Hochzeitslader: Wer die Biografie des Rosenheimer CSU-Abgeordneten Sebastian Friesinger überfliegt, bleibt sofort an diesem Begriff hängen. Jüngere Leute oder solche aus der Großstadt wissen oft gar nicht, was er bedeutet. Kurz erklärt handelt es sich um einen Servicejob bei bayerischen Hochzeiten. Der Hochzeitslader sorgt dafür, dass alles gut organisiert ist und wie am Schnürchen läuft. Friesinger beschreibt es so: „Das Brautpaar muss hinterher sagen: Wir haben uns um nichts kümmern müssen, und alles hat gepasst.“ Dazu trifft er sich zuvor mit den Brautleuten, bespricht Einladungsliste, Sitzordnung, Zeitablauf oder Ehrentanz und sorgt dann am großen Tag unauffällig dafür, dass alles funktioniert.
42 Jahre lang hat Friesinger auf diese Weise Brautpaare betreut – insgesamt über 1000. Geplant war das nicht, es hat sich so ergeben, wie so manches in seinem Leben. Bereits mit 15 Jahren half Friesinger das erste Mal beim Organisieren einer Hochzeit. Es lief so gut, dass er immer wieder gefragt wurde und das Ganze schließlich zum Beruf machte.
Die Landwirtschaft – ein Geflügelhof mit mehreren Hundert Hühnern und Enten – lief nebenbei, ebenso eine Imkerei. Eigentlich war er voll ausgelastet, mit dem Hof, der Hochzeitsladerei, seiner Familie mit vier Kindern – und der Aufgabe als Projektbetreuer beim Raiffeisenverband. In dieser Funktion kümmerte sich Friesinger um die Nahversorgung vor Ort, fungierte als Moderator, wenn’s Probleme gab, speziell im Bereich Landwirtschaft.
Als quasi-Aushilfsabgeordneter machte er bella figura. Das fiel auf
In einem Alter, in dem andere langsam über den Ruhestand nachdenken, hat er dann noch mal ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen: Er zog in den Landtag ein. Auch das kam überraschend. „Es hat sich so ergeben“, sagt der 63-Jährige. Im Jahr 2020 war nämlich der damalige Rosenheimer CSU-Abgeordnete Otto Lederer auf den Posten des Landrats gewechselt. Das Direktmandat war fortan verweist, Rosenheim hatte keinen Stimmkreisabgeordneten mehr. Denn der Nachrücker von der CSU-Landesliste kam aus München – Ludwig Spaenle.
Friesinger war zu jener Zeit bereits lange in der Kommunalpolitik aktiv: als Gemeinderat, Kreisrat, Bezirksrat und Zweiter Bürgermeister des 1800-EinwohnerOrtes Albaching. Weil im Stimmkreis stets viel zu tun ist, half Friesinger aus. „Ich hab sehr viele Termine übernommen“, entsinnt er sich. Für die CSU war das ein Glücksfall; Friesinger ist in Rosenheim und darüber hinaus nicht nur als Kommunalpolitiker bekannt, sondern auch im sogenannten vorpolitischen Raum verwurzelt. Natürlich wegen seiner langjährigen Tätigkeit als Hochzeitslader. Darüber hinaus fungiert er als Vorsitzender des Bayernbunds, der bayerische Traditionen hochhält. Und ist Mitglied in über 50 weiteren Vereinen, in sieben ist er Vorstand.
Weil er als quasi Aushilfsabgeordneter bella figura machte, fragten ihn die CSU-Oberen vor der Landtagswahl 2023, ob er nicht antreten wolle. Friesinger wollte, schlug fünf Mitkonkurrenten aus dem Rennen und wurde gewählt. Seit knapp eineinhalb Jahren sitzt er nun in den Ausschüssen für Europa und für Landwirtschaft. Daneben gehört er der Enquetekommission zum Bürokratieabbau an. Als Imker ist er außerdem bienenpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion – das gibt es tatsächlich.
Einmal war er im Urlaub: drei Wochen USA, mit 18
Aktiv in örtlichen Vereinen, beliebt, bekannt und bodenständig – für die CSU sind solche Leute Gold wert. Markus Söder sagt gern, er wolle Politik für die „normalen Leute“ machen. Bei Franz Josef Strauß hieß das Ganze noch „Politik für die Leberkäs-Etage“, gemeint war das Gleiche. Sebastian Friesinger steht für alles, was urbayerisch, traditionell und un-woke ist. Ein Bilderbuchbayer, der die heile Welt verkörpert, nach der sich viele sehnen.
Scharfe Ansagen vermeidet Friesinger. Er polarisiert nicht gern und betont, sein Motto sei leben und leben lassen. Die Frage, ob er als Hochzeitslader auch gleichgeschlechtliche Paare betreut hat, umschifft er diplomatisch: „Die Anfrage war nie da.“ Aber hätte er es gemacht? „Jeder soll so leben, wie er will“, formuliert Friesinger.
Im Landtag ist ihm vor allem der Bürokratieabbau ein Anliegen. Friesinger stöhnt: Das Problem sei, dass die Leute alles geregelt haben wollen. „Der Mensch hat Angst, wenn das nicht geregelt ist, was er geregelt haben will.“ Er nennt die Stellplatzverordnung. In Bayern soll es am Oktober so sein, dass die Gemeinden selbst darüber entscheiden, ob es vor Ort eine Stellplatzpflicht geben soll – was nicht alle Gemeinden super finden. Für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, urteilt Friesinger, sei es halt angenehmer, wenn sie die Verantwortung für unliebsame Entscheidungen abwälzen könnten. Im konkreten Fall auf den Staat, der bestimmte Dinge wie eine Stellplatzpflicht einfach vorschreibt – noch.
Wie er die Tätigkeit im Landtag empfindet? Schnell geht hier nichts, hat Friesinger erfahren. Er spricht vom „Bohren dicker Bretter“. Kandidieren will er trotzdem wieder. Mit dann 67 Jahren. Das Thema Work-Life-Balance ist für ihn ohnehin keins. Freizeit hatte er nie. Für zeitaufwendige Hobbys blieb kein Raum. Das Schönste für ihn: „Einfach daheim sein.“ Was er erzählt, klingt nach Harmonie und heiler Welt. Er freut sich, wenn die Kinder da sind. Jedes hat daheim noch ein eigenes Zimmer. Obwohl alle bereits erwachsen sind und woanders wohnen. Friesinger schwärmt: „Am Sonntag ist bei uns die Bude voll.“ Dann kommen alle heim und es wird groß aufgekocht. Sein Leibgericht ist nicht astrein bayerisch: Schaschlik mit Bratkartoffeln.
Ob er mal im Urlaub war? Einmal, erzählt er. Da war er 18. Drei Wochen USA: Atlanta, der Yellowstone-Nationalpark und Nashville – wegen Elvis.
Friesinger zeigt eine Luftaufnahme seines Hofes. Er ist umgeben von Wald. Da kann er abschalten. Und wenn er sich mal was Besonderes gönnen will, geht er zu einem Bayernspiel, in die Allianz-Arena.
(Waltraud Taschner)
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