Sie gehört zu denen, die im Hochdeutschen genauso trittsicher sind wie im Dialekt und die es sich deshalb leisten können, auch mal ein paar Takte Mundart-Tacheles zu sprechen: „Also bitte schön, san’S doch vernünftig und kassieren’S des wieder ein, is doch a Schmarrn!“
Was die SPD-Abgeordnete Margit Wild (63) in einer Plenardebatte Anfang Februar mit dem bairischen Wort für „Unsinn“ belegte, darüber ließ sie sich zuvor ausführlich auf Hochdeutsch aus: die von der Staatsregierung beschlossene Streichung der Faschingsferien. Eindringlich plädierte die Erzieherin und Heilpädagogin als Mitglied des Bildungsausschusses für die Beibehaltung dieser einen Ferienwoche, und zwar aus prinzipiellen Erwägungen: „Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung in Schulen kann ich sagen: Ferien machen Sinn, weil sie den Wechsel zwischen Spannung und Entspannung bieten.“
Der nachfolgende Redner von der CSU sah sich durch Wilds Beitrag herausgefordert, die Debatte kam in Schwung – aber am Ende bleiben die Regierungsfraktionen bei der geplanten Streichung der Faschingsferien; der Antrag der Opposition wurde abgelehnt.
Business as usual – von Margit Wild wird man darüber keinen Seufzer der Enttäuschung hören. Als altgediente Sozialdemokratin kennt sie das nicht anders: Man stellt einen Antrag, begründet ihn, streitet für ihn, und am Ende wird er abgeschmettert.
War er deshalb sinnlos? Selbstverständlich nicht! Erstens, sagt Margit Wild, sei die Sache damit in der Welt und als Thema auf dem Tisch, und zweitens komme es gar nicht so selten vor, dass die CSU etwas jahrelang vehement ablehne – um es eines Tages plötzlich als eigene Idee zu verkaufen. Wild sagt: „Ich kann mit dieser strikten Blockade umgehen, auch wenn ich oft den Eindruck hab, manche aus den Regierungsfraktionen würden einem Antrag von uns gerne zustimmen, aber sie dürfen halt nicht.“ Sie versuche es einfach das nächste Mal wieder: „Meine Leidenschaft, für die Bildungspolitik zu kämpfen, lässt deshalb nicht nach.“
Toskana-Fraktion? Von wegen
Das mit der Leidenschaft ist bei Margit Wild weder Floskel noch Selbstlob. Die Regensburgerin, die ursprünglich aus dem oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg stammt, gehört zu den Bildungspolitiker*innen, die wissen, wovon sie reden. Wie wenige hat sie die Pädagogik von der Pike auf gelernt und in der Praxis ausgeübt.
Mit gerade mal 20 war sie schon staatlich anerkannte Erzieherin in einem Waisenhaus. Nach der Qualifizierung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin arbeitete sie in einer Sondervolksschule für geistig behinderte Kinder und Jugendliche und danach über zwanzig Jahre als heilpädagogische Förderlehrerin an einer schulvorbereitenden Einrichtung.
Margit Wild hatte über 30 Berufsjahre in der Pädagogik hinter sich, als sie 2008 erstmals in den Landtag gewählt wurde. Das ist sicher auch einer der Gründe für ihr gesundes Selbstbewusstsein, das nicht darunter gelitten hat, dass die SPD bei der letzten Landtagswahl derart dezimiert wurde. Man hört das, wenn die Abgeordnete Wild im Plenum höflich und zugleich kampfeslustig eine Frage an einen Minister stellt. Auch die Abhängigkeit von der eigenen Partei hält sich bei der freundlich-resoluten Oberpfälzerin in Grenzen: „Ich find es immer gut, wenn eine Politikerin ein berufliches Standbein hat. Ich hätte auch wieder zurückkehren können in meinen Beruf.“
Aber auch politisch hat Margit Wild ein zweites Standbein: Von 1990 bis 2020 war sie Stadträtin in Regensburg, die letzten zwölf Jahre saß sie auch im Vorstand der Stadtratsfraktion. Und, wohl ihr schwierigstes Amt: Von Anfang 2007 bis Ende 2018 war sie Vorsitzende des SPD-Stadtverbands Regensburg – „eine total spannende und herausfordernde Zeit“.
Das kann man wohl sagen. Es wäre auch nicht übertrieben, diese Zeit als die spannendste und herausforderndste in der Geschichte der Regensburger SPD zu bezeichnen, denn Wild musste die von ihr auch ausdrücklich als solche benannte Regensburger Korruptionsaffäre managen: Im Januar 2017 wurde SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs für sechs Wochen in U-Haft genommen. „Das hat mich sehr belastet, das hat mich viel Kraft gekostet“, sagt Wild, „aber ich habe es unbeschadet überstanden.“
Gegenüber Wolbergs, der vor zwei Jahren aus der SPD austrat und nun mit einem eigenen Wahlverein im Stadtrat sitzt, empfinde sie „manchmal Mitleid: Der ist mit Sicherheit schwer traumatisiert.“ Wild findet es alles andere als unproblematisch, sich den Kommunalwahlkampf von Bauunternehmern bezahlen zu lassen. „Dass man mit den örtlichen Bauträgern Gespräche führt, ist nichts Verwerfliches, aber man sollte schon darauf achten, wie eng das ist.“
Seit 35 Jahren ist Margit Wild SPD-Mitglied, und in der Partei, genauer gesagt im Regensburger Stadtrat, fand sie auch den Mann ihres Lebens. 27 Jahre war sie mit Klaus Caspers zusammen, einem vor Ideen nur so sprühenden Künstler und Musiker, der im April 2020 starb.
Wild wird in ihrer Partei geachtet
Caspers war eine der prägenden Gestalten für die Regensburger Stadtentwicklung. 1973 stellte er zusammen mit ein paar anderen das erste Bürgerfest auf die Beine und lenkte damit zum ersten Mal den Blick auf die Schönheit der damals noch komplett unrenovierten und nicht selten auch ungeliebten Altstadt. Mit Klaus Caspers unternahm Margit Wild viele Reisen, vor allem nach Italien und Spanien. Wenn heute routinemäßig das italienische Flair der rundum sanierten Regensburger Altstadt gerühmt wird, dann hat das damit zu tun, dass einige wenige wie Klaus Caspers vor einem halben Jahrhundert einen Blick dafür hatten und gegen den geplanten Abriss kämpften. 2018 erhielt Klaus Caspers für sein Lebenswerk den Kulturpreis der Stadt Regensburg
Wenn Margit Wild von ihrem langjährigen Lebensgefährten spricht, ist da keine nostalgische Verklärung herauszuhören, sondern nur das Feuer und die Begeisterung für Kunst und Architektur, die sie mit ihm teilte.
So viel Zeit, wie Margit Wild mit Klaus Caspers in Italien verbrachte – da geht bei einigen die Schublade „Toskana-Fraktion“ auf: SPDler, die sich dem mediterranen Lebensgenuss hingeben, statt für die Rechte der Arbeiterklasse zu kämpfen. Weit gefehlt. Man muss nur einen Blick auf Margit Wilds politische Agenda werfen. Da geht es um das Recht auf Bildung für alle, um gleiche Rechte für Frauen, um Inklusion und Integration von Benachteiligten aller Art.
Klar trinkt Wild gern einen guten Wein. Aber dass sie sich für irgendwas zu schade ist, das hat noch niemand behauptet. In einer Partei wie der SPD wird auf so was durchaus geachtet. Erst am 19. Mai wurde Wild erneut zu einer der drei stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Landtag gewählt. (Florian Sendtner)
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