Dass Robert Brannekämper ein großer England-Fan ist, springt einem ins Auge, noch bevor man sein Büro im Landtag betritt. Eine Tafel mit der Aufschrift „Houses of Parliament SW1 – City of Westminster“ prangt über dem Türschild des 56-jährigen CSU-Abgeordneten. Seit der Münchner das Land bei einem Schüleraustausch kennengelernt hat, lässt es ihn nicht mehr los. Vor allem aber schwärmt Brannekämper, Chef des Wissenschafts- und Kunstausschusses, von Westminster. „Ein fantastisches Parlament. Das ist so selbstbewusst“, erklärt er begeistert. „Da müssen wir auch hinkommen.“
Brannekämper, der seit 2013 im Landtag sitzt, mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Als Ausschusschef lautet seine Devise: „Wir müssen hören, was tatsächlich draußen passiert. Und nicht nur das, was das Ministerium uns erzählen will.“ Anders als in England herrsche hier die Auffassung vor, die Staatsminister seien die Herren des Verfahrens. „Sind sie aber nicht“, betont Brannekämper. „Sie sind die Regierungsknechte, die wir uns als Souverän leisten, um den Staat steuern zu lassen.“ Und so hat Brannekämper in der Corona-Krise zum Beispiel seinen eigenen Expertenrat gegründet, in dem ihm Kunst- und Kulturschaffende ihre Probleme schildern können, wie er stolz erzählt.
Landtags-Kolleg*innen beschreiben Brannekämper als einen „Parlamentarier durch und durch“. Der aber auch polarisiert. „Ihn zeichnet ein durchweg positives Verständnis für die Arbeit der demokratischen Opposition aus“, sagt etwa Volkmar Halbleib, kulturpolitischer Sprecher der Landtags-SPD. Das zeige sich auch im Ausschussvorsitz, der von Kollegialität, Kooperation und Konsensfindung geprägt sei. Andere aus der Opposition kommen mit Brannekämper als Chef dagegen weniger gut zurecht. Auch weil er oft zu sehr auf seine eigene Außenwirkung bedacht sei, wie es heißt.
Großer Verfechter der alten konservativen Werte
Schwierig ist für manche wohl auch, dass Brannekämper, der Friedrich Merz und Peter Gauweiler ziemlich gut findet, in der CSU zu den großen Verfechtern der alten konservativen Werte gehört. „Stur“ und „sperrig“ nennen ihn selbst einige in der eigenen Partei. „Ich würde eher von Hartnäckigkeit sprechen“, sagt Brannekämper selbst. Man dürfe sich nicht von der Hysterie um manche Themen anstecken lassen und sich politisch nur noch mit dem Zeitgeist mitdrehen, meint er. „Die Wähler haben ein Anrecht darauf, dass das, was wir die letzten 20 Jahre erzählt haben, nach wie vor gilt.“ Brannekämper erklärt: „Mir ist die Stammkundschaft wichtiger als die Laufkundschaft.“
Nur nicht zu viel Veränderung – das ist dem gebürtigen Münchner auch bei den Themen Bauen und Stadtplanung am liebsten. Mit seinem vehementen Kampf gegen die beiden geplanten 155 Meter hohen Hochhäuser auf dem Paketpost-Areal in München-Neuhausen irritiert er auch CSU-Leute. Im Frühjahr will Brannekämper mit Gleichgesinnten ein Bürgerbegehren gegen das Projekt starten. Nicht nur, weil „der Bau dieser Vierkantbolzen“ aus seiner Sicht das Stadtbild verschandeln würde. Brannekämper führt in erster Linie ökologische Gründe gegen die Türme an. Den hohen Ressourceneinsatz bei einem Hochhaus zum Beispiel. Er sagt: „Ich möchte mir nicht später einmal die Frage anhören müssen: Warum hat damals keiner eingegriffen?“
Brannekämper war nicht nur 18 Jahre lang im Münchner Stadtrat mit zuständig für die Stadtplanung. Der CSU-Mann, der heute noch im Bezirksausschuss Bogenhausen sitzt, ist auch vom Fach. Nach seinem Architekturstudium arbeitete er erst in mehreren Planungs- und Architekturbüros, bevor er in den Bauhandwerksbetrieb der Familie einstieg. Ein Schwerpunkt dort: die Restaurierung von Denkmälern. Das hat Brannekämper, der bereits als Schüler auf Baustellen mithalf, geprägt. Und so habe ihn an seiner Arbeit neben dem Gestalten schon immer auch das Bewahren interessiert, sagt er.
Auch in der Politik ist der Denkmalschutz ein großes Anliegen Brannekämpers. Im Landtag setze er sich für jede noch so schwierige Denkmal-Petition ein, berichten Abgeordnete. Nicht immer mit Erfolg. Für ein „wunderbares Sandstein-Fachwerkhaus in Franken“, das der Besitzer einfach verfallen ließ, kam jede Hilfe zu spät. „Auch weil Gemeinde, Landratsamt und Regierung das Ganze wie eine heiße Kartoffel von sich weggeschoben haben“, sagt Brannekämper. „Ein klassisches Multiorganversagen der Behörden“ nennt er das.
Tee trinken – und den Lärm der Welt vergessen
Doch aus der Niederlage entstand eine Idee: Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege erfasst aktuell alle gefährdeten Denkmäler – damit man sich ihner annehmen kann, bevor es zu spät ist. Geschätzt sind es 3000, sagt Brannekämper. Gemeinsam mit den zuständigen Abgeordneten aus den anderen Fraktionen will er möglichst schon ab dem Frühjahr besprechen, welche davon den größten Erhaltungswert haben und am stärksten bedroht sind. Brannekämper ist überzeugt: Druck aus dem Landtag, „dem obersten Vertreter des Souveräns“, könne hier großes Gewicht haben.
Eine Politkarriere habe er nie geplant, sagt Brannekämper. In die CSU trat er 1993 ein, mit 27 Jahren. Weil er, der sich erst beim Technischen Hilfswerk und dann bei der Freiwilligen Feuerwehr engagierte, sich fragte: „Warum haben wir so alte Gerätehäuser? Und warum sind die Autos älter als die Fahrer?“ Er wollte näher dran sein an den Entscheidungsträgern – und saß nur ein Jahr später im Bezirks-ausschuss. Damals wurden dessen Mitglieder noch von den Parteien bestimmt.
Will Brannekämper ausspannen, liest er gerne oder fährt mit seiner Freundin in die Berge. Häufig radelt er aber auch einfach in ein Café – am liebsten ins Victorian House am Viktualienmarkt, wo er stilecht in prunkvollem Ambiente seiner Leidenschaft frönt: dem Teetrinken. Auch wenn dieses Sprichwort nicht von einem Engländer, sondern einem Chinesen stammt – auf ihn treffe es zu 100 Prozent zu, sagt Brannekämper: „Wer Tee trinkt, vergisst den Lärm der Welt.“ (Angelika Kahl)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!