Wenn man Walter Taubeneder nur kurz erlebt, wäre Extrovertiertheit sicher nicht die erste Charaktereigenschaft, die an ihm auffallen würde. Bescheiden wirkt der CSU-Politiker, freundlich und zurückhaltend. Wie jemand, der nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen möchte. Doch der erste Eindruck täuscht. Taubeneder ist es gewohnt, in der Öffentlichkeit zu stehen. Seit Jahrzehnten. Zuerst als Lehrer, dann als Bürgermeister und schließlich als Landtagsabgeordneter. Und Humor besitzt er auch.
In seiner niederbayerischen Heimat – Taubeneder kommt aus dem Landkreis Passau – geht er gerade auf Abschiedstournee, und zwar mit einer Art Bühnenprogramm. Drei oder vier Abende hat er schon hinter sich, mindestens ein Abend soll bis zum Herbst noch folgen. Als Politiker erlebt man schließlich so einiges, darunter auch Kuriositäten.
Eine Kostprobe? Taubeneder muss nicht lange überlegen: In der Geriatrie – Taubeneder war da noch Bürgermeister der Marktgemeinde Aidenbach – wohnte er der Hochzeit einer 93-Jährigen mit einem 89-Jährigen bei. „Ich dachte mir die ganze Zeit: Die Frau schaut so komisch“, sagt Taubeneder. Da er wusste, dass die Frau vom Balkan stammt, nahm er an, dass es womöglich eine Sprachbarriere gibt. Er fragte sie dann: „Wissen Sie eigentlich, wie Sie danach heißen werden?“ Die Frau habe sich dann zu ihrem Mann in spe gedreht und sehr laut auf Bairisch gerufen: „Wo’s hoad er gsogt?“ Sie war einfach schwerhörig.
Viele Anekdoten
Schließlich wurde der Mann gefragt, ob er die Frau heiraten wolle. Doch an seiner Stelle antwortete die Frau mit „Ja“. „Da steht der Mann auf und brüllt: Ja, bist du still, jetzt red einmal ich!“ Solche Anekdoten hat er viele, versichert Taubeneder schmunzelnd. „Vielleicht schreibe ich mal ein Buch darüber. Ich habe ja bald Zeit.“
Zeit hat er, weil er bei der Landtagswahl im Herbst nicht mehr in seinem Stimmkreis Passau-West antritt. Der 69-Jährige unterlag im September 2022 bei der Delegiertenversammlung Stefan Meyer, einem Mann unter 40 Jahren. Die Mitglieder wollten den Generationswechsel. Taubeneder, der seit 2008 eines der Gesichter Niederbayerns auf Landesebene war, war getroffen. Weil er sich nur wegen seines Alters abserviert sah. Aber auch wegen eines privaten Schicksalsschlags.
Ursprünglich hatte er geplant, aufzuhören und mit seiner Frau den Ruhestand zu genießen. Doch seine Frau starb im vergangenen Jahr nach schwerer Krankheit. Und so wollte Taubeneder doch noch einmal antreten. Nur die Mitglieder wollten diesen Weg nicht mitgehen. Die Enttäuschung über die Entscheidung hat er mittlerweile überwunden. „Ich bin ja Profi und kein Traumtänzer“, sagt er. Die gleiche Erfahrung musste übrigens der zweite Passauer CSU-Abgeordnete, Gerhard Waschler, machen. Er unterlag dem 40-jährigen Josef Heisl bei der Kandidatenkür für den Stimmkreis Passau-Ost.
Mit dem in 15 Jahren Erreichten ist Taubeneder zufrieden. Besonders für den ländlichen Raum, sein Niederbayern, hat er doch einiges als Abgeordneter rausgeholt. Gemeinsam mit anderen, wie Taubeneder betont. Er nennt unter anderem den Neubau der A 94, die Außenstelle der Landesanstalt für Landwirtschaft in Ruhstorf, das Zentrum für Schwerlastverkehr in Vilshofen und die Gründung des Medizincampus Niederbayern. Der Regierungsbezirk hat sich vom einstigen Sorgenkind zum Innovationsstandort gemausert, in dem weitgehend Vollbeschäftigung herrscht.
Im Wirtshaus ist er groß geworden
Natürlich setzt sich Taubeneder auch für die Menschen im restlichen Bayern ein. Er ist Mitglied im Europaausschuss und im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration.
Ein Lautsprecher ist Walter Taubeneder nicht, aber er kann Menschen von sich und seinen Ideen überzeugen. Egal, ob es jemand aus dem Gemeinderat ist, aus der Wirtschaft oder der bayerische Ministerpräsident. „Eine gute Vorbereitung ist das A und O“, sagt er. So pflegte er es auch schon als Schüler, Student, Lehrer, als Konrektor und als Bürgermeister, der er von 1990 bis 2008 war.
In vielerlei Hinsicht hat ihn sein Elternhaus geprägt. Seine Eltern betrieben eine Landwirtschaft und ein Landgasthaus. Immer wurde gearbeitet. „Da habe ich gelernt, dass man mit Anstrengung was erreichen kann.“ Taubeneder kann sich auch nicht erinnern, dass seine Eltern jemals nach dem Staat gerufen hätten.
Immer waren er und seine drei Geschwister zudem unter Menschen. „Nur einmal im Jahr waren wir alleine“, erzählt der Niederbayer. „An Heiligabend – aber erst ab 14 Uhr.“ Dann hatte das Wirtshaus ausnahmsweise geschlossen. Dort entdeckte er seine Leidenschaft für Politik. Jedes noch so schwierige Problem ließ sich am Stammtisch leicht lösen – zumindest verbal. Mit 18 trat Taubeneder der CSU bei und arbeitete sich langsam, aber stetig durch die Gremien nach oben.
Menschen kennenlernen
Auch heute freut er sich noch, wenn er Menschen kennenlernen kann. Er sitzt im Kreistag des Landkreises Passau, ist Vorsitzender des Passauer Kreisverbands des Roten Kreuzes und Mitglied in unzähligen Vereinen. Veranstaltungen zu besuchen, ist für ihn eine Freizeitbeschäftigung. Viel Zeit für anderes bleibt bisher auch nicht. Früher spielte er gern Fußball und Golf – sein Handicap beträgt 14. „Das würde ich gerade nicht schaffen.“
Ab dem Herbst will er sich Zeit dafür nehmen. Er fühlt sich vital und möchte das durch Sport und Bewegung noch lange bleiben. Auch Reisen steht auf dem Programm. Über Silvester hat Taubeneder schon eine Schiffsreise in die Karibik unternommen. „Das war unendlich schön.“ Er hat einen Sohn aus erster Ehe, der inzwischen Vater ist. Mit dessen Familie will er mehr Zeit verbringen.
Taubeneder ist ein gläubiger Mensch. Das hat ihm bei der Bewältigung des Todes seiner Frau geholfen: das Gefühl zu haben, dass mit dem Sterben eines Menschen nicht alles vorbei ist. Auch seine Frau war gläubig.
Der Glaubenssatz, an dem er sich in seiner gesamten beruflichen Karriere orientiert hat, ist allerdings ein ganz irdischer: „Gerade die Menschen, die es schwerer haben, muss man unterstützen“, sagt Taubeneder. „So habe ich das als Lehrer gehalten, und so ist es auch in der Gesellschaft.“
(Thorsten Stark)
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