschluss der jüngeren CSU-Abgeordneten im Landtag. Gerlach aber bräuchte die passenden Hebel, meint er. In einem Positionspapier forderte die Junge Gruppe im Januar 2021 für das Digitalministerium deshalb unter anderem eine Konsultationspflicht und ein verbindliches Initiativrecht bei Digitalprojekten.

Gerlach selbst gibt sich eher entspannt, das Ministerium sei ja als Thinktank gedacht. „Natürlich ist es nicht so, dass alle Juhu schreien, wenn wir mit einer neuen Idee ankommen“, erklärt sie. „Manchmal muss man dicke Bretter bohren.“ Das sei mitunter auch frustrierend. Im Kultusministerium zum Beispiel gehe ihr manches zu langsam, gesteht sie. „Manchmal läuft es aber auch total einfach.“ Beim digitalen Bauantrag mit Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) etwa.

Eines von Gerlachs großen Anliegen ist: die digitale Verwaltung in Bayern endlich voranzubringen. „Zugegebenermaßen wirkt das Thema auf den ersten Blick nicht so sexy“, sagt sie. Aber hier könne man nicht nur mit der Digitalisierung zeigen, dass man sich als moderner Staat verstehe. Sondern auch durch Serviceorientiertheit. „Der Bürger ist kein Bittsteller, sondern unser Kunde“, betont Gerlach, die deshalb unter anderem die Bayern-App auf den Weg gebracht hat. Mit der App kann man mobil auf staatliche und kommunale Leistungen zugreifen. Theoretisch. Denn zu viele Kommunen ziehen noch nicht mit. „Ich kann nur ein Angebot machen und darum werben, dass unser Förderprogramm in Anspruch genommen wird“, seufzt Gerlach.

Ihre Kinder stillte die junge Mutter schon mal im Landtag

Ob in Kommunen, Ministerien oder bei Bürger*innen – eine ihrer Hauptaufgaben sieht Gerlach darin, Überzeugungsarbeit zu leisten. „Man muss begeistern können“, sagt sie. „Denn Veränderung tut immer ein bisschen weh.“ Sie selbst mag Veränderungen. Und das ist wohl mit ein Grund, warum sich Gerlach so schnell in neue Aufgaben einfinden kann. 2013 zum Beispiel, als die Aschaffenburgerin das erste Mal in den Landtag gewählt wurde. Damals war sie 27, frischgebackene Juristin und hatte gerade in der Anwaltskanzlei ihres Vaters angefangen. Dass sie es völlig unerwartet über die Liste ins Maximilianeum schaffte, war für Gerlach ein kleiner Schock. „Meine Lebensplanung sah ganz anders aus“, erklärt sie. Sie wollte als Anwältin arbeiten und eine Familie gründen.

Ihre beiden Kinder, sie sind heute drei und fünf Jahre alt, hat die Unterfränkin dann eben als Abgeordnete bekommen. Ihr Mann ging in Elternzeit und die Großeltern helfen mit. Und als sie noch stillte, brachte Gerlach die Kinder einfach ins Maximilianeum mit. Wo ist denn hier der Stillraum, fragte sie. Den gab es damals nicht, er wurde erst Jahre später eingerichtet. Sie verstecke ihre Kinder nicht, betont Gerlach, auch um dafür zu sensibilisieren, dass Politik endlich familienfreundlicher werden muss, gerade auch was die Sitzungszeiten betrifft. 

Eingetreten in die CSU ist Gerlach mit 16 Jahren. Ihr Vater ist im Aschaffenburger Stadtrat und ihr Großvater saß 18 Jahre für die CSU im Bundestag. „Bei den Diskussionen am Küchentisch habe ich oft eher linke Positionen eingenommen, um die Herrschaften ein bisschen zu testen“, erzählt Gerlach. „Ich habe das natürlich nie zugegeben, aber sie haben so gut pariert, dass sie mich am Ende von der CSU überzeugt hatten.“

Theater und Volleyball spielen – für diese beiden Leidenschaften hat Gerlach heute als Ministerin keine Zeit mehr. Aber joggen geht noch ab und zu. Wobei sie sich für das Laufen gar nicht so begeistere, gesteht sie und lacht. „Aber ich esse so gerne.“ (Angelika Kahl)   

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