Landtag

Max Gibis. (Foto: Poss)

28.10.2022

Der Bayerwald-Kämpfer

Im Porträt: Der CSU-Abgeordnete Max Gibis

Als Max Gibis vor zwei Wochen den Termin für das Gespräch in einem Münchner Café zugesagt hatte, war die Welt bei ihm noch in Ordnung. Das Treffen findet dann in eher gedrückter Stimmung statt. Dazwischen lag die CSU-Delegiertenversammlung des Stimmkreises Regen/Freyung-Grafenau zur Nominierung des Direktkandidaten für die Landtagswahl 2023. Gibis (49) ist der Amtsinhaber, doch am Ende setzte sich recht deutlich der wenige Jahre jüngere Stefan Ebner durch. Ebner kommt aus Viechtach im Landkreis Regen, Gibis aus Finsterau im Landkreis Freyung-Grafenau. Der Stimmkreiszuschnitt führt dazu, dass die Regener unter den Delegierten klar die Mehrheit stellen, sie wollten wieder einen eigenen Abgeordneten. „Zu mir hams immer Mister Bayerwald gsagt, jetzt bin i da Mister Bayerwald mit Ablaufdatum“, fasst Gibis die neue Lage zusammen. Man nennt das wohl Galgenhumor.

Die Niederlage nagt spürbar an Gibis. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, sagt er. Er habe den Nachbarlandkreis genauso gut betreut wie den eigenen und auch Erfolge erzielt. Bis zuletzt habe er gehofft, „dass die Regener akzeptieren, was ich geleistet habe“. Doch offenbar sei seine Abwahl über Monate generalstabsmäßig vorbereitet worden. Am Ende sei ihm dann zu wenig Zeit geblieben, mit allen Delegierten noch persönlich zu sprechen. Aber vor allem der Wunsch der Regener, einen eigenen Abgeordneten in den Landtag zu schicken, sei übermächtig gewesen. „Da wird’s dann emotional, dagegen kommst du nicht an“, fügt sich Gibis in sein Schicksal.

Dass es den Abgeordneten Gibis überhaupt gegeben hat, ist zwei für ihn glücklichen Umständen zu verdanken. 2013 rutschte er über die niederbayerische CSU-Liste überraschend in den Landtag, weil die CSU nach dem Wahldebakel 2008 die absolute Mehrheit zurückerobert hatte. Und 2018 setzte er sich auf der Delegiertenversammlung denkbar knapp mit 60 zu 59 als Nachfolger des langjährigen Stimmkreisabgeordneten Helmut Brunner durch. Der Ex-Agrarminister aus dem Landkreis Regen war nicht mehr angetreten. Damals konnte Gibis noch eine ausreichende Zahl Regener Delegierte auf seine Seite ziehen.

Natürlich will Gibis versuchen, es nächstes Jahr wieder über die Liste in den Landtag zu schaffen. Doch große Hoffnungen macht er sich nicht. Die CSU ist aktuell weit weg vom Ergebnis des Jahres 2013, außerdem hat sich vor allem Gibis’ Heimatregion zu einer Hochburg der AfD entwickelt. Die Gründe dafür sind Gibis eher ein Rätsel. Im Bayerischen Wald seien kaum Flüchtlinge untergebracht, die wirtschaftliche Lage der Menschen habe sich in den vergangenen beiden Dekaden spürbar verbessert. Die Zeiten, als die Region das Armenhaus Bayerns mit einer Winterarbeitslosigkeit um die 40 Prozent gewesen sei, die seien lange vorbei.

Als eine mögliche Erklärung für die Stärke der AfD vermutet Gibis die Spätfolgen dieser Zeiten. Noch immer liegen die Löhne unter dem Landesdurchschnitt, die Renten sind wegen der dürftigen Einkünfte von früher eher klein. An den Stammtischen höre man aus den Gesprächen oft ein Gefühl der Benachteiligung und auch des Neides heraus, sagt Gibis. Genau das nehme die AfD auf und verstärke es noch. Dagegen komme man mit guten Argumenten und dem Verweis auf das sichtbare Wirken staatlicher Strukturhilfen nur schwer an.

Gibis selbst kennt die schwierigen Zeiten am Fuß von Rachel und Lusen aus seiner Jugend. Die Perspektiven nach der Schulzeit seien damals nicht so vielfältig gewesen, erinnert er sich. Für die Berufswahl nach der Realschule habe es für ihn zwei Optionen gegeben: „Du nimmst, was da is, oder du gehst nach Minga.“ Nach München aber wollte Gibis nicht wegen der Heimatliebe, der Verwurzelung im Sportverein und der Freunde. Also begann er eine Lehre zum Bankkaufmann bei der örtlichen Sparkasse. Wenn man Gibis davon erzählen hört, scheint es nicht die schlechteste Entscheidung gewesen zu sein. Er wurde rasch Geschäftsstellenleiter in Finsterau, später Ausbildungsbeauftragter und schließlich Abteilungsleiter in der regionalen Zentrale.

In die CSU trat Gibis 1997 ein. Der damalige Ortsvorsitzende habe seinen Bekanntheitsgrad als örtlicher Sparkassenchef ausnutzen wollen und ihn 2002 zur Kandidatur für den Gemeinderat ermuntert. Schon drei Jahre später wurde Gibis zum Bürgermeister der übergeordneten Gemeinde Mauth gewählt. Das blieb er bis zu seinem Einzug in den Landtag. Dort sitzt er seither im Innenausschuss sowie im Ausschuss für den öffentlichen Dienst. Weil er aus einem Landstrich Bayerns kommt, für den der Begriff „ländlicher Raum“ erfunden worden sein könnte, war er Mitglied in der Enquete „Gleichwertige Lebensverhältnisse“.

2023 könnte Gibis sein Landtagsmandat verlieren

Auch Gibis’ ehrenamtliches Engagement hat viel mit seiner Heimat zu tun. Er ist Vorstandsmitglied im Verein der Förderer des Freilichtmuseums Finsterau und des Vereins „Pro Nationalpark Bayerischer Wald“. Er habe sich schon immer klar für den Nationalpark positioniert, auch wenn es in der Region immer wieder Widerstände gegeben habe. „Was wäre der hintere Bayerische Wald ohne den Nationalpark?“, fragt Gibis rhetorisch. Vermutlich noch immer ein vergessener Landstrich an der Grenze zu Tschechien. Seit 2015 firmiert Gibis als Präsident des Skiverbands Bayerwald. Zwar ist er nach eigener Einschätzung nur ein ganz ordentlicher Hobby-Skifahrer, der Posten ist ihm über sein Engagement für den SV Finsterau zugefallen. Da war Gibis schon Vizepräsident des Finoc, des Finsterauer Organisationskomitees zur Ausrichtung internationaler Wintersportwettkämpfe vor allem für Behinderte. Gibis erzählt das mit einem Augenzwinkern, denn das großspurige Kürzel Finoc haben die Finsterauer beim Vanoc abgekupfert, den Organisatoren der Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver. Zwölf Tage seien sie damals in Kanada gewesen, um zu lernen, wie man Sportgroßereignisse auf die Beine stellt.

In seiner Freizeit ist Gibis gern im Bayerischen Wald unterwegs. Noch lieber aber macht er Holz in seinem eigenen „Woid“. 30 Hektar hat er von den Eltern geerbt, die einst in Finsterau einen kleinen Bauernhof bewirtschaftet hatten. Wie es mit ihm nun beruflich weitergeht, weiß Gibis noch nicht. Er geht davon aus, dass er zur Sparkasse zurückkehren könnte, sollte es über die Liste zurück in den Landtag nicht klappen. Den Kontakt hat er – auch als Verwaltungsrat der Sparkasse Freyung-Grafenau – nie abreißen lassen. Aber er wird dann gut 15 Jahre aus dem Geschäft sein, in denen sich die Bankenwelt radikal verändert hat. „Ich müsste praktisch noch einmal von vorne anfangen“, ahnt Gibis. Was es auch werden wird, er stellt sich auf einen „harten Neustart“ ein. (Jürgen Umlauft)
 

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