Landtag

Bernhard Seidenath (CSU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Landtag. (Foto: Tobias Lill)

27.09.2019

Der CSU-Sozi

Im Porträt: Bernhard Seidenath (CSU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses

Am vergangenen Samstag konnte man als Begleiter von Bernhard Seidenath leicht den Eindruck gewinnen, der 50-Jährige aus Haimhausen im Landkreis Dachau sei in der falschen Partei. Nicht nur, dass der langjährige CSU-Landtagsabgeordnete an jenem Tag in einem Fair-Trade-Laden dabei hilft, neue Kunden zu gewinnen – auch ansonsten entsprechen viele Dinge, die er sagt, nicht unbedingt dem, womit politische Beobachter die CSU gerne verbinden. Statt über Abschiebungen oder abgeschottete Grenzen spricht der Sozial- und Gesundheitspolitiker an diesem Vormittag lieber über einen fairen Welthandel.

Die Preise für afrikanische Waren müssten „so hoch sein, dass die Menschen gut davon leben können“, sagt er. Derlei Hilfe zur Selbsthilfe sei „der beste Weg, um zu verhindern, dass die Menschen von dort zu uns fliehen“. Wenn Seidenath über Afrika und die Fluchtthematik spricht, klingt dies ziemlich anders als das, was prominente CSU-Spitzenpolitiker noch im vergangenen Jahr geäußert hatten. Worte wie „Asyltourismus“ oder Freuden-Tiraden über Abschiebungen würden Seidenath wohl kaum über die Lippen kommen.

Stattdessen lobt der Jurist, der sich viele Jahre ehrenamtlich in der katholischen Kirche engagierte, Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. „Ein guter Mann“, sagt Seidenath über jenes CSU-Kabinettsmitglied, das anders als etwa Verkehrsminister Andreas Scheuer zwar kaum im medialen Scheinwerferlicht steht, dem viele aber eine unaufgeregte und sachorientierte Arbeit bescheinigen. So sorge Müller tatsächlich für bessere Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Ländern wie Bangladesch, lobt Seidenath im Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Dachauer Fair-Trade-Ladens.

Seidenath ist vom Stil her eine Art Gerd Müller auf Landesebene. Der Dachauer Landtagsabgeordnete gilt in seinem Wahlkreis als jemand, der stark sachorientiert arbeitet. 1989 trat der gebürtige Franke in die Erlanger CSU ein. Zunächst erarbeitete er sich ein Profil in der Wehrpolitik. Ab 2001 war er sieben Jahre lang Pressesprecher des bayerischen Sozialministeriums. Nach seinem Umzug nach Oberbayern zog er 2002 in den Haimhauser Gemeinderat, später in den Dachauer Kreisrat ein.

Seidenath steht für eine sozialere CSU

Im Landtag spezialisierte er sich rasch auf Sozial-, Gesundheits- und Pflegethemen. Seit 2013 ist er gesundheits- und pflegepolitischer Sprecher seiner Fraktion. Und hat seit dieser Legislaturperiode den Vorsitz im Gesundheits- und Pflegeausschuss inne. Er gehört dem Sozialflügel seiner Partei an. Gerade erst erteilte er einem Kahlschlag bei den Krankenhäusern auf dem Land eine Absage.

Auch schon zu Zeiten, da sich die CSU-Spitze unter ihrem damaligen Parteichef Edmund Stoiber und dessen Nachfolgern viele Jahre für eine zunehmend wirtschaftsliberale Politik begeisterte, war Seidenath keiner, der alles dem Markt überlassen wollte. Und auch in der neuen Söder-CSU wirkt Seidenath mit manchen seiner Positionen eher wie ein christsozialer Genosse.

Tatsächlich ist Seidenath ein großer Befürworter von Genossenschaften insbesondere im Sozialbereich. Wegen seiner Begeisterung für diese nicht allein dem schnöden Profit, sondern dem Wohl der Allgemeinheit oder zumindest dem seiner Mitglieder verpflichteten Gesellschaftsform widmete ihm "Das bayerische Genossenschaftsblatt" ein langes Porträt. Von einem „ganz besonderen Geist“ Seidenaths ist da die Rede.

Der zweifache Familienvater schwärmt: „Genossenschaften überzeugen nicht nur in der Theorie, sondern vor allem in der Praxis.“ Hinter ihnen stehe „eine gerechte Unternehmensform, die alle Beteiligten auf Augenhöhe zusammenbringt“.

Mehrere Genossenschaften in seiner Region hat er auf den Weg gebracht. Gerade erst hat er mit dafür gesorgt, dass sich in seinem Landkreis das Klinikum sowie mehrere Pflegeheimbetreiber zu einer Genossenschaft zusammentaten. Diese soll Wohnungen anmieten und an die Pfleger, Krankenschwestern und Erzieherinnen der Region weitervermieten. „Denn im Gesundheits-und Pflegebereich fehlen auch und gerade deshalb Fachkräfte, weil sie keine Wohnungen finden“, glaubt Seidenath.

Er sitzt auch im Aufsichtsrat der 2017 gegründeten Genossenschaft zur Stärkung der gesundheitlichen Versorgung im Landkreis. Dieses Ziel will sie erreichen, indem sie etwa Akteure des Gesundheitssystems wie Apotheker oder Ärzte besser vernetzt.

Eine weitere Genossenschaft, die er initiierte, das Palliativteam Dachau, kümmert sich seit 2012 mit einer Vielzahl von Mitarbeitern um jährlich rund 180 todkranke Patienten. Zu groß schien die Gefahr, dass eine rein marktwirtschaftlich betriebene Firma ihre Rendite über das Recht eines menschenwürdigen Abschieds der Betroffenen gestellt hätte.

Als Tafel-Verantwortlicher sorgte er für einen Eklat

Auch in anderen Bereichen sieht Seidenath den Staat in der Pflicht. Um den bayernweiten Hebammenmangel zu bekämpfen, soll der Freistaat Seidenath zufolge noch mehr ausbilden. Ziel müsse sein, dass schon ab 2021 175 Hebammen-Studienplätze zur Verfügung stehen.

Und um die zunehmenden Antibiotika-Resistenzen zu bekämpfen, solle die Produktion der Antibiotika möglichst ins Inland zurückverlagert werden. Auch müssten die Krankenkassen höhere Preise zahlen, damit sich die Forschung nach neuen Bakterien-Killern wieder lohne.

Seidenath hat in bestimmten Punkten Bewegung in die Partei gebracht. In anderen wie der Drogenpolitik bleibt er beim bisherigen harten Kurs. Trotz der im Bundesvergleich hohen Zahl von Herointoten lehnt er Fixerstuben ab. „Wir können nicht Besitz und Handel bestrafen und dann den Konsum tolerieren“, sagt er.

Seidenath ist Kreisvorsitzender des Bayerischen Roten Kreuzes in Dachau. Als solcher ist er auch für die Dachauer Tafel verantwortlich, hilft dort selbst hin und wieder mit. „Es ist ein gutes Gefühl, zu helfen“, sagt er.

Doch vor fast vier Jahren bescherte ihm die Tafel jede Menge Ärger. Weil Seidenath und viele seiner Helfer es ablehnten, dass in Gruppenunterkünften lebende nicht anerkannte Flüchtlinge, die ja Lebensmittelpakete und Gutscheine bekamen, sich bei den Tafeln bedienten, erntete er einen medialen Shitstorm. Auch auf Facebook wurde er angefeindet. „Ich habe damals schlecht geschlafen“, erinnert sich Seidenath. Doch die Entscheidung sei die richtige gewesen.

Läuft alles nach Plan, will er auch 2023 wieder für den Landtag antreten. Er glaubt: „Die CSU ist die Partei für alle, die etwas bewegen wollen.“ (Tobias Lill)

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