War da nicht schon mal was? Ein junger Adeliger aus Oberfranken, der sich mit geschliffener Rhetorik in die große Politik aufmachte? Ja, da war mal was. Aber mit dem forsch-glamourösen Karl-Theodor zu Guttenberg hat Kristan Freiherr von Waldenfels außer der CSU-Mitgliedschaft nur wenig gemein. Waldenfels, Jahrgang 2000, will nicht mehr als unbedingt nötig über Adel und das weitverzweigte Geschlecht derer von Waldenfels reden, er definiert sich nicht darüber. Dabei gab es aus diesem immerhin schon einen bayerischen Finanzminister. Doch Georg von Waldenfels, heute 80 Jahre alt, gehört einer entfernten Linie des Hauses an.
Der erfahrene Georg und der junge Kristan stehen in losem Kontakt. Als Kristan nach der Wahl 2023 als jüngster Abgeordneter im Haus die konstituierende Sitzung des Landtags miteröffnen durfte, saß Georg von Waldenfels nicht ohne Stolz auf der Besuchertribüne. Auf den jungen Verwandten angesprochen sagte er damals, der Kristan mache das gut, er solle nur auf dem Boden bleiben – manche Medien handelten ihn damals schon als heißen Kandidaten für einen Staatssekretärsposten – und einfach seinen Weg gehen. Genau das macht Kristan von Waldenfels, und nicht erst seit dem Einzug in den Landtag. 2020, mit noch nicht einmal 20 Jahren, wurde er zum Bürgermeister des Städtchens Lichtenberg im Frankenwald gewählt, als jüngster Rathauschef Deutschlands. Und zu diesem Zeitpunkt war er dort schon ein Jahr CSU-Ortsvorsitzender.
Seine ersten Berührungspunkte zur Politik hatte von Waldenfels als Zehnjähriger. Mit seinem Vater war er in den USA, wo dieser für sein Buchprojekt Der schwarze Messias über Barack Obama recherchierte. Mit 16 hat er die fränkische Ausgabe des Wettbewerbs „Jugend debattiert“ und an seinem Hofer Gymnasium einen „Tag mit dem Chef“ gewonnen, den er mit Landrat Oliver Bär (CSU) verbrachte, erzählt von Waldenfels. Er war begeistert und beeindruckt davon, wie man sich als Politiker für die konkreten Belange der Menschen einsetzen kann. Das war der Auslöser, sich mehr und gemeinsam mit anderen in Lichtenberg zu engagieren. Und dann hatte es sich in seinem Sinne glücklich gefügt, dass die Lichtenberger CSU vor der Kommunalwahl 2020 wegen interner Querelen einen Neuanfang starten wollte. Mehr Neuanfang als mit einem 19-jährigen Abiturienten geht in der Tat kaum.
Während andere in diesem Alter die Welt bereisen oder einfach mal die Seele baumeln lassen, halste sich von Waldenfels eine Doppelbelastung als ehrenamtlicher Bürgermeister und Student auf. An der Universität Bayreuth nahm er ein Studium in Philosophie und Volkswirtschaft auf. Eine Ahnung von Wirtschaft könne nicht schaden und das Verständnis für die Auswirkungen wirtschaftlicher Entwicklungen auf eine Gesellschaft auch nicht: So schildert von Waldenfels seine damalige Motivation für die nicht alltägliche Fächerverbindung. 2023, kurz vor dem Einzug in den Landtag, schloss er das Studium mit einem Bachelor ab.
Nebenher managte er die Geschicke einer kleinen ländlichen Kommune. In der Frühe sei er oft noch vor Dienstbeginn auf dem Bauhof gewesen, um mit den Arbeitern zu reden, danach Gespräche im Rathaus. Er habe schon immer Gespräche führen wollen, sagt er, bevor er Entscheidungen trifft. Überhaupt, mit den Leuten reden – das ist offenbar das Seine.
So wie er spricht, wirkt er nicht wie ein 24-Jähriger
Von Waldenfels ist keiner, der, so wie das Politiker gerne tun, das Ich in den Mittelpunkt rückt. Ein Blick auf seine Homepage bestätigt das. Dort gibt es prominent platziert die Rubrik „Begegnungen“. Er lässt da Menschen aus seiner Heimatregion zu Wort kommen, begleitet sie bei der Arbeit oder im Ehrenamt, gibt ihnen ein Forum und nimmt sich selbst zurück. Bescheidenheit, so wirkt es, ist für Kristan von Waldenfels keine Floskel.
Natürlich, räumt von Waldenfels ein, sei er als wirklich sehr junger Bürgermeister auch auf Vorbehalte gestoßen. Mit „viel Einsatz und Eifer“ sei er diesen begegnet, habe aus seiner Jugend eine Tugend gemacht und einfach viel gefragt. Zudem hat er die Beteiligung der Bürgerschaft in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. Alle zwei Wochen gibt es einen Bürgermeisterbrief, bei strittigen Fragen bemüht er sich, die Menschen so gut es geht mitzunehmen. In seine Amtszeit fiel die Grundsatzentscheidung für den Bau einer mehr als ein Kilometer langen Hängebrücke für Fußgänger über das an Lichtenberg angrenzende Höllental. Große Bedenken gegen das Mammutprojekt wurden laut, doch von Waldenfels sah eher die Chancen für die Stadt und die Region durch eine touristische Attraktion mit überregionaler Strahlkraft. Er berichtet vom „Arbeitskreis Brücke“, wo es unter Einbindung der Bürgerschaft gelungen sei, Herausforderungen wie Parkplatzbau oder Besucherlenkung in breitem Einvernehmen zu lösen. „Wenn Veränderungen anstehen, muss ich als Bürgermeister umso mehr mit den Menschen reden und Lösungen finden“, lautet von Waldenfels’ Grundsatz.
Das Studium hat von Waldenfels gegen das Abgeordnetenmandat eingetauscht, Bürgermeister im Ehrenamt ist er geblieben. Die Kombination findet er „spannend“. Er brauche diese „direkte Rückkoppelung der Landespolitik mit der Lebenswirklichkeit der Menschen“. Er sagt das wirklich so und klingt dabei, wie auch in Landtagsdebatten, viel erwachsener als ein junger Mann Mitte 20. Wenn er über Wirtschaft, Migration oder Klimaschutz spricht, wirkt es, als habe er das CSU-Parteiprogramm und die Kernsätze seines Parteichefs Markus Söder gut verinnerlicht.
Im Landtag sitzt er im Agrarausschuss, weil die Gegend um Lichtenberg land- und forstwirtschaftlich geprägt und das Gremium nun auch für den Tourismus zuständig ist, sowie im Bildungsausschuss. „Meine eigene Schulzeit liegt ja noch nicht so lange zurück“, schmunzelt er. Außerdem arbeitet von Waldenfels in der Enquetekommission zum Bürokratieabbau mit – eine „Herzensangelegenheit“, wie er sagt. Es geht ihm darum, die Wirtschaft zu „entfesseln“. In seiner Freizeit versucht er, täglich Sport zu treiben, meist Radfahren oder Tennis. Und er spielt Geige. „Vor allem zur Weihnachtszeit übe ich gerne etwas ein“, erzählt er. Ein Mann der eher leisen Töne eben. (Jürgen Umlauft)
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