Landtag

Oskar Lipp im Landtag. (Foto: loh)

20.02.2025

Der Börsenbegeisterte

Der Ingolstädter AfD-Abgeordnete Oskar Lipp

Die berufliche Karriere von Oskar Lipp (29) begann da, wo er jetzt als AfD-Abgeordneter sitzt: im Maximilianeum. Dort arbeitete der gebürtige Ingolstädter für die AfD ab 2019 als wissenschaftlicher Referent für den Wirtschaftsausschuss und ab 2022 bis zur Landtagswahl als Referent für Öffentlichkeitsarbeit. Er hatte damit gerechnet, dass sein Arbeitgeber in seinem Freundeskreis nicht gut ankommt. Aber, sagt Lipp, dass er sich deshalb wie „ein Aussätziger“ fühlt, hätte er nicht erwartet. Klassenkameraden, Freunde und selbst Familienmitglieder hätten ihn ignoriert. Er findet: „In einer Demokratie sollten doch unterschiedliche Auffassungen erlaubt sein – von links bis rechts.“

Allerdings: Teile der AfD sind wiederholt mit der Justiz aneinandergeraten. Zum Beispiel Thüringens AfD-Chef Björn Höcke: wegen der Verwendung von Nazi-Parolen. 

Lipp jedoch ist nicht dafür bekannt, zu den Scharfmachern seiner Partei zu gehören. Das Wort Migration fällt im Gespräch mit der Staatszeitung kein einziges Mal. Er sei ein sachlicher Wirtschaftspolitiker, betont er darauf angesprochen. In den sozialen Netzwerken finden sich zwar auch zugespitzte und provokante Beiträge zur Migrationskrise, allerdings geht es tatsächlich vor allem um die Wirtschaftslage. Die Aussagen des Münchner AfD-Bundestagskandidaten Christoph Rätscher, der bei einer Wahlkampfveranstaltung mit Blick auf gewalttätige Flüchtlinge von einer „Armee an Messerbestien“ sprach, würde er sich nicht zu eigen machen, sagt Lipp. Den Täter aus Aschaffenburg allerdings zählt Lipp durchaus dazu. „Man darf aber nicht alle Migranten unter Generalverdacht stellen.“ Es bringe nichts, sich emotional reinzusteigern, sagt er. „Außer hohen Blutdruck.“

Aufgewachsen ist Lipp in Ingolstadt. Über seine Mitarbeit beim Vieh- und Fleischhandelbetrieb seines Vaters habe er immer eine Verbindung zur Landbevölkerung gehabt. Seine Eltern waren nicht politisch aktiv, erzählt er, aber sehr konservativ. Die Schule fiel ihm leicht, in der Grundschule sei er sogar „Kopfrechenkönig“ gewesen. Auf dem Gymnasium interessierte er sich für Geschichte und Wirtschaft. Nach dem Abitur entschied er sich für ein BWL-Studium an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die Wahl kam auch seinem Interesse am Aktienhandel entgegen.

Wegen der Auswirkungen auf die Aktienkurse verfolgte Lipp auch die Geschehnisse rund um die Euro-Schuldenkrise 2011 in Griechenland – und die daraus resultierende Gründung der Anti-Euro-Partei AfD von Bernd Lucke, der die Rettungspolitik der Bundesregierung ablehnte. Parteimitglied war Lipp damals allerdings noch nicht – im Gegenteil. „Mich haben immer wieder Freunde aus der CSU gefragt, ob ich nicht bei der Jungen Union mitmachen will“, erinnert er sich. Wollte er aber nicht. Dann begannen unter anderem wegen des Bürgerkriegs in Syrien 2015 die Fluchtbewegungen. „Mich hat geärgert, dass die CSU-Regierung damals nichts unternommen hat“, erzählt er. Und so trat er in die AfD ein. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel räumte jüngst ein, dass es für einen Austritt aus dem Euro wohl „viel zu spät“ ist.

Für Lipp ging es bei der jungen Partei schnell nach oben. „Zumindest im Vergleich zu einer Parteikarriere bei der CSU“, sagt er. 2017 wurde er Beisitzer im Kreisvorstand Ingolstadt-Eichstätt, 2018 Bezirksrat von Oberbayern und Direktkandidat für die Landtagswahl – damals noch ohne Erfolg. 2020 wurde er in den Stadtrat in Ingolstadt und 2021 zum Beisitzer im Bezirksvorstand der AfD Oberbayern gewählt.

Im Landtag konnte er sich wegen seiner beruflichen Erfahrung dort rasch einarbeiten. Er schwärmt vom „großartigen Gefühl“ , als er dort zum ersten Mal im Plenum geredet hat. „Das hat mich mit Stolz und Demut erfüllt.“ Dort ist er Mitglied im Wirtschaftsausschuss – wenig überraschend sein Wunschausschuss. Dort setzt er sich unter anderem dafür ein, Bayern unabhängiger von Rohstoffen aus China zu machen. „Vieles entscheidet natürlich die Europäische Union oder der Bund“, räumt er ein. Lipp will aber zumindest durch Anfragen und Anträge erreichen, dass sich der Freistaat bei Abstimmungen im Bundesrat „richtig“ positioniert, etwa beim Stopp des Verbrennerverbots. Den menschengemachten Klimawandel bezweifelt er, Investitionen zur „Klimaanpassung“ lehnt er aber nicht ab – zum Beispiel beim Hochwasserschutz. Sein Credo: „Wir brauchen keine überteuerten Ausgaben, aber pragmatische Lösungen.“

Er wunderte sich, dass ihn Abgeordnete nicht grüßen

Die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen bezeichnet er als schwierig. „Als Neuling habe ich den Fehler begangen, andere Kollegen zu grüßen – doch da kam nichts zurück.“ Inzwischen würden aber zumindest einige CSU-Abgeordnete gelegentlich mit ihm herumscherzen. Lipp wertet das als Zeichen dafür, dass ein „Kurswechsel in Richtung Pragmatismus“ stattfindet. So stuft er auch die Abstimmung im Bundestag ein, wo die Union jüngst einen Antrag zur Migration mit den Stimmen der AfD durchsetzte. Das Verhalten von CDU-Chef Friedrich Merz nennt er einen „kostenlosen Wahlkampf für die AfD“.

Das Gebaren innerhalb der AfD bezeichnet Lipp als deutlich „gesitteter“ im Vergleich zur letzten Legislaturperiode. „Natürlich gibt es auch Gezanke hinter verschlossenen Türen“, räumt er ein.

Laut seiner Webseite ist Lipp neben dem Verein zum Erhalt der Deutschen Sprache oder der Reservistenkameradschaft Ingolstadt auch Mitglied der Atlas Initiative für Recht und Freiheit, die vom „Wirtschaftscrash-Propheten“ Markus Krall gegründet wurde. Diesem wird vorgeworfen, Verbindungen in die Reichsbürgerszene zu haben und den Klimawandel zu leugnen. Lipp bezeichnet den Verein indes als Thinktank, der sich für staatliche Zurückhaltung und Entbürokratisierung einsetzt.

So offen der 29-Jährige im Gespräch ist, so bedeckt hält er sich bei seinem Privatleben. Als Hobbys nennt er neben dem Lesen von Börsennews lediglich Schwimmen und Schach, was er in jüngeren Jahren sogar in der Kreisliga spielte. „Wenn es die Zeit zulässt, poker ich auch mit meinen Freunden.“ Verheiratet ist er nicht – aber so viel verrät er: „vergeben“. (David Lohmann)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Bayerns Kommunen eine Verpackungssteuer einführen?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

BR Player
Bayerischer Landtag
Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.